Seewölfe Paket 23. Roy Palmer

Читать онлайн книгу.

Seewölfe Paket 23 - Roy Palmer


Скачать книгу
beantworten. Sie folgten ihm blind und mußten sich auf ihn verlassen. Um die Führung beneidete ihn niemand. Die konnte nur ein Mann halten, der diese kalten Regionen der Tierra helada wie seine Hosentasche kannte. Aloysius schien selbst durch dicke Schneewände noch sehen zu können.

      Der Profos streckte einmal die Hand nach links aus. Sie stieß an harten Fels. Dann bückte er sich im Gehen und tastete weiter nach rechts hinüber.

      Da war nichts, wie er entsetzt feststellte. Also befanden sie sich noch auf diesem lebensgefährlichen Ziegenpfad, den er beinahe für immer verlassen hätte.

      Von vorn erklang lautes Brüllen. Aloysius ließ das Seil etwas durchhängen, damit Hasard merkte, daß er anhielt, und er nicht auf ihn aufprallte. Das hätte den ganzen Trupp ins Schleudern gebracht. So blieb einer nach dem anderen stehen.

      Der Pater drehte sich um und legte die Hände trichterförmig an die Lippen: „Der Steilpfad ist hier zu Ende! Wir bewegen uns jetzt gleich über ein riesiges Hochplateau! Dort erreichen wir einen Felszug und damit die Höhlen in den Bergen! Bitte weitersagen!“

      Hasard brüllte die eben gehörten Worte weiter nach achtern. Der letzte Mann verstand immer noch nichts, und so gingen die Worte wie ein Lauffeuer von Mann zu Mann, bis sie endlich auch den letzten erreichten.

      Die zweite Anordnung lautete, daß jeder am Seil bleiben und keiner es lösen sollte, weil das Hochplateau ebenfalls seine ganz besonderen Tücken hätte.

      „Mich kann nichts mehr erschüttern!“ brüllte der Profos. „Viel mehr Tücken als dieser Mistpfad kann es auch nicht haben!“

      Niemand verstand, was er sagte, aber mehr oder weniger dachten doch alle das gleiche. Sie brauchten nicht mehr so dicht am Abgrund zu gehen, und das war schon eine Erleichterung.

      Das Plateau erwies sich jedoch ebenfalls als recht tückisch. Über die gewaltige Hochfläche pfiff der Wind noch stärker. Hier konnte er ungebrochen seine volle Kraft entfalten, und das tat er auch mit einer geradezu bestialischen Wut. Er pfiff, röhrte und orgelte wie auf hoher See, wenn ein wilder Orkan losbrach. Ganze Schneewände trieb ihnen der Wind gegen die erschöpften Körper. Dazu ging es wieder leicht bergan auf einem tückischen Untergrund, der stark vereist war.

      Hier mußten sie sich regelrecht vorwärtskämpfen, mit aller Kraft, die sie noch hatten. Sie krochen fast über den Boden, sonst hätte der wildjaulende Sturm sie umgeblasen.

      Es mußte jetzt gegen Abend sein, wie sie vermuteten. Zu sehen war immer noch nichts. Sie hatten nicht einmal eine ungefähre Vorstellung von der Fläche, über die sie sich bewegten. Ihre Dimensionen blieben vorerst unbekannt. Sie hatten nur gehört, daß es ein gewaltiges Hochplateau wäre. Aber hier war alles gewaltig, hier war alles Superlativ, gigantisch, unermeßlich hoch oder unauslotbar tief.

      Einmal schlug Dan O’Flynn der Länge nach hin. Er rutschte auf der glatten Fläche ein Stück zur Seite, bis ihn die anderen abfingen. Dann glitt Gary Andrews fluchend aus, etwas später erging es dem Seewolf und Ribault ebenso.

      Und immer noch pfiff und heulte der Sturm sein nicht endenwollendes eisiges Lied. Mit Urgewalten orgelte er heran, hob die Schneemassen hoch und schleuderte sie ihnen entgegen.

      Die eisigen Regionen prüften die Eindringlinge auf Herz und Nieren, und wer ihnen nicht standhielt, den brachten sie gnadenlos um oder warfen ihn in klaffende Abgründe und ließen ihn einfach liegen. Der eisige Schnee wob sein Laken darum.

      Man konnte sehr schnell aufgeben in dieser gnadenlosen Bergwelt der eisigen Tausender. Wer einmal vom Weg abkam, war verloren, er würde im peitschenden Schneesturm nicht lange überleben.

      Das wußten sie alle, sie erfuhren es mit jedem Augenblick, daß die Berggiganten kein Erbarmen kannten, und so kämpften sie sich mit letzter Kraft weiter.

      Ewigkeiten vergingen im Geheul des Sturmes, Minuten zogen sich endlos in die Länge und wurden zur körperlichen Qual.

      Dann ließ der heftige Sturm unvermittelt etwas nach. Auch das Schneetreiben war nicht mehr so dicht.

      Pater Aloysius blieb stehen. Die Umrisse seines Körpers waren wieder einigermaßen erkennbar.

      „Wir sind gleich da!“ rief er. „Links von uns befindet sich der Felszug mit den Höhlen! Nur ein paar Minuten noch!“

      Den Männern klang es wie liebliche Musik in den Ohren. Sie waren total ausgelaugt, erschöpft, erledigt, durchgefroren und kaum in der Lage, ein Bein vor das andere zu setzen. Den Rest der Strecke stolperten sie mehr, als sie gingen.

      Aber sie bewunderten insgeheim den Padre, dem man nichts von den Strapazen ansah. Der kletterte immer noch leichtfüßig wie eine Gemse bergan und schien frisch und munter zu sein.

      Der Schnee wehte jetzt in größerer Höhe über sie hinweg. Hoch über ihren Köpfen heulte und jaulte es in schrecklichen Tönen.

      Dann tauchte der im Windschatten liegende Bergzug vor ihnen auf.

      Carberry zuckte zusammen, als sein Diego unvermittelt einen trompetenähnlichen Ton ausstieß.

      „Klar, du freust dich auch auf die Höhlen“, sagte er, aber er kannte seinen Diego offenbar doch noch nicht richtig, denn der drückte keineswegs seine Freude aus. Es war nur ein Schrei der Angst, und ein Schrei, der die anderen warnen sollte.

      Noch ehe jemand richtig begriff, was geschah, schoß aus einer der kleineren Höhlen im Fels ein langgestreckter grauer Schatten. Der blitzschnell durch die Luft jagende Schemen stieß ein wildes Fauchen aus und brüllte laut auf.

      Dann sprang der Schatten eins der erbärmlich schreienden Maultiere an und riß es mit einem Satz zu Boden.

      Ein Puma! Und er schien sehr hungrig zu sein, so hungrig, daß er sich an den Männern nicht störte.

      Hasard und seine Männer reagierten nicht einmal halb so schnell wie Pater Aloysius. Sie begriffen im ersten Augenblick auch gar nicht, was hier passierte. Sie sahen nur den langgestreckten Schatten, der das Maultier umgerissen hatte und jetzt fauchend und brüllend nach dem Tier hieb.

      Pater Aloysius fuhr blitzschnell herum. Noch während er den fauchenden und brüllenden Puma fixierte, riß er einen scharfgeschliffenen Dolch aus dem Gürtel, eine Art Hirschfänger, der jedoch ganz spitz zulief.

      Der Puma schlug mit der Pranke nach dem Muli, das am Boden lag und wild mit den Hufen um sich keilte. Die anderen Mulis waren verängstigt ein paar Schritte auf die Höhle zugelaufen. Ihre Flanken zitterten vor Angst.

      Da war der Padre mit ein paar mächtigen Sätzen heran. Er rannte direkt auf die sich wie wild gebärdende Raubkatze zu, in der Rechten das lange Messer, die Linke abwehrend von sich gestreckt.

      Der Puma fuhr fauchend herum, als er den Mann sah. Aber er wollte auch seine Beute nicht loslassen. Die rechte Pranke fuhr rasend schnell durch die Luft, als wolle sie den Mann hinwegfegen.

      Pater Aloysius warf sich auf die fauchende Bestie. Mensch und Tier bildeten für Augenblicke ein wildes Knäuel.

      Ein Prankenhieb streifte den Padre an der linken Schulter. Die Raubkatze versuchte zu beißen, doch Aloysius schob den Arm wie eine gewaltige Ramme vor und stach mit aller Kraft zu. Sofort danach stach er noch einmal zu.

      Ein wildes heiseres Fauchen erklang. Der Puma bäumte sich auf, fiel auf den Rücken und schlug mit den Pranken um sich. Dann begannen die Pranken wild zu zucken. Die Muskeln erschlafften, das Tier rollte auf die Seite, zuckte noch einmal und lag dann still.

      Das Muli erhob sich und rannte wie verrückt in die große Höhle.

      „Dort geht es hinein“, sagte Aloysius und zeigte auf den dunklen Eingang der Höhle. „Dort sind wir vorerst in Sicherheit. Den Puma werde ich später aus dem Fell schlagen.“

      Die Männer starrten ihn an wie einen Geist. Der Pater schien über nie versiegende Kraftreserven zu verfügen. So ganz nebenbei erledigte er auch noch eine fauchende und hungrige Wildkatze.

      „Alle Achtung“, sagte Hasard erschöpft. „So schnell hätte von uns keiner mehr reagiert.“


Скачать книгу