Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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Streitigkeiten der Stände über den Vorschlag der Landverteilungen, teils durch die Anklage des Appius Claudius, 2 welchen Marcus Duellius und Cnaeus Siccius vor Gericht forderten, weil er der heftigste Gegner des Vorschlages war und die Sache derer, welche die Staatsländereien im Besitz hatten, gleichsam als dritter Konsul verteidigte.

      3 Nie war ein den Bürgerlichen so verhasster Angeklagter vor das Gericht gezogen wie er, beladen mit dem Groll gegen ihn selbst wie mit dem gegen seinen Vater. 4 Auch gaben sich die Väter nicht leicht für irgendeinen so viele Mühe. Der Verfechter des Senates, der Retter ihrer Hoheit, der, allen tribunizischen und bürgerlichen Stürmen entgegengestellt, bloß das Maß im Streit überschritten habe, werde den erbitterten Bürgern preisgegeben.

      5 Nur einer von den Vätern, Appius Claudius selbst, achtete die Tribunen, den ganzen Bürgerstand und seine eigene Klagesache für nichts. Ihn konnten die Drohungen der Bürger, die Bitten des Senates durchaus nicht dazu bringen, nicht nur Trauerkleider anzulegen oder als Beklagter den Leuten die Hand zu drücken, sondern selbst, als er seine Sache vor dem Volk führen musste, nicht einmal dahin, seinen gewöhnlichen strafenden Vortrag im Geringsten zu mildern und herabzustimmen. 6 Er zeigte denselben Ausdruck im Gesicht, dieselbe Festigkeit sprach aus seinem Blick, derselbe Ton aus seiner Rede, so dass ein großer Teil der Bürger den angeklagten Appius ebenso sehr fürchtete, wie sie ihn als Konsul gefürchtet hatten. 7 Einmal verteidigte er sich in demselben anklagenden Ton, der allen seinen Reden eigen war, und setzte durch seine Standhaftigkeit die Tribunen und den ganzen Bürgerstand so in Staunen, dass sie ihm unaufgefordert den Gerichtstag weiter hinausrückten und dann sich die Sache verzögern ließen. 8 Unterdessen verlief einige Zeit. Doch ehe der verlängerte Termin herankam, starb er eines natürlichen Todes. 9 Versuchten es gleich die Volkstribunen, seine Leichenrede zu hintertreiben, so wollten doch die Bürger dem Begräbnistag eines so großen Mannes die hergebrachte Ehrenfeier nicht schmälern lassen. Sie liehen seiner Lobrede im Tod ihr Ohr so gern wie der Anklage bei seinem Leben und machten seinen Leichenzug durch ihr zahlreiches Gefolge feierlich.

      (62) Da in demselben Jahr der Konsul Valerius, der mit einem Heer gegen die Aequer gezogen war, die Feinde nicht zum Treffen bringen konnte, wagte er einen Sturm auf ihr Lager. Diesen unterbrach ein schreckliches Gewitter, das mit Hagel und Donnerschlägen vom Himmel herabstürzte. 2 Kaum war das Zeichen zum Rückzug gegeben, so erfolgte, was die Römer noch weit mehr wunder nahm, ein so mildes, heiteres Wetter, dass sie sich ein Gewissen daraus machten, ein Lager abermals anzugreifen, das gleichsam durch göttliche Einwirkung verteidigt wurde. Alle ihre Feindseligkeiten gingen nun auf Verheerung des Landes.

      3 Der andere Konsul Aemilius führte den Krieg im Sabinerland. Hier wurde ebenso, weil der Feind in seinen Mauern blieb, das Land verwüstet. 4 Durch das Niederbrennen ihrer Landhäuser, ja der volkreichsten Dorfschaften zum Aufbruch getrieben, gingen endlich die Sabiner den verheerenden Feinden entgegen und zogen sich nach einem unentschiedenen Treffen den Tag darauf mit ihrem Lager in eine sichere Gegend zurück. 5 Dies genügte dem Konsul, um den Feind als besiegt zu verlassen, obgleich er bei seinem Abzug den Krieg unbeendet ließ.

      (63) Während dieser Kriege, in denen die Uneinigkeit daheim fortdauerte, wurden Titus Numicius Priscus und Aulus Verginius Konsuln. 2 Länger schien der Bürgerstand den Aufschub der vorgeschlagenen Landverteilung nicht gestatten zu wollen, und man machte sich zum heftigsten Kampf bereit, als der Rauch der angezündeten Landgüter und die Flucht der Landleute von der Annäherung der Volsker Nachricht gab. Dies dämpfte den gereiften und beinahe schon ausbrechenden Aufruhr. 3 Die Konsuln, sogleich vom Senat zum Krieg beordert, machten dadurch, dass sie mit den Dienstfähigen aus der Stadt zogen, auch die übrigen Bürger ruhiger. 4 Die Feinde, die den Römern bloß einen leeren Schrecken eingejagt hatten, zogen eilig wieder ab. 5 Numicius ging nach Antium gegen die Volsker, Verginius gegen die Aequer. Hier hätte man durch Überfall aus einem Hinterhalt beinahe eine große Niederlage erlitten, allein die Tapferkeit der Soldaten stellte die durch Fahrlässigkeit des Konsuls verfahrene Sache wieder her. 6 Die Anführung im Volskerland war besser. Die Feinde wurden gleich im Anfang der Schlacht geschlagen und auf ihrer Flucht bis in die für die damaligen Zeiten sehr mächtige Stadt Antium getrieben. Diese wagte der Konsul nicht anzugreifen, nahm aber den Antiaten Ceno, eine andere bei Weitem nicht so bedeutende Stadt.

      7 Während die Aequer und Volsker die römischen Heere beschäftigten, drangen die Sabiner plündernd bis an die Tore Roms. Nach wenigen Tagen aber litten sie selbst von zwei Heeren, da beide Konsuln aus Rache in ihr Land fielen, mehr Schaden, als sie gestiftet hatten.

      (64) Am Ende des Jahres genoss man etwas Frieden, der aber, wie immer, durch die Uneinigkeit der Väter und Bürger gestört war. 2 Die unzufriedenen Bürgerlichen wollten nicht in der Versammlung zur Konsulwahl erscheinen. Also wählten die Väter und ihre Klienten den Titus Quinctius und Quintus Servilius zu Konsuln.

      Sie hatten ein dem vorigen ähnliches Jahr, einen Anfang mit Aufruhr und dann durch einen auswärtigen Krieg bewirkte Ruhe. 3 Die Sabiner, die nach einem eiligen Durchmarsch über die Crustuminischen Ebenen am Fluss Anio Mord und Brand verübt hatten, wurden zwar nahe am Collinischen Tor von den Mauern zurückgetrieben, führten aber eine große Menge Menschen und Vieh als Beute weg. 4 Der Konsul Servilius, der ihnen mit einem schlagfertigen Heer nachsetzte, konnte den eigentlichen Zug im freien Feld nicht erreichen, verbreitete aber seine Verheerungen so weit umher, dass nichts vom Ungemach des Krieges verschont blieb, und er mit Beute aller Art beladen zurückkehrte.

      5 Auch im Volskischen führten die Soldaten nicht weniger als der Feldherr die Sache des Staates trefflich. In der ersten Schlacht, die auf freiem Feld geliefert wurde, gab es auf beiden Seiten viele Tote und noch mehr verwundete, 6 und die Römer, denen bei ihrer geringeren Anzahl der Verlust um so fühlbarer war, wären gewichen, wenn nicht der Konsul durch eine zweckmäßige Lüge, indem er mehrmals rief, der Feind fliehe schon auf dem anderen Flügel, seine Linie vorwärtsgetrieben hätte. In diesem erneuerten Angriff siegten sie, weil sie zu siegen glaubten. 7Aus Besorgnis, durch ein zu ernsthaftes Nachsetzen eine neue Schlacht zu veranlassen, gab der Konsul das Zeichen zum Rückzug. 8 Dann verstrichen einige Tage, in denen man sich von beiden Seiten Ruhe gönnte, als hätte man schweigend Waffenstillstand geschlossen, und während derselben zog sich eine bedeutende Verstärkung aus allen Völkerschaften der Volsker und Aequer in das Lager, in der festen Erwartung, dass die Römer, sobald sie dies merkten, bei Nacht abziehen würden. 9 Also kamen sie gegen die dritte Nachtwache, das Lager anzugreifen. 10 Quinctius hatte kaum den Lärm, den der erste Schrecken erregte, gestillt, da befahl er seinen Soldaten, ruhig in ihren Zelten zu bleiben, führte eine Kohorte Herniker auf den Vorposten hinaus, ließ die Hornbläser und Trompeter aufsitzen, hieß sie vor dem Wall blasen und den Feind bis zum Tag in Unruhe erhalten. 11Während der übrigen Nacht war im Lager alles so ruhig, dass die Römer sogar zum Schlafen kommen konnten. Die Volsker hielt der Anblick des bewaffneten Fußvolks, das sie für zahlreicher und für Römer hielten, das Schnauben und Wiehern der Pferde, die unter einem fremden Reiter und über den ihre Ohren durchdringenden Schall noch lauter tobten, gespannt wie auf einen Angriff der Feinde.

      (65) Als es tagte, trat der Römer kraftvoll und durch Schlaf erquickt in Schlachtordnung und brachte den vom Stehen und Wachen ermüdeten Volsker gleich beim ersten Angriff zum Weichen, 2 wiewohl die Feinde mehr wichen als getrieben wurden, denn hinter ihnen lagen Hügel, auf welche sich die hinteren Glieder in voller Ordnung sicher zurückzogen.

      Als der Konsul an die Anhöhe kam, ließ er anhalten. Allein die Soldaten waren kaum zu halten, sie schrien und verlangten, den Geschlagenen nachsetzen zu dürfen. 3 Noch ungestümer benahm sich die Reiterei. Sie umringte den Feldherrn und rief, sie wolle den Vortrab machen. Während der Unschlüssigkeit des Konsuls, dem die Tapferkeit seiner Krieger gewiss, aber das Terrain zu bedenklich war, schrien sie alle, sie würden anrücken, und auf das Geschrei folgte die Tat. Sie pflanzten die Wurfspieße in die Erde, um so leichter die Anhöhen zu ersteigen, und gingen laufend bergan. 4 Als die Volsker sie beim ersten Angriff mit allen ihren Wurfwaffen überschüttet hatten, warfen sie die Steine, die ihnen vor den Füßen lagen, auf die bergan Rückenden und setzten ihnen in der Unordnung von oben herab mit häufigen Würfen zu. Dies wäre dem linken Flügel der Römer beinahe zu viel geworden, hätte nicht, als sie schon wichen, der Konsul, der bald ihre Verwegenheit, bald ihre Feigheit schalt, durch Ehrgefühl ihre Furcht verdrängt. 5 Zuerst hielten sie hartnäckig stand, dann wagten


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