Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.Bürger diene. Die Väter hingegen, welche glaubten, in der Volksmasse finde sich, auch ohne Hoffnung auf Lohn, Tollheit genug, dachten an die Spenden und Lockungen zur Verwegenheit nur mit Entsetzen. Und den Vätern gingen mit dem tätigsten Widerstand die Konsuln voran. 7 So siegte denn diese Staatspartei, und diesmal nicht bloß für den Augenblick, sondern sie verschaffte sich auch Konsuln auf das nächste Jahr, den Marcus Fabius, den Bruder des Kaeso, und den als Ankläger des Spurius Cassius den Bürgern noch verhassteren Lucius Valerius.
8 Der Streit mit den Tribunen fand auch in diesem Jahr statt. Allein das Ackergesetz blieb ohne Erfolg, und seine Erneuerer wurden mit ihren Anpreisungen eines Geschenkes, das nie zustande kam, lächerlich. Die Besetzung dreier Konsulate nacheinander erwarb dem Namen der Fabier hohe Achtung, und sie standen in dem Ruf, sich gleichsam in einer Reihe in den Kämpfen mit den Tribunen bewährt zu haben. Darum blieb das Konsulat, da es in guten Händen war, länger bei diesem Geschlecht.
9 Nun fing man mit den Vejentern Krieg an, und zugleich erneuerten ihn die Volsker. Doch zu den auswärtigen Kriegen hatte man Kräfte im Überfluss, und diese missbrauchte man zu inneren Streitigkeiten. 10 Den allgemeinen Missmut hierüber erhöhten noch himmlische Schreckenszeichen, welche fast täglich in der Stadt und auf dem Land ihre Drohungen verkündigten, und auf die von Seiten des Staates und von Einzelnen, bald durch Opfer, bald durch Vogelflug vor die Gottheit gebrachten Anfragen, was ihren Zorn erregt habe, gaben die Priester keine andere Auskunft, als dass die Opfer nicht auf gehörige Weise vollzogen würden. 11 Diese Besorgnisse hatten indes keine weitere Folge, als dass die Vestalin Oppia der Blutschande überführt und bestraft wurde. Darauf wurden Quintus Fabius und Caius Julius Konsuln.
(43). Der innere Zwist war in diesem Jahr ebenso hitzig, und der auswärtige Krieg noch wütender. Die Aequer griffen zu den Waffen, die Vejenter fielen verheerend ins römische Gebiet ein.
Noch war die Besorgnis über diese Kriege im Steigen, als Kaeso Fabius und Spurius Furius Konsuln wurden. 2 Die Aequer bestürmten die latinische Stadt Ortona. Die Vejenter, die schon zur Genüge geplündert hatten, machten Miene, Rom selbst anzugreifen. 3 Anstatt dass diese Schreckensnachrichten den Trotz der Bürger hätten brechen müssen, vermehrten sie ihn noch; und diese überließen sich wieder der alten Gewohnheit, die Aufforderung zum Kriegsdienst nicht zu beantworten, freilich nicht aus eigenem Antrieb, sondern der Volkstribun Spurius Licinius hatte geglaubt, jetzt sei die Zeit da, den Vätern in der höchsten Not das Ackergesetz aufzudrängen, und es sich zur Aufgabe gemacht, die Werbung zu verhindern. 4 Allein diesmal trug er von der Ausübung seiner tribunizischen Gewalt den Hass ganz allein davon, und die Konsuln konnten nicht feindseliger gegen ihn auftreten, als seine eigenen Amtsgenossen es taten, mit deren Hilfe die Konsuln die Aushebung vollzogen. 5 Es wurden für beide Kriege zugleich Heere gebildet. Über das gegen die Aequer bekam Fabius, und über das gegen die Vejenter Furius die Anführung. Im Vejenterland fiel nichts Bemerkenswertes vor.
6 Dem Fabius hingegen machten seine Bürger weit mehr als der Feind zu schaffen. Er allein, der Konsul selbst, hielt das Gemeinwesen aufrecht, an dem das Heer, soviel an ihm lag, aus Hass gegen den Konsul zum Verräter wurde. 7 Denn da der Konsul unter anderen Beweisen seiner Geschicklichkeit als Feldherr, deren er in Vorbereitung und Führung dieses Krieges so viele gab, seine Linie so gestellt hatte, dass er bloß durch den Angriff mit der Reiterei das Heer der Feinde schlug, wollte das Fußvolk den Geschlagenen nicht nachsetzen. 8 Möchte der Zuruf des ihnen verhassten Feldherrn ohne Wirkung geblieben sein, allein es konnte so wenig jetzt die Scheu, sich an ihrer eigenen und an des Staates Ehre zu versündigen, als nachher, wenn der Feind wieder Mut gefasst hätte, die Gefahr sie bewegen, sich in Schritt zu setzen oder wenigstens in Schlachtordnung stehen zu bleiben. 9 Ohne Befehl kehrten sie mit den Fahnen um und gingen traurig – man hätte sie für die Besiegten halten sollen –, unter wechselnden Flüchen auf ihren Feldherrn, auf die von der Reiterei geleisteten Dienste, ins Lager zurück. 10 Und gegen ein so verderbliches Beispiel konnte der Feldherr auch nicht ein einziges Heilmittel finden; so verlässt die ausgezeichneten Geister eher die Kunst, den Bürger zu leiten, als den Feind zu schlagen.
