Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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einigen Jahrbüchern finde ich statt des Verginius einen Julius Vopiscus als Konsul erwähnt. In diesem Jahr – wer auch immer Konsul war – gingen die vor dem Volk angeklagten Furius und Manlius in kläglichem Aufzug eben sowohl bei den jüngeren Vätern als auch bei den Bürgerlichen umher. 4 Jenen rieten sie warnend, sie möchten sich der Ehrenämter und der Verwaltung des Staates enthalten, möchten die konsularischen Rutenbündel, die verbrämte Toga und den Thronsessel für nichts anderes als Prunkstücke ihres Leichenzuges ansehen. Mit diesen glänzenden Ehrenzeichen wie mit Opferbinden geschmückt, wurden sie zum Tod ausersehen. 5 Wenn etwa das Konsulat so große Reize für sie habe, so möchten sie noch jetzt sich davon überzeugen, dass ebendies Konsulat von der tribunizischen Gewalt bezwungen und niedergedrückt sei. Ein Konsul müsse gleich dem tribunizischen Gerichtsdiener in allen Stücken nach dem Wink und Befehl des Tribunen handeln. 6 Wenn er sich rühre, wenn er Rücksicht auf die Väter nehme, wenn er glaube, im Staat gebe es auch noch andere als bloß Bürgerliche, so möge er sich die Verbannung eines Cnaeus Marcius (Coriolanus), die Verurteilung und den Tod eines Menenius vor Augen stellen.

      7 Entflammt durch solche Äußerungen, hielten die Väter ihre Beratungen nicht öffentlich, sondern in Privathäusern, und so, dass nur wenigen Mitwissern der Zutritt gestattet war.

      Und da man hier völlig darin einig war, dass man die Beklagten retten müsse, sei es auf dem Wege des Rechts oder mit Gewalt, so fand auch jedes vorgeschlagene Mittel, je härter es war, desto größeren Beifall; und selbst der noch so verwegenen Tat fehlte es nicht am Täter.

      8 Als nun am Gerichtstag die Bürger in gespannter Erwartung auf dem Platz standen, nahm es sie anfangs wunder, dass der Tribun nicht erschien. Als sein Ausbleiben schon einigermaßen verdächtig wurde, glaubten sie, er habe sich von den Großen schrecken lassen, und brachen in Klagen aus, dass er die Sache aller im Stich lasse und preisgebe. 9 Endlich brachten Leute, welche näher an die Haustür des Tribunen gegangen waren, die Nachricht, man habe ihn in seinem Haus tot aufgefunden. Als sich dieses Gerücht durch die ganze Versammlung verbreitete, liefen alle, wie ein Heer sich zerstreut, dessen Feldherr gefallen ist, nach allen Seiten auseinander. Der größte Schrecken aber befiel die Tribunen, die der Tod ihres Amtsgenossen belehrte, wie wenig Schutz ihnen die beschworenen Gesetze33 gewährten. 10 Die Väter hingegen mäßigten sich nicht gehörig in der Kundgebung ihrer Freude und suchten alle sich der Tat so wenig zu entziehen, dass sogar die Schuldlosen dafür angesehen sein wollten, sie ausgeführt zu haben, und laut gesagt wurde, die tribunizische Gewalt wolle nun einmal durch schlimme Mittel gebändigt sein.

      (55) Unmittelbar nach diesem Sieg, der ein so verderbliches Beispiel gab, kam der Befehl, eine Werbung zu halten, und weil die Tribunen noch vor Schrecken bebten, unterzogen sich ihr die Konsuln ohne allen Einspruch. 2 Nun vollends wurden die Bürgerlichen unwillig, mehr über die schweigenden Tribunen als über die ihre Macht ausübenden Konsuln. Sie sagten, es sei um ihre Freiheit geschehen; es sei wieder so wie früher; mit Genucius sei zugleich die tribunizische Gewalt gestorben und begraben. Man müsse andere Maßregeln ergreifen und daran denken, wie man den Vätern widerstehen könne. 3 Hier sei kein anderer Rat, als dass der Bürgerstand, weil er nirgends andere Hilfe sehe, sich selbst verteidige. Nur 24 Gerichtsdiener ständen den Konsuln zu Gebote, und noch dazu lauter Bürgerliche, ein sehr verächtlicher, ein sehr schwacher Schutz, sobald er seine Verächter finde. Das Große, das Furchtbare hierin schaffe sich ein jeder selbst.

      4 Als sie durch Zuruf dieser Art einer dem andern Mut gemacht hatten, befahlen die Konsuln einem Gerichtsdiener, sich an Publius Volero zu machen, einen bürgerlichen, welcher behauptete, er brauche nicht Soldat zu werden, weil er Hauptmann gewesen sei. Volero rief den Beistand der Tribunen an. 5 Da ihm aber keiner von ihnen zu Hilfe kam, befahlen die Konsuln, dem Menschen die Kleider abzureißen und die Rutenbündel zu öffnen. So rufe ich, schrie Volero, das Volk an, weil die Tribunen lieber einen römischen Bürger vor ihren Augen mit Ruten geißeln lassen, als sich in ihrem Bett von euch ermorden lassen wollen.

