Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.Die Aequer waren den Latinern ins Land gefallen. Latinische Gesandte hielten beim Senat an, entweder ihnen Hilfe zu schicken oder zu erlauben, dass sie selbst zur Verteidigung ihrer Grenzen die Waffen ergriffen. 9 Man hielt es für sicherer, die Latiner zu verteidigen, als ihnen die Waffen wieder in die Hände zu geben. Der Konsul Vetusius wurde hingeschickt, und die Plünderungen hörten auf. Die Aequer zogen sich aus dem Feld, und unter größerem Vertrauen auf ihre Stellung als auf ihre Tapferkeit deckten sie sich durch die Gebirgshöhen.
10 Der andere Konsul zog gegen die Volsker, und um nicht selber die Zeit unnütz hinzubringen, nötigte er den Feind hauptsächlich durch Verheerung seines Gebietes, sein Lager näher heranzurücken und auf eine Schlacht sich einzulassen. 11 In der Ebene zwischen beiden Lagern standen die Heere, jedes vor seinen Verschanzungen zum Angriff bereit.
12 An Anzahl hatten die Volsker eine bedeutende Überlegenheit. Daherströmend und mit Verachtung unternahmen sie den Angriff. Der Konsul ließ weder seine Linie sich in Schritt setzen noch das Geschrei zur Schlacht beantworten. Er hieß sie bei ihren in die Erde gepflanzten Wurfspießen standhalten, dann aber, wenn der Feind vor die Klinge gekommen sei, mit ganzer Kraft sich erhebend das Schwert gebrauchen. 13 Die Volsker, vom Lauf und Geschrei ermüdet, waren auf die, so schien es, vor Furcht starrenden Römer herangestürzt; kaum aber fühlten sie sich von dem gegnerischen Widerstand zurückgedrängt und sahen die Schwerter vor ihren Augen blitzen, da wandten sie sich mit einer Bestürzung, als wären sie in einen Hinterhalt geraten, zur Flucht um, und auch zum Fliehen fehlte es ihnen an Kraft, weil sie zum Angriff gelaufen waren. 14 Die Römer hingegen erreichten, weil sie im Anfang der Schlacht ruhig gestanden hatten, bei voller Kraft die Ermüdeten leicht, stürmten ihnen in ihr Lager nach, verfolgten den aus seinem Lager gejagten Feind nach Velitrae, und in einem Zug drangen Sieger und Besiegte zugleich in die Stadt. 15 Hier floss bei dem Gemetzel der Menschen aller Art mehr Blut als selbst in der Schlacht. Man verschonte nur die wenigen, die wehrlos sich ergaben.
(31) Mit diesen Taten im Volskerland war der Sieg des Diktators über die Sabiner gleichzeitig, die ihm bei Weitem mehr Arbeit gemacht hatten. Er schlug sie in die Flucht und nahm ihr Lager. 2 Durch seine einhauende Reiterei hatte er das feindliche Mitteltreffen in Unordnung gebracht, wo sie bei zu weiter Ausdehnung auf die Flügel durch Mangel an innerem Zusammenhang der Glieder sich eine Blöße gegeben hatten. In dieser Verwirrung wurden sie vom Fußvolk angegriffen, in fortschreitendem Angriff ihr Lager erobert, und der Feldzug hatte ein Ende.
3 Nächst der Schlacht am See Regillus war in jenen Jahren keine so ruhmvoll. Der Diktator zog im Triumph in die Stadt. Außer den übrigen Ehrenbezeigungen wurde ihm und seinen Nachkommen ein eigener Schausitz auf der Rennbahn eingeräumt und auf diesem Platz ein Thronsessel aufgestellt.
4 Den besiegten Volskern wurde das Gebiet von Velitrae genommen und durch Siedler, die man von Rom aus hinschickte, Velitrae zur Kolonie gemacht.
Weit später kam es mit den Aequern zur Schlacht, auf die der Konsul sich ungern einließ, weil man den Feind in seinem Vorteil nur von unten aus angreifen konnte. 5 Allein die Soldaten, die den Konsul absichtlicher Verzögerung beschuldigten, damit der Diktator, ehe sie in die Stadt zurückkämen, sein Amt niederlegen könnte und sein Wort ebenso wenig gehalten würde, als das des vorigen Konsuls, brachten ihn dadurch so weit, dass er sie auf gut Glück gerade am Gebirge hinaufrücken ließ. 6 Infolge der Feigheit der Feinde lief das schlimme Wagestück noch glücklich ab. Denn ehe man sich noch mit Wurfspießen erreichen konnte, gaben sie, über die Kühnheit der Römer erstaunt, ein Lager preis, das ihnen die festeste Stellung gewährte, und stürzten sich in die dahinterliegenden Täler. Für einen so unblutigen Sieg fanden hier die Römer Beute in Menge.
7 Nach diesem auf drei Seiten glücklich geführten Krieg waren dennoch die Väter sowie die Bürger über die inneren Angelegenheiten nicht außer Sorge, so groß waren der Einfluss und die Gewandtheit, womit die Wucherer ihre Vorkehrungen getroffen hatten, nicht nur die Erwartungen der Bürger, sondern selbst die des Diktators zu täuschen. 8 Valerius nämlich machte nach der Rückkehr des Konsuls Vetusius das Beste des siegreichen Volkes zum Inhalt seines ersten Vortrages im Senat und fragte an, was man über die Schuldsklaven bestimmen wolle. Als dieser Antrag verworfen wurde, sprach er: 9 Ich werde mit meinen Bemühungen zum Besten der Einigkeit missliebig. Bei Gott, ihr werdet nächster Tage wünschen, dass die Verteidiger des Volkes mir gleichen mögen. Was mich betrifft, so werde ich weder meinen Mitbürgern länger vergebliche Hoffnungen machen noch selbst vergebens Diktator sein. 10 Innere Zwietracht und Krieg von außen machten mein Amt dem Staat wünschenswert. Auswärts ist der Friede hergestellt, den inneren wollen wir nicht. So will ich beim Aufruhr lieber ohne ein Amt als Diktator sein. Mit diesen Worten verließ er das Rathaus und legte seine Diktatur nieder. 11 Es war den Bürgern einleuchtend, dass er aus Verdruss über ihre Lage abgedankt habe. Nicht anders, als hätte er sein Versprechen erfüllt – denn dass es nicht gehalten sei, habe ja nicht an ihm gelegen –, gaben sie ihm, als er nach Hause ging, unter Beweisen des Wohlwollens und Dankes das Geleit.
(32) Nun gerieten die Väter in Furcht, es möchten, wenn das Heer entlassen würde, von Neuem geheime Zusammenkünfte und Verschwörungen entstehen. Hatte gleich der Diktator die Werbung gehalten, so hielten sie doch den Soldaten, weil er den Konsuln geschworen habe, durch seinen Eid für gebunden, und gaben unter dem Vorwand, die Aequer hätten den Krieg erneuert, den Legionen Befehl zum Ausrücken. Dies brachte den Aufruhr zur Reife. 2 Anfangs sollen sich die Bürger über die Ermordung der Konsuln besprochen haben, um sich ihres Eides zu entledigen; 3 als sie aber belehrt wurden, dass keine Verbindlichkeit durch eine Freveltat getilgt werde, seien sie auf den Rat eines gewissen Sicinius ohne Befehl der Konsuln auf den Heiligen Berg hinausgezogen, jenseits des Flusses Anio, 3000 Schritte von der Stadt. Diese Erzählung wird häufiger überliefert als die von Piso angegebene, dass sie sich auf den Aventin gezogen hätten. 4 Hier schlugen sie ohne jeden Anführer ein festes Lager mit Wall und Graben auf und hielten sich, ohne etwas anderes als die nötigen Lebensmittel mit sich zu nehmen, mehrere Tage ruhig, wurden von keinem angegriffen und vergriffen sich an niemandem.
5 In der Stadt herrschte ungeheure Angst, und alles schwebte in gegenseitiger Furcht. Die von den Ihrigen zurückgelassenen Bürger fürchteten Gewalt von den Vätern; die Väter fürchteten sich vor den zurückgebliebenen Bürgern und wussten nicht, ob sie ihr Bleiben oder ihr Weggehen wünschen sollten. 6 Wie lange werde aber der ausgezogene Haufe sich noch ruhig verhalten? Was soll denn daraus werden, wenn irgendein auswärtiger Krieg ausbräche? 7 Die einzige ihnen bleibende Hoffnung gründe sich durchaus auf Einigkeit unter den Mitbürgern. Diese müsse man dem Staate wiedergewinnen, es koste, was es wolle. 8 Man beschloss also, den Menenius Agrippa, einen beredten und bei dem Bürgerstand, aus dem er selbst stammte, beliebten Mann, als Unterhändler an das Volk zu schicken. Er wurde ins Lager gelassen und soll im Ton jener altertümlichen und ungeschmückten Redeweise weiter nichts als Folgendes erzählt haben. 9 In der Zeit, wo im Menschen noch nicht alles so einstimmig wie jetzt gewesen sei, sondern jedes Glied seinen eigenen Willen, seine eigene Sprache hatte, habe es die übrigen Glieder verdrossen, dass ihre Sorge, Arbeit und Dienstleistung alles nur für den Magen herbeischaffe, der Magen aber, ruhig in der Mitte, nichts weiter tue, als dass er in den ihm zugeführten Genüssen sich sättige. 10 Sie hätten sich also verschworen, die Hände sollten keine Speise zum Munde führen, der Mund die angebotene nicht annehmen, die Zähne sie nicht klein kauen. Über diese Spannung, in der sie den Magen durch Hunger zwingen wollten, wären zugleich die Glieder selbst und der ganze Körper auf den höchsten Grad der Auszehrung gebracht. 11 Da sei es ihnen einleuchtend geworden, dass auch das Geschäft des Magens nicht in Untätigkeit bestehe, und dass er ebenso, wie er genährt werde, auch selbst wieder nähre, indem er das durch Verdauung der Speise gezeitigte Blut, wodurch wir leben und gedeihen, auf alle Adern verteilt, in alle Glieder des Körpers ausgehen lasse.
12 Durch Darlegung der Ähnlichkeit dieses inneren Aufruhrs im Körper mit der Erbitterung der Bürger gegen die Väter soll er seine Zuhörer umgestimmt haben.
(33) Es kam nach der Aussöhnung zu Unterhandlungen, und in den Vergleichspunkten wurde den bürgerlichen eingeräumt, dass sie ihre eigene Obrigkeit haben, dass diese unverletzlich und zur Hilfeleistung gegen die Konsuln verpflichtet sein und keinem von den Vätern erlaubt werden sollte, dies Amt zu bekleiden. 2 Demzufolge wurden zwei Volkstribunen erwählt, Caius Licinius und Lucius Albinus. Diese