Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays - Rudolf Stratz


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verkündet den Frieden in allen deutschen Landen –«

      Sie schwanden im Dunkel. Herr Albin hielt sein Roß an und zog Ruth an sich und küßte sie auf den Mund.

      »Ich bin auferstanden von den Toten, Ruth, und siehe: alles erstehet jetzt auf! Ich bin genesen von meinen Wunden, und auch das deutsche Land will genesen! Ein neuer Geist ist in mich gefahren und fahret mit diesen Glocken über das heilige Reich und heißet Friede. Wir wissen nicht, was Frieden ist, Ruth, und freuen uns doch seiner. Denn wir wissen: er wird uns segnen, nach schwerer Zeit. Wir wollen ihm dienen und er wird jeden belohnen, der ihm mit einfältigem Herzen dient: dich, mich und alles, was in deutschen Landen lebt!«

      Der weiße Tod

       Inhaltsverzeichnis

       Achtung! ... Steinschlag!

       II

       III.

       IV

       V

       VI

       VII

       VIII

       IX

       X

       XI

       XII

       XIII

       XIV

       XV

       XVI

       XVII

       XVIII

       XIX

       XX

      Achtung! ... Steinschlag!

       Inhaltsverzeichnis

      Sie blieben stehen. Der Felszacken hart am Rande des jäh an ihnen vorbei abschießenden Eishanges gab ihnen Schutz, während von oben das unheilverkündende Gepolter näher kam.

      Lange Stunden hatte da die Augustsonne an dem Eiskitt genagt und geleckt, der die Steintrümmer der Berge in halb schwebender Lage unbeweglich festhielt. Jetzt war die Bande geschmolzen und strömte in milchigen Nassem zu Tale. Vor ihr her aber flog und kollerte in jauchzenden Sprüngen der frei gewordene Koloß über die steile, spiegelnd glatte Fläche hinab. Wie eine Schar geschäftiger Gnomen huschte allerhand kleines Geröll und Trümmerwerk hinter dem ungeschlacht niedertanzenden, rechts und links auf den Firn aufschmetternden Gebieter. Und hinter dem eilfertigen Gesindel endlich sauste, als atemlos keuchender Nachzügler, ein dicker schwarzer Block und stürzte sich, den Genossen folgend, vom Rande des Eishangs kopfüber in die Tiefe.

      Dort nahm der Schnee sie auf. Er ballte sich um die rollenden Steinmassen, er häufte sich vor ihnen in stiebenden Hügeln, weithin begann die ganze weiße Decke zu rucken und zu zucken, sie geriet in gleitende Bewegung, sie vermischte sich mit dem niederstrebenden Gestein zu einer Wolke von krachendem Fels und klirrendem Eis und rieselndem Schnee, und unter weithin hallendem Donner fuhr die Lawine zu Tal. Die Felswände warfen den Schall zurück. Ein Heulen und Dröhnen erhob sich aus der nebelverhangenen Tiefe, ein Brüllen, das sich von Tal zu Tal durch die Hochgebirgsschlünde fortpflanzte, um dann langsam in dumpf rollendem Grollen zu ersterben. Noch einmal stöhnte es in einer weltenfernen Kluft, irgendwo aus dem Nebel knurrte es tückisch dagegen. Dann wurde es still. Starres, feierliches Schweigen lag wieder über dem ewigen Schnee und seinen wolkenumzogenen Gipfeln.

      Den schlanken Leib hart an die Felsen gepreßt und unwillkürlich an deren Rippen sich mit den Händen festklammernd, hatte sie auf das Schauspiel herabgeblickt. Die tiefblauen, kalt glänzenden Augen schienen größer und größer zu werden, wie sie über das Firngeglitzer in die gähnende Tiefe sah, in der die Nebelschwaden brauten und wogten. Sie stiegen empor, sie schwebten über ihrem schönen Haupte in gespenstisch flutenden Schleiern und hüllten Welt, Erde und Menschen in ein graues Nichts, aus dem eintönig und unermüdlich das Rauschen der Gletscherwasser drang. Undeutlich hoben sich im Nebel die wild gezackten kahlen Felsklippen, die pfadlosen Schneeflächen ab, und wo der graue Dunst sich einmal teilte, da lugten hoch vom Himmel her, wie bleiche Riesen, die Bergeshäupter der Berner Alpen hinab in die Trümmerwelt der Talgletscher mit ihren phantastischen Schrunden und Hügeln von Eis, den halb eingestürzten, reihenweisen Schneemauern und den schwarzen, scheußlich klaffenden Spalten in denen die unterirdischen Ströme brausten.

      Das war keine Welt wie die da unten, wo die Menschen lebten und starben. Dies feierliche Gebilde aus Fels und Eis und Schnee, aus wogendem Nebel und rauschenden Fluten war eine Welt für sich, eine Wüste, durch deren Schweigen Stein und Sturm in mächtigen, geheimnisvollen Zungen zum Menschen sprachen. Noch verstand sie diese Sprache nicht. Zum erstenmal befand sie sich heute im Herzen der Alpenwelt. Aber ein Beben der Ergriffenheit hatte sie erfaßt und legte Wachsblässe über die herbe Schönheit ihrer Züge. Sie atmete schwer, mit halboffenem Munde. Es war keine Furcht, was sie empfand. Die Schauer des Hochgebirges gingen durch ihre Seele.

      »Brrruummm!« machte der alte Christen Zum Brunnen vor sich hin. Diese Nachahmung des Lawinendonners war beinahe der einzige Laut, den man von dem greisen Bergführer zu vernehmen pflegte.

      Wie er da so kauerte, den langen, klapperdürren Leib und die hageren endlosen Glieder auf unbegreifliche Weise in die Lücken der Felswand geschmiegt, mit dem listig blinzelnden, von tausend Runzeln durchfurchten, zahnlosen Ledergesicht, das spärliche graue Haarbüschel umrahmten, da erschien er selbst mehr wie ein abenteuerliches Gebilde der Hochwelt, als wie ein Mensch von Fleisch und Blut.

      Und doch wohl dem Touristen, den in einem kritischen Augenblick der alte Zum Brunnen am Seil hatte, dieser Gletschermann ersten Ranges, der mehr als hundertmal die »Jungfrau« bestiegen, siebenmal den »Täubchen« des Großen Schreckhorns den Fuß auf den Nacken gesetzt hatte, und hinter dessen Namen die Reisehandbücher in vielsagenden Klammern die Worte »Kaukasus« und »Himalaja« lesen ließen. Er war längst ein wohlhabender Mann. Die verheirateten Töchter besaßen ihre eigenen gutgehenden Wirtshäuser, seine Söhne, die Bergführer, brauchten vor dem »Bär« in Grindelwald nie lange auf Zuspruch zu warten, aber immer und immer wieder zog es den Alten hinauf in die Erhabenheit jener Welt über den Wolken, in der sein Leben und allem menschlichen Ermessen nach dereinst sein Grab war.

      Heute freilich ärgerte er sich, daß er ausgegangen. – Mit einem Frauenzimmer, die trotz aller Courage so wenig vom Bergklettern verstand, und


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