      Je trotziger er schrie, desto eifriger zerrte und riss der Gerichtsdiener ihm am Gewand. 6 Da erwehrte sich Volero, teils selbst ein starker Mann, teils durch die zu Hilfe Gerufenen, des Dieners, warf sich dorthin in das dichteste Gedränge, wo er die, welche aus Unwillen sich laut für ihn erklärten, am heftigsten schreien hörte, und wiederholte schreiend: 7 Ich rufe das Volk an und flehe zum ganzen Bürgerstand um Schutz. Mitbürger, zu Hilfe! zu Hilfe, ihr Waffenbrüder! Auf die Tribunen dürft ihr nicht warten, die eure Hilfe selbst nötig haben.

      8 Die zusammengeströmte Menge machte sich gleichsam zum Kampf fertig; man sah, sie würden alles aufs Spiel setzen und keinem würden weder öffentliche noch persönliche Rechte heilig sein. 9 Als sich nun die Konsuln diesem so großen Sturm aussetzten, machten sie bald die Erfahrung, dass Hoheit ohne Stärke sich nicht gehörig schützen könne. Man misshandelte ihre Diener, zerbrach die Rutenbündel, sie selbst wurden vom Markt in das Rathaus getrieben, ungewiss, wie weit Volero seinen Sieg verfolgen werde. 10 Als endlich der Lärm vorüber war und sie den Senat hatten berufen lassen, beklagten sie sich über ihre erlittenen Kränkungen, über die Gewalttätigkeit der Bürgerlichen, über Voleros Frechheit. 11 Viele stimmten für heftige Maßregeln, allein die Älteren behielten die Oberhand, die ihr Missfallen darüber äußerten, wenn der Unbesonnenheit des Bürgerhaufens der Senat von seiner Seite mit Heftigkeit begegne.

      (56) Die Bürgerlichen machten den Volero, dem sie ihre ganze Liebe schenkten, am nächsten Wahltag zum Volkstribun auf das Jahr, welches den Lucius Pinarius und Publius Furius zu Konsuln hatte. 2 Und gegen die allgemeine Erwartung, da man nicht anders geglaubt hatte, als dass er alle Kräfte seines Tribunats aufbieten werde, die Konsuln des vorigen Jahres zu kränken, setzte er seinen Privatärger dem allgemeinen Besten nach, und ohne die Konsuln mit einem Wort zu beleidigen, schlug er bloß dem Volk vor, dass man sich zur Wahl der Obrigkeiten vom Bürgerstand nur nach den Bezirken versammeln solle. 3 Unter diesem dem ersten Anschein nach nichts weniger als furchtbaren Titel trug er auf eine Einrichtung an, die ganz und gar nicht geringfügig war, sondern den Patriziern alle Gelegenheit nahm, durch die Stimmen ihrer Schutzgenossen die zu Tribunen zu wählen, welche sie selbst wünschten.34

      4 Freilich widersetzten sich die Väter dieser den Bürgerlichen höchst willkommenen Verhandlung aus allen Kräften; allein weder die Konsuln noch die Ersten des Senates vermochten über irgendeinen von den sämtlichen Tribunen so viel, dass er Einspruch erhoben hätte, das einzige Mittel, ihren Widerstand wirksam zu machen; und dennoch verzog sich die Sache, deren Veranstaltung ohnehin ihre Schwierigkeiten hatte, über die Streitigkeiten ein ganzes Jahr.

      5 Die Bürgerlichen machten ihren Volero wieder zum Tribun. Die Väter, die einen äußerst heftigen Kampf erwarteten, machten den Appius Claudius, des Appius Sohn, zum Konsul, der schon seit den Streitigkeiten seines Vaters dem Bürgerstand verhasst und auf denselben erbittert war. Zum Amtsgenossen bekam er den Titus Quinctius.

      6 Gleich mit dem Anfang des Jahres ging die Verhandlung über jenen Vorschlag allen anderen vor. Hatte Volero das Verdienst, ihn zuerst vorgebracht zu haben, so verfocht ihn sein Amtsgenosse Laetorius mit neuem Mut und Eifer. 7 Sein Kraftgefühl stützte sich auf seinen großen Kriegsruhm, weil ihn niemand von seinen Jahren an Taten des Armes übertraf. Volero ließ sich auf weiter nichts ein als auf seinen Vorschlag und enthielt sich aller Ausfälle gegen die Konsuln. Er hingegen begann mit Angriffen auf Appius und dessen Geschlecht, als wären es lauter Tyrannen und Verfolger des römischen Bürgerstandes. Er behauptete, in Appius hätten die Väter keinen Konsul, 8 sondern einen Henker gewählt, die Bürgerlichen zu martern und zu zerfleischen, und da versagte die bei dem bloßen Krieger ungeübt gebliebene Sprache seinem freimütigen und kühnen Geist den Ausdruck. 9 Wie er also in seiner Rede stecken blieb, sprach er: Weil ich nicht so fertig in Worten bin, ihr Quiriten, als ich mein Wort zu halten pflege, so seid morgen hier. Ich will entweder hier vor euren Augen das Leben lassen oder den Vorschlag durchsetzen.

      10 Am folgenden Tag brachten sich die Tribunen früh genug in Besitz der Rednerbühne. Die Konsuln und der Adel, die den Vorschlag verhindern wollten, standen unten in der Versammlung. Da befahl Laetorius, jeden wegzupeitschen, der keine Stimme zu geben habe. 11 Die Jünglinge vom Adel standen, ohne dem Amtsboten zu weichen. Da wollte Laetorius einige greifen lassen. Dagegen behauptete der Konsul Appius, das Recht eines Tribunen erstrecke sich über


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