Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.Ehre, zur rechten Zeit abgewiesen, oft mit gehäuftem Maß wieder einkommt. Darauf begleitete er die beiden aufeinanderfolgenden Leichenzüge seines Amtsgenossen und seines Bruders; er war es, der beiden die Leichenrede hielt, wobei er dadurch, dass er seine Verdienste auf sie übertrug, den größten Teil des Lobes selbst erntete. 12 Und des Grundsatzes eingedenk, den er beim Antritt seines Konsulates angenommen hatte, die Herzen der Bürgerlichen wiederzugewinnen, verteilte er die verwundeten Soldaten zur Heilung unter die Väter. Den Fabiern gab er die meisten, und nirgends genossen sie eine bessere Pflege. Seitdem waren die Fabier sogar Lieblinge des Volkes, und zwar nur durch ein dem Staat heilsames Benehmen.
(48) Da also ebenso sehr auf Betrieb der Bürger als der Väter Kaeso Fabius zum Konsul gewählt war – er wurde es mit Titus Verginius –, so waren ihm weder Kriege noch Werbung oder irgendeine andere Sorge so wichtig als die, vollends bei der zum Teil schon begründeten Hoffnung auf Einigkeit die Herzen der Bürger, sobald er könnte, den Vätern wieder zuzuwenden. 2 Gleich mit Jahresanfang trug er bei den Vätern darauf an, ehe noch irgendein Tribun mit dem Vorschlag einer Ackerverteilung aufträte, möchten sie zuvorkommende Geber werden und die eroberten Ländereien unter die Bürgerlichen möglichst gleich verteilen. Es sei doch billig, dass diejenigen sie besäßen, durch deren Blut und Schweiß sie erworben wären.
3 Dies verwarfen die Väter, ja einige klagten sogar, dass jener ehemalige Feuergeist des Kaeso durch zu großen Ruhm in Üppigkeit und Entkräftung ausarte. Auch gab es in diesem Jahr in der Stadt keinen Parteizwist weiter; 4 allein die Latiner litten durch die Einfälle der Aequer. Kaeso, der mit dem Heer dorthin geschickt wurde, ging in das Land der Aequer selbst hinüber, um hier zu plündern. Die Aequer wichen in ihre Städte und hielten sich hinter den Mauern; so kam es zu keinem erwähnenswerten Kampf.
5 Von dem andern Feind, den Vejentern, erlitt man durch die Unbesonnenheit des andern Konsuls eine Niederlage, und wäre nicht Kaeso Fabius zu rechter Zeit zu Hilfe gekommen, so wäre es um das Heer geschehen gewesen.
Seitdem hatte man mit den Vejentern weder Frieden noch Krieg, und das Ganze gewann das Ansehen einer Straßenräuberei. 6 Vor den römischen Legionen wichen sie in die Stadt; merkten sie, dass diese abgezogen waren, so fielen sie ins römische Gebiet ein, indem sie abwechselnd den Krieg durch Ruhe und die Ruhe durch Krieg vereitelten. So konnten die Römer die Sache weder ganz liegen lassen noch beenden, und doch drohten andere Kriege teils schon jetzt auszubrechen, wie zum Beispiel von den Aequern und Volskern, die nie länger ruhten, als bis der frische Schmerz über die letzte Niederlage vorüber war, teils war es offenbar, dass nächstens die Sabiner, welche Rom immer feindselig waren, und das ganze Etrurien sich erheben würden. 7 Allein der Krieg mit den Vejentern, mehr anhaltend als ernsthaft, beunruhigte sie öfter durch Kränkungen als durch Gefahr, weil er nie außer Acht gelassen sein wollte, noch ihnen gestattete, sich gegen andere zu wenden.
8 Da trat das Fabische Geschlecht vor den Senat. Der Konsul vertrat seinen Stamm als Wortführer. Der Vejentische Krieg bedarf, wie ihr wisst, versammelte Väter, mehr einer bleibenden als einer großen Schutzwehr. Besorgt ihr die anderen Kriege, den Vejentern gebt die Fabier zu Gegnern. Wir sind euch Bürgen, dass dort die Ehre des römischen Namens ungefährdet sein soll. 9 Wir sind gewillt, diesen unsern, gleichsam unserer Familie gehörigen Krieg auf eigene Kosten zu führen. Das Gemeinwesen soll dort weder Kriegsvolk noch Geld aufwenden.
Mit dem lebhaftesten Dank wurde dies erwidert. 10 Den aus dem Rathaus tretenden Konsul begleitete der Zug der Fabier, die im Vorhof des Rathauses den Beschluss des Senates abzuwarten stehengeblieben waren, zu seiner Wohnung. Nach erhaltenem Befehl, am folgenden Tag sich bewaffnet vor der Tür des Konsuls einzufinden, gingen sie nach Hause.
(49) Das Gerücht durchlief die ganze Stadt. Lobsprüche erhoben die Fabier zum Himmel. Ein Geschlecht, hieß es, habe die Last des Staates auf sich genommen; der Vejentische Krieg sei zu einem Privatgeschäft, zu einem Privatkrieg geworden. 2 Wären in der Stadt noch zwei Familien von derselben Stärke, und die eine erbäte sich die Aequer, die andere die Volsker, so könnten die benachbarten Völker sämtlich unterjocht werden, während das römische Volk in tiefem Frieden feiere.
Am folgenden Tag griffen die Fabier zu den Waffen und versammelten sich auf dem bestimmten Platz. 3 Als der Konsul im Kriegskleid zu ihnen hinaustrat, erblickte er auf seinem Vorhof seinen ganzen Stamm gerüstet und aufgestellt. Sie nahmen ihn in die Mitte, und er gab den Befehl zum Aufbruch. Nie zog ein Heer durch die Stadt, kleiner an Zahl und durch den Ruf und die allgemeine Bewunderung gepriesener. 4 306 Krieger, alle von Adel, alle aus einem Stamm, deren jeden der musterhafteste Senat – man denke ihn sich, in welche Zeiten man will – gern als sein Oberhaupt angenommen hätte, schritten einher und drohten von der Kraft eines Geschlechtes dem vejentischen Volk Verderben. 5 Hinter ihnen her zog ein Schwarm, teils eigenes Gefolge von Verwandten und Freunden, die über jede mittelmäßige Hoffnung oder Sorge hinaus lauter Großtaten im Sinn hatten, teils aus dem Volk, durch die allgemeine Teilnahme herbeigezogen und vor Liebe und Bewunderung staunend. 6 Dass sie tapfer gehen mögen, riefen sie ihnen zu, und glücklich. Ihre Unternehmung mögen sie mit entsprechendem Erfolge krönen! Von ihnen hätten sie einst Konsulate, Triumphe, alle möglichen Belohnungen und Ehrenstellen zu erwarten. 7Als der Zug am Kapitol und der Burg und anderen Tempeln vorüberging, flehten die Leute zu den Göttern, wie sie ihren Augen oder Gedanken begegneten, sie möchten doch diese Schar mit Glück und Segen begleiten und sie bald wohlbehalten ins Vaterland zu den Ihrigen zurückführen.
Alle diese Gebete blieben unerhört. 8 Die Fabier zogen den Weg des Unglücks durch den rechten Schwibbogen des Carmentalischen Tores und kamen an den Fluss Cremera. Hier wählten sie einen geeigneten Platz, um eine Verschanzung anzulegen.
9 Darauf wurden Lucius Aemilius und Caius Servilius Konsuln. Solange es bloß bei Verheerungen blieb, waren die Fabier nicht allein stark genug, ihren Posten zu behaupten, sondern in der ganzen Gegend, wo das Tuskerland an das römische grenzt, gewährten sie durch ihre Streifzüge auf beiderlei Gebiete dem ihrigen völlige Sicherheit und machten das feindliche unsicher. 10 Dann wurden die Verheerungen auf kurze Zeit unterbrochen, in welcher teils die Vejenter mit einem in Etrurien aufgebotenen Heer den Posten an der Cremera bestürmten, teils die römischen Legionen, vom Konsul Lucius Aemilius herbeigeführt, mit den Etruskern in einem Treffen zusammengerieten. 11 Wiewohl man den Vejentern kaum die Zeit ließ, ihr Heer in Schlachtordnung zu stellen, so völlig nahm ihnen noch während der ersten Verwirrung, indem sie den Fahnen folgend sich in Glieder stellten und das Hintertreffen bildeten, der plötzliche Einbruch der römischen Reiterei in ihre Flanke nicht allein die Möglichkeit, das Treffen anzufangen, sondern auch sich aufzustellen. 12 Bis Saxa Rubra (die Roten Felsen), wo sie ihr Lager hatten, zurückgeschlagen, baten sie demütig um Frieden. Sie erhielten ihn, brachen ihn aber mit dem ihnen eigenen Wankelmut, ehe noch der römische Posten von der Cremera abgeführt war.
(50) Der Kampf der Fabier mit den Vejentern begann ohne weitere größere Zurüstung zum Krieg von Neuem, und es gab nicht bloß Streifzüge in das feindliche Gebiet oder unvorbereitete Angriffe von Seiten der Freibeuter, sondern es kam mehrmals in freiem Feld Linie gegen Linie zur Schlacht; 2 und dies einzige Geschlecht des römischen Volkes trug oft über den den damaligen Zeiten nach so mächtigen etruskischen Staat den Sieg davon.
3 Anfangs sahen die Vejenter hierin nur Kränkung und Schimpf. Dann aber leitete sie die Sache selbst auf den Gedanken, dem übermütigen Feind einen Hinterhalt zu legen; ja sie freuten sich, dass die Fabier durch ihr großes Glück immer kühner wurden. 4 Teils also wurden den Plündernden mehrmals Viehherden entgegengetrieben, als stießen ihnen diese zufällig auf, teils ließen die flüchtenden Landleute weit und breit die Dörfer leer, teils ergriffen die bewaffneten Bedeckungen, die der Verheerung zu steuern abgeschickt waren, öfter aus gestellter als aus wahrer Furcht die Flucht. 5 Und schon verachteten die Fabier ihren Feind so sehr, dass sie glaubten, er könne ihren unbesiegbaren Waffen an keinem Ort und unter keinerlei Umständen widerstehen.
Diese Hoffnung verleitete sie, auf eine weit von der Cremera erblickte Herde, von der sie durch eine große Ebene geschieden waren, sich zu stürzen, obgleich sich hier und dort einige bewaffnete Feinde zeigten. 6 Als sie ohne Vorsicht in vollem Lauf über den zu beiden Seiten ihres Weges gelegten Hinterhalt hinausgeeilt waren und nach allen Seiten auf den Raub des Viehes auseinandersprengten, das von Schrecken gescheucht gewöhnlich sich zerstreut,