11 Der Konsul kehrte nach Rom zurück und hatte seinen Kriegsruhm nicht so sehr erhöht, als er den Hass der Soldaten gegen sich gereizt und erbittert hatte. Dennoch setzten es die Väter durch, dass das Konsulat bei der Fabischen Familie blieb. Sie wählten den Marcus Fabius zum Konsul, des Fabius Amtsgenosse wurde Cnaeus Manlius.
(44) Auch in diesem Jahr brachte ein Tribun die Länderverteilung in Vorschlag. Es war Tiberius Pontificius. Gleich als hätte Spurius Licinius sein Ziel erreicht, schlug auch er denselben Weg ein und hinderte die Werbung, wenn auch nur auf kurze Zeit. 2 Denn als die Väter abermals in großer Sorge waren, sagte Appius Claudius, die tribunizische Gewalt sei im vorigen Jahr, der Sache nach nur diesmal, in Hinsicht auf das Beispiel aber auf immer besiegt, weil man das Mittel entdeckt habe, sie durch sich selbst zu vernichten. 3 Es werde nie an einem fehlen, dem nicht ein Sieg über seinen Amtsgenossen und der Beifall des besseren Teils, ohne dem allgemeinen Besten zu nahe zu treten, etwas Erwünschtes sei. Selbst mehrere Tribunen, wenn mehrere nötig sein sollten, würden zur Hilfe der Konsuln bereit sein, und man habe ja schon an einem gegen alle genug. 4 Die Konsuln und die Ersten der Väter möchten sich nur Mühe geben, wo nicht alle, so doch wenigstens einige von den Tribunen für die Sache des Staates und des Senates zu gewinnen.
5 Belehrt durch diese Maßregeln des Appius, ließen sich alle Väter mit den Tribunen leutselig und zuvorkommend ein; und die Konsularen gewannen ihnen, teils als die Geliebten, teils als die Verehrten, je nachdem jeder von ihnen auf diesen oder jenen Tribun insbesondere wirken konnte, das Versprechen ab, dass der Einfluss des tribunizischen Amtes dem Staat nicht nachteilig sein solle, 6 und unter dem Beistand von vier Tribunen gegen den einzigen Feind des allgemeinen Besten vollzogen die Konsuln die Aushebung.
7 Sogleich rückten sie zum Krieg gegen die Vejenter aus, bei denen sich von allen Seiten Etruriens Hilfstruppen gesammelt hatten, nicht etwa, weil die Freundschaft für die Vejenter sie zusammenbrachte, sondern weil man die Hoffnung gehegt hatte, die innere Zwietracht könne die Auflösung des römischen Staates zur Folge haben. 8 Und auf allen Versammlungen der Völkerschaften Etruriens ließen sich ihre Häupter laut vernehmen: Die Macht der Römer würde ewig sein, wenn sie nicht durch Aufruhr getrennt gegeneinander wüteten. Hierin liege für blühende Staaten das einzige Gift, der wahre Verfall, wodurch das Schicksal auch das Ende großer Reiche herbeiführe. 9 Lange hätten dies Übel teils die Väter durch ihre Klugheit, teils die Bürger durch ihre Duldsamkeit hingehalten; jetzt sei es zum Äußersten gekommen. Aus einem Staat seien zwei geworden, jede Partei habe ihre Beamten, ihre Gesetze. 10 Zuerst wären sie nur bei den Werbungen die Unbändigen gewesen; doch hätten sie im Kriege ihren Feldherren gehorcht. Habe es in der Stadt noch so schlimm ausgesehen, so habe man das Ganze, solange die Kriegszucht geblieben sei, aufrechterhalten können. Jetzt aber begleite die Gewohnheit, den Behörden nicht zu gehorchen, den römischen Soldaten sogar ins Lager. 11 Im letzten Krieg habe das ganze Heer einstimmig, selbst in der Linie und mitten in der Schlacht den schon geschlagenen Gegnern mit dem Sieg ein freiwilliges Geschenk gemacht, habe die Fahnen preisgegeben, den Feldherrn in der Schlacht gelassen und sei ohne Befehl ins Lager zurückgegangen. 12 Rom könne wahrlich, wenn man mit Nachdruck verfahre, durch sein eigenes Heer besiegt werden. Man habe weiter nichts nötig, als den Krieg zu erklären und zu zeigen, das Übrige würden das Schicksal und die Götter seinen Gang gehen lassen. Diese Hoffnung hatte die Etrusker, die so oft bei wechselndem Geschicke Besiegte und Sieger gewesen waren, wieder unter die Waffen gebracht.
(45) Auch den römischen Konsuln bangte vor nichts so sehr als vor ihrer eigenen Macht, vor ihren eigenen Kriegern. Das Andenken an das schlimme Beispiel vom vorigen Krieg schreckte sie, die Sache nicht dahin kommen zu lassen, wo sie sich vor zwei Heeren zugleich zu fürchten hätten. 2 Daher hielten sie sich im Lager, ohne sich der Gefahr von beiden Seiten auszusetzen, vielleicht werde selbst der Aufschub und die Zeit die Zürnenden besänftigen und den Gemütern die Genesung bringen.
3 Desto eilfertiger handelten die Feinde, Vejenter und Etrusker. Sie suchten die Römer zur Schlacht zu reizen, anfangs dadurch, dass sie vor dem Lager auf und ab ritten und sie herausforderten, und als dies fruchtlos blieb, durch Schimpfen, teils auf die Konsuln selbst, teils auf das ganze Heer. 4 Unter dem Schein eines inneren Zwistes hätten sie für ihre Feigheit einen Deckmantel gefunden; und die Konsuln hätten ebenso viel Ursache,