Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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geschmückt, sollen in feierlich flehendem Aufzug in das feindliche Lager gegangen sein und ihn ebenso wenig wie die Gesandten gerührt haben.

      (40) Da kam eine zahlreiche Schar von vornehmen Frauen zu Coriolans Mutter Veturia und seiner Gattin Volumnia. Ob dies öffentliche Aufforderung oder weibliche Furcht war, konnte ich nicht ermitteln. 2 Genug, sie bewirkten, dass mit ihnen Veturia, so hochbetagt sie war, und Volumnia mit zwei kleinen Söhnen von Marcius auf den Armen, ins Lager der Feinde gingen, um die Stadt, die Männer mit den Waffen nicht verteidigen konnten, durch Frauenbitten und -tränen zu retten. 3 Als sie zum Lager kamen und man Coriolanus meldete, es sei ein langer Zug von Frauen angelangt, da zeigte der Mann, auf den die Würde der Staatsgesandten, auf den die hohe, Blick und Empfindung ergreifende Feierlichkeit des Priesteraufzuges keinen Eindruck gemacht hatte, anfangs gegen die Frauentränen noch größere Festigkeit. 4 Dann aber sagte einer seiner Diener, der die durch ihre Traurigkeit ins Auge fallende Veturia, wie sie zwischen Schwiegertochter und Enkeln dastand, erkannte: Trügen mich nicht meine Augen, so sind dort deine Mutter, Gattin und Kinder. 5 Verstört und wie von Sinnen sprang Coriolanus von seinem Stuhl mit ausgebreiteten Armen seiner Mutter entgegen; allein statt zu bitten, überließ sie sich dem Zorn. Ehe ich deine Umarmung annehme, sprach sie, muss ich wissen, ob ich zu einem Feind oder zu meinem Sohn gekommen, ob ich in deinem Lager deine Gefangene oder deine Mutter bin. 6 Musste mein langes Leben, mein unglückliches Alter mich dazu aufsparen, dass ich in dir einen Verbannten und nun meinen Feind sehen muss? Dies Land konntest du verheeren, das dich gezeugt, dich großgezogen hat? 7 Kamst du mit noch so erbittertem, mit noch so drohendem Grimm hier an, musste dein Zorn nicht sinken, als du über die Grenze tratst? Regte sich nicht, als du Roms ansichtig wurdest, der Gedanke in dir: In jenen Mauern habe ich Haus und Hausgötter, Mutter, Gattin und Kinder? 8 Also, wenn ich dich nicht geboren hätte, so würde jetzt Rom nicht belagert; hätte ich keinen Sohn, so hätte ich im freien Vaterland als eine Freie sterben können. Doch mich kann schon nichts mehr treffen, was nicht dir mehr Schande brächte als mir Elend, und gesetzt, ich wäre noch so elend, so werde ich’s nicht lange sein. 9 Denke aber doch an diese da, deren Schicksal, wenn du näher rückst, ein früher Tod oder dauernde Knechtschaft sein wird!

      Nun umarmte er Gattin und Kinder, und das in der ganzen weiblichen Schar sich erhebende Weinen und ihre Wehklage über sich und ihr Vaterland brachen endlich den Sinn des Mannes. 10 Nach der Umarmung entließ er die Seinigen und zog sich mit seinem Lager von der Stadt zurück. Als er endlich die Legionen ganz aus dem römischen Gebiet abführte, soll die Folge des daraus erwachsenen Hasses sein Tod gewesen sein, über dessen Art die Schriftsteller nicht einig sind. Bei Fabius, bei Weitem dem ältesten Gewährsmann, finde ich, dass er noch in hohem Alter gelebt habe. 11 Wenigstens führte dieser an, er sei oft im hohen Alter in die Worte ausgebrochen, für einen Greis sei doch die Verbannung noch weit jammervoller!

      Die Männer Roms ließen dem weiblichen Verdienst Gerechtigkeit widerfahren; so wenig war es damals Sitte, fremden Ruhm zu beeinträchtigen. 12 Ja man setzte durch einen neugebauten, dem Glück der Frauen geweihten Tempel der Begebenheit ein Denkmal.

      Bald brachen die Volsker im Verein mit den Aequern wieder ins römische Gebiet ein; allein schon wollten die Aequer den Attius Tullus nicht mehr als ihren Feldherrn anerkennen. 13 Auf den Streit, ob Volsker oder Aequer dem verbündeten Heer ein Oberhaupt geben sollten, folgte eine Trennung und dann eine mörderische Schlacht. Und hier vernichtete das Glück des römischen Volkes zwei feindliche Heere in einem ebenso verderblichen wie hartnäckigen Kampf.

      14 Die Konsuln Titus Sicinius und Caius Aquilius folgten nun. Dem Sicinius bestimmte das Los den Krieg gegen die Volsker, dem Aquilius die Herniker, denn auch diese standen in Waffen. Die Herniker wurden in diesem Jahr besiegt, der Kampf gegen die Volsker blieb ohne Entscheidung.

      (41) Darauf wurden Spurius Cassius (zum dritten Mal) und Proculus Verginius Konsuln. Mit den Hernikern schloss man Frieden: Sie mussten zwei Drittel ihres Landes abtreten. Die Hälfte davon wollte der Konsul Cassius unter die Latiner, die andere unter die Bürger verteilen. 2 Zu diesem Geschenk zog er noch ein ansehnliches Stück Land, welches, laut seiner Beschuldigung, als Staatsacker im Besitz einiger Privatpersonen sei. Dadurch sahen sich viele von den Vätern – sie waren eben die Besitzer – mit dem Verlust des Ihrigen bedroht. Allein auch in Rücksicht auf den Staat waren die Väter nicht ohne Sorge, dass der Konsul sich durch diese Spende einen Anhang mache, von dem die Freiheit zu fürchten habe.

      3 Dies war das erste Mal, dass der Vorschlag, die Ländereien zu verteilen, öffentlich vorgebracht wurde, und nie ist er seitdem bis auf unsere Zeiten ohne die heftigsten Bewegungen betrieben worden. 4 Der andere Konsul widersetzte sich dieser Schenkung unter dem Beistand der Väter und hatte selbst nicht alle Bürger gegen sich, die gleich anfangs ein Geschenk verschmähten, das, statt auf die Bürger beschränkt zu bleiben, sich auch auf Bundesgenossen erstrecke und dadurch gemein gemacht werde; 5 und nachher hörten sie oft den Konsul Verginius, wenn er in seinen Reden gleichsam prophetisch vorhersagte, sein Amtsgenosse mache ihnen dies Geschenk zu ihrem Verderben, von diesen Ländereien würden die, die sie annähmen, die Knechtschaft ernten, es werde der Weg zum Königtum gebahnt, warum würden sonst die Bundesgenossen und alle Latiner mit dazugezogen? 6 Wozu sei es nötig gewesen, den Hernikern, die eben noch Feinde waren, den dritten Teil des ihnen genommenen Landes wiederzugeben, wenn nicht Cassius die Absicht habe, sich statt eines Coriolanus an die Spitze dieser Völker zu stellen?

      7 Schon fand er selbst als Tadler und Gegner des Ackergesetzes beim Volk Beifall, und nun wetteiferten beide Konsuln, den Bürgern willfährig zu sein, Verginius sagte, er habe nichts dagegen, dass sie sich die Ländereien anweisen ließen, wenn sie nur römischen Bürgern angewiesen würden. 8 Cassius, der seine Ackerspende zu sehr auf den Dank der Bundesgenossen berechnet und dadurch bei seinen Mitbürgern verloren hatte, verlangte jetzt, um ihre Zuneigung durch ein anderes Geschenk wiederzugewinnen, dass man die für das sizilische Getreide eingenommenen Gelder dem Volk zurückzahlen solle. 9 Dies aber verabscheuten die Bürger geradeso wie ein für den Thron ihnen bar aufgezähltes Kaufgeld; und in Beziehung auf Alleinherrschaft waren sie für jeden Verdacht so empfänglich, dass sie seine Geschenke nicht anders, als hätten sie Überfluss an allem, mit inniger Verachtung von sich wiesen.

      10 Es ist gewiss, dass er gleich nach Niederlegung seines Amtes verurteilt und hingerichtet wurde. Einige behaupten, sein Vater habe die Todesstrafe an ihm vollzogen, habe ihn nach einer zu Hause angestellten Untersuchung peitschen und töten lassen und des Sohnes eigenes Vermögen der Ceres geweiht. Hiervon habe er ein Bild der Göttin anfertigen lassen mit der Inschrift: Ein Geschenk der Cassischen Familie. 11 Bei einigen finde ich – und dies ist wahrscheinlicher –, dass er von den peinlichen Richtern Kaeso Fabius und Lucius Valerius auf Hochverrat angeklagt und nach dem Ausspruch des ganzen Volkes verurteilt, auch sein Haus nach einem Senatsbeschluss niedergerissen worden sei. 12 Die Stelle hat jetzt der freie Platz vor dem Tempel der Tellus. Mag diese Verurteilung von der Familie oder vom Senat ausgegangen sein, genug, er wurde verurteilt, als Servius Cornelius und Quintus Fabius Konsuln waren.

      (42) Der Zorn der Bürger gegen Cassius war nicht von langer Dauer. Das Ackergesetz, hatte man ihnen gleich den Verfechter desselben genommen, stellte sich ihnen von selbst mit seinen Reizen dar, und die Unfreigebigkeit der Väter erhöhte diese Wünsche dadurch, dass sie nach der diesjährigen Besiegung der Volsker und Aequer den Soldaten um die Beute brachten. 2 Alles, was man dem Feind abnahm, verkaufte der Konsul Fabius und lieferte den Erlös in die Schatzkammer. So verhasst indes den Bürgern wegen des letzten Konsuls der Name Fabius war, so setzten es dennoch die Väter durch, dass mit Lucius Aemilius Kaeso Fabius zum Konsul gewählt wurde. 3 Der Bürgerstand, hierüber noch mehr erbittert, veranlasste durch die Unruhen im Innern einen Krieg von außen; durch den Krieg wurde der Bürgerzwist unterbrochen. Väter und Volk vereinigten sich gegen die den Krieg wieder beginnenden Volsker und Aequer und erfochten unter Aemilius’ Anführung einen Sieg. 4 Doch kostete die Flucht mehr Feinden das Leben als die Schlacht; so hartnäckig verfolgte die Reiterei die Geschlagenen.

      5 Am 15. Juli desselben Jahres wurde dem Castor der Tempel geweiht, den ihm in der Schlacht mit den Latinern der Diktator Postumius gelobt hatte. Ihn weihte sein Sohn als ein dazu ernannter Duumvir.

      6 Auch in diesem Jahr brachte das lockende Ackergesetz die Bürger in Bewegung. Die Volkstribunen nämlich fanden in


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