Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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sie verschlimmerten die Krankheit noch dadurch, dass sie aus Furcht vor Plünderung die Herden und die Landleute in die Stadt aufnahmen. 3 Bei diesem Zusammenfluss von lebenden Wesen aller Art befielen die Städter durch den ihnen ungewohnten Geruch, die in enge Häuser zusammengedrängten Landleute durch die Hitze und schlaflosen Nächte Krankheiten, und gegenseitige Dienstleistungen, ja die Berührung selbst, verbreiteten die Krankheiten. 4 Kaum konnte man die Not, die man vor Augen sah, noch ertragen, als unerwartet Gesandte der Herniker meldeten, dass auf ihrem Boden die vereinigten Aequer und Volsker ein Lager aufgeschlagen hätten und von dort aus ihr ganzes Land mit einem großen Heer verwüsteten.

      5 War schon der schwach besetzte Senat den Bundesgenossen ein Zeichen dafür, wie sehr der Staat durch die Seuche gelitten habe, so erhielten sie auch den traurigen Bescheid, die Herniker möchten in Verbindung mit den Latinern ihr Eigentum selbst schützen. Die Stadt Rom werde durch die Ungnade der Götter unerwartet von einer Seuche verheert. Sollte diese Plage einigermaßen nachlassen, so werde sie ihren Bundesgenossen, wie im Jahr zuvor und sonst immer, Hilfe leisten. 6 So gingen die Bundesgenossen ab und brachten auf eine traurige Nachricht den Bundesgenossen einen noch traurigeren Bescheid. Denn sie sollten nun allein sich in einem Krieg wehren, dessen sie sich, selbst von Roms Macht gestützt, kaum erwehrt hätten.

      7 Länger beschränkte sich der Feind nicht auf das Hernikerland. Er fiel von hier aus ins römische Gebiet ein, das auch ohne die Unbilden des Krieges schon verwüstet war. Als ihnen hier niemand, auch nicht einmal ein Unbewaffneter entgegenkam, und sie alles, wo sie durchzogen, nicht nur unbesetzt von Posten, sondern auch vom Landmann unbestellt fanden, rückten sie auf der Gabinischen Straße bis zum dritten Meilenstein vor.

      8 Der römische Konsul Aebutius war gestorben; sein Amtsgenosse Servilius lag fast hoffnungslos darnieder, die meisten Großen waren angesteckt; der größere Teil der Väter, die Dienstfähigen fast alle, so dass es an Mannschaft nicht allein zum Aufbruch fehlte, wie eine so dringende Beunruhigung ihn forderte, sondern sogar zur Besetzung friedlicher Posten. 9 Die Wachen versahen die Senatoren in eigener Person, sofern Alter und Gesundheitszustand es erlaubte; den Rundgang und die Bestellung hatten die plebejischen Ädilen (Polizeiaufseher), welchen jetzt die höchste Regierung und der Rang der Konsuln anheim gefallen war.

      (7) Das verlassene Ganze, das ohne Haupt, ohne Kräfte war, fand seinen Schutz in den über die Stadt waltenden Göttern und ihrem Glück, welche den Aequern und Volskern mehr den Sinn von Räubern als von Feinden gaben. 2 Denn die Mauern Roms zu erobern, ja nur einen Versuch auf sie zu machen, fiel ihnen nicht ein, und der Anblick der fernen Häuser und ragenden Hügel erfüllte sie mit solcher Scheu, 3 dass sie auf ein im ganzen Lager sich verbreitendes lautes Murren, warum man in einem öden und verlassenen Land unter hinsiechenden Herden und Menschen untätig und beuteleer die Zeit verbringe, da man sich in ganz unberührte Gegenden, in das mit Überfluss gesegnete tuskulanische Gebiet wenden könne – plötzlich mit ihren Fahnen aufbrachen und auf Querwegen durch das Gebiet von Labici auf die Höhen von Tuskulum hinübergingen. Hierher zogen sich nun die ganze Gewalt und der ganze Sturm des Krieges.

      4 Unterdessen zogen die Herniker und Latiner, von Scham zugleich und nicht bloß von Mitleid ergriffen, wenn sie den mit einem Kriegsheer vor Rom rückenden gemeinschaftlichen Feind nicht abgewehrt, noch den Bedrängten die geringste Hilfe geleistet hätten, mit dem vereinigten Heer vor Rom. 5 Als sie hier keinen Feind antrafen, gingen sie dem Gerücht und den Spuren nach und begegneten ihm, als er aus dem tuskulanischen in das albanische Tal herabzog. Hier war der Kampf keineswegs zu ihrem Vorteil, und für ihre Treue hatten die Bundesgenossen diesmal wenig Glück.

      6 Nicht geringer war in Rom die Niederlage durch die Seuche, als die der Bundesgenossen durch das Schwert. Der einzige noch übrige Konsul starb; es starben auch andere angesehene Männer, die Augurn Marcus Valerius und Titus Verginius Rutilus, der Curio Maximus Servius Sulpicius, 7 und unter den unbekannten Menschen wütete die Krankheit überall. Außerstande, menschliche Hilfe zu schaffen, verwies der Senat seine Bürger an die Götter und zum Gebet und forderte sie auf, mit Frau und Kind in die Tempel beten zu gehen und die Gnade der Götter zu erflehen. 8 Und da schon jeden sein eigenes Unglück drängte, so erfüllten sie auf diese öffentliche Aufforderung alle heiligen Orte. Am Boden liegend kehrten die Frauen allenthalben die Tempel mit ihren Haaren und flehten um Abwendung des himmlischen Zornes und um das Ende der Seuche.

      (8) Endlich wurden die Menschen, entweder weil sie die Götter versöhnt hatten, oder die ungesunde Jahreszeit schon vorüber war, nach überstandener Seuche allmählich gesünder, 2 und als sie wieder an öffentlichen Angelegenheiten teilnahmen, wählte nach Verlauf mehrerer Zwischenregierungen Publius Valerius Publicola am dritten Tag seiner Zwischenregierung den Lucius Lucretius Tricipitinus und Titus Veturius – oder hieß er Vetusius? – Geminus zu Konsuln. 3 Am elften Sextilis (August) traten sie ihr Amt an und fanden den Staat nicht bloß zum Verteidigungskrieg, sondern selbst zum Angriff schon stark genug. 4 Als nun die Herniker meldeten, dass der Feind in ihr Land gefallen sei, sagte man ihnen sogleich Hilfe zu, und zwei konsularische Heere wurden ausgehoben.

      Veