Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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wurden zu den Konsuln hingezogen; die übrigen hielt die Furcht nicht bloß vom Rathaus, sondern auch vom Markt fern, und im Senate erlaubte der schwache Besuch keine Verhandlung. 13 Nun vollends glaubte die Menge, man suche ihr nur auszuweichen und sie hinzuhalten, und die fehlenden Väter wären nicht durch Zufall, nicht aus Furcht weggeblieben, sondern damit nichts aus der Sache werden sollte. Die Konsuln selbst suchten Ausflüchte, und ganz gewiss treibe man mit ihrem Elend nur Hohn. 14 Schon war es nahe daran, dass selbst die Würde der Konsuln die Erbitterung der Menschen nicht länger in Schranken hielt, als die Väter, ungewiss, ob sie sich durch Ausbleiben oder Kommen größerer Gefahr aussetzten, im Senat erschienen. Allein, als nun endlich die Versammlung zahlreich genug war, da waren weder die Väter noch die Konsuln untereinander einig. 15 Appius, ein Mann von heftiger Sinnesart, riet zu konsularischer Strenge. Nähme man einen oder den andern beim Kopf, so würden die Übrigen ruhig werden. Servilius, mehr für mildere Maßregeln gestimmt, meinte, es würde sicherer und leichter sein, den Zorn des Volkes zu beugen statt ihn zu brechen.

      (24) Mitten unter diesen Beratungen kam ein anderer, noch größerer Schrecken. Latinische Reiter sprengten mit der beunruhigenden Nachricht heran, die Volsker wären mit feindlichem Heer im Anzug, um die Stadt zu stürmen. Diese Nachricht hatte auf die Väter eine ganz andere Wirkung als auf die Bürger; so völlig war der Staat durch die Zwietracht aus einem in zwei zerfallen. 2 Das Volk frohlockte vor Freude. Da zeigte sich die göttliche Rache für die Unmenschlichkeit der Väter. Einer bestärkte den andern, sich ja nicht anwerben zu lassen; sie wollten lieber mit allen, als allein zugrunde gehen. Die Väter möchten nun Dienst tun, die Väter zu den Waffen greifen, damit nicht den einen die Gefahren des Krieges und den anderen die Belohnungen zuteil würden.

      3 Ganz anders im Rathaus. Niedergeschlagen und bestürzt über die von zwei Seiten, von Bürgern und Feinden drohende Gefahr, baten die Väter den Konsul Servilius, der vermöge seiner Gemütsart volkstümlicher war, den Staat aus diesen großen ihm drohenden Gefahren zu retten.

      4 Nach Entlassung des Senates trat der Konsul vor dem Volk auf. Er versicherte, die Väter dächten schon daran, den Bürgern zu helfen; allein ihre Beratung, die freilich den größten, doch aber immer nur einen Teil des Staats beträfe, sei durch die Furcht für das Gesamtwesen unterbrochen, 5 und solange die Feinde vor den Toren ständen, könne unmöglich dem Krieg etwas anderes vorangehen; und selbst, wenn die Sache weniger dringend wäre, werde es teils den Bürgern keine Ehre machen, nicht anders als gegen vorausgezahlten Lohn die Waffen für das Vaterland zu ergreifen, teils den Vätern nicht anständig sein, mehr gezwungen als späterhin aus eigenem Willen der bedrängten Lage ihrer Mitbürger abgeholfen zu haben.

      6 Dieser Rede gab er noch mehr Gewicht durch die Verordnung, in welcher er bekannt machte, es solle niemand einen römischen Bürger gebunden oder eingesperrt halten, so dass es ihm unmöglich würde, seinen Namen bei den Konsuln anzugeben. Es solle niemand das Eigentum eines Diensttuenden, solange dieser im Lager stehe, in Besitz haben oder verkaufen, noch an dessen Kinder oder Enkel Ansprüche machen.

      7 Auf diese Bekanntmachung hin ließen sich nicht allein die Schuldpflichtigen, welche zugegen waren, auf der Stelle zur Werbung einschreiben, sondern von allen Seiten lief aus der ganzen Stadt die Menge derer, die aus den Sklavenzellen sich aufmachten, weil jetzt kein Gläubiger sie halten durfte, dem Markt zu, um zur Fahne zu schwören. 8 Sie machten eine große Zahl aus, und im Volskischen Krieg tat es ihnen an ausgezeichneter Tapferkeit und Brauchbarkeit niemand zuvor. Der Konsul führte die Truppen gegen den Feind und schlug in geringer Entfernung von ihm sein Lager auf.

      (25) In der nächsten Nacht machten die Volsker, die auf die Uneinigkeit der Römer rechneten, um eben durch die Nachtzeit einem Übergang oder einem Verrat die Hand zu bieten, einen Versuch auf das Lager. Sie wurden von den Wachen bemerkt, das Heer geweckt, und auf das gegebene Zeichen griff alles zu den Waffen. So war den Volskern ihr Beginnen vereitelt. 2 Die übrige Zeit der Nacht genoss man von beiden Seiten der Ruhe. Am folgenden Morgen warfen die Volsker mit Tagesanbruch die Gräben zu und griffen den Wall an. 3 Schon rissen sie auf allen Seiten die Pfahlwerke nieder, schon forderten vom Konsul von allen Seiten, besonders die Schuldsklaven, mit Geschrei das Zeichen, und noch zögerte er, weil er den Mut seiner Soldaten erproben wollte. Endlich überzeugte er sich von ihrem glühenden Eifer, gab das Zeichen zum Ausfall und entließ sie voll Begierde zum Kampfe. 4 Gleich beim ersten Ausfall wurden die Feinde geschlagen; die Fliehenden, solange das Fußvolk folgen konnte, wurden niedergemacht; die Reiterei jagte die in die Flucht Geschlagenen bis an ihr Lager. Bald wurde selbst das Lager von den Legionen umringt, und weil der Schrecken die Volsker auch hier vertrieb, erobert und geplündert. 5 Tags darauf wurden die Legionen vor Suessa Pometia geführt, wohin sich der Feind geflüchtet hatte, die Stadt in wenigen Tagen erobert und zur Plünderung preisgegeben. Dadurch erholte sich das arme Kriegsvolk ein wenig. 6 Der Konsul führte das siegreiche Heer mit dem größten Ruhm nach Rom zurück. Auf seinem Abzug nach Rom meldeten sich bei ihm die Gesandten der volskischen Stadt Ecetra, welche die Eroberung von Pometia für sich selbst besorgt machte. Durch einen Senatsbeschluss wurde ihnen der Friede zugestanden, aber ein Stück Land genommen.

      (26) Bald darauf bereiteten auch die Sabiner den Römern einen kleinen Schrecken, denn es war mehr ein Aufstand zum Krieg als ein Krieg. Bei Nacht lief in der Stadt die Nachricht ein, ein Heer sabinischer Plünderer sei bis zum Fluss Anio vorgedrungen und verheere und verbrenne die Landhäuser allenthalben. 2 Sogleich schickte man mit der gesamten Reiterei den Konsul Aulus Postumius hin, der im Latinerkrieg Diktator gewesen war; der Konsul Servilius folgte mit einer auserlesenen Mannschaft zu Fuß. 3 Sehr viele Sabiner wurden auf ihren Streifzügen schon von der Reiterei umringt, aber auch ihre Streitmacht hielt dem heranrückenden Fußvolk nicht stand. Ermattet vom Marsch und der nächtlichen Plünderung, größtenteils in den Landhäusern mit Speise und Wein überladen, hatten sie kaum zur Flucht noch Kraft genug.

      4 Der Sabinische Krieg war in derselben Nacht, wo man von ihm hörte, beendet, und man hegte große Hoffnung, sich auf allen Seiten Frieden verschafft zu haben, 5 als schon am folgenden Tag Gesandte der Aurunker vor dem Senat erschienen und den Römern den Krieg erklärten, wenn man nicht aus dem volskischen Gebiet abziehe. Mit den Gesandten zugleich war ein Heer Aurunker aus der Heimat aufgebrochen, und der Ruf davon setzte alles in Rom, weil man sie schon in der Nähe von Aricia gesehen hatte, in eine solche Verwirrung, dass man weder die Väter der Reihe nach stimmen lassen, noch, während man selbst zu den Waffen griff, Leuten, die mit den Waffen schon ankamen, eine friedliche Antwort erteilen konnte. 6 Zum Angriff bereit ging der Zug nach Aricia; nicht weit von da lieferte man den Aurunkern eine Schlacht, und mit diesem einen Treffen war der Krieg beendigt.

      (27) Das römische Heer, nach der Niederlage der Aurunker in wenigen Tagen Sieger über so viele Feinde, rechnete jetzt auf die Zusage seines Konsuls, auf das Wort des Senates, als Appius, teils aus angeborenem Hochmut, teils um seinen Mitkonsul um das öffentliche Vertrauen zu bringen, in den Schuldklagen mit möglichster Strenge zu Recht erkannte. Nach der Reihe wurden nicht nur die gewesenen Schuldsklaven den Gläubigern wieder überliefert, sondern auch neue in die Sklaverei gegeben. 2 Sowie dies einen Soldaten traf, berief sich dieser auf den Mitkonsul; alle sammelten sich um Servilius, pochten auf seine Verheißungen, und jeder hielt ihm seine Taten im Krieg und die erhaltenen Narben vor. Sie verlangten, er solle entweder im Senat die Sache vortragen oder seinen Bürgern als Konsul helfen, als Feldherr seinen Soldaten.

      3 Das ging dem Konsul zu Herzen, allein die Umstände geboten ihm Zurückhaltung; so geradezu hatten nicht nur sein Mitkonsul, sondern auch der ganze Anhang der Adligen sich auf die Gegenpartei geworfen. Indem er so die Mitte zu halten suchte, entging er ebenso wenig dem Hass der Bürger, als er sich das Wohlwollen der Väter erwarb. 4 Die Väter hielten ihn für einen unmännlichen, ehrgeizigen Konsul, die Bürger für falsch, und es zeigte sich bald, dass Appius nicht verhasster war als er. 5 Die Konsuln waren in Streit darüber geraten, wer von ihnen den Tempel des Mercurius einweihen sollte. Ablehnend wies der Senat die Sache an das Volk, bestimmte aber, wem von beiden auf Erkenntnis des Volkes diese Weihe übertragen würde, der solle über den Preis der Lebensmittel die Aufsicht haben, die Kaufleute zu einem Handelsgerichte vereinen und an Oberpriesters Statt die Feierlichkeit verrichten. 6 Das Volk übertrug die Einweihung des Tempels dem Marcus Laetorius, dem Hauptmann, der den ersten Rang hatte, nicht nur, wie leicht zu ersehen war, um dem Mann eine Ehre anzutun, dem man ein Geschäft weit über seinen Rang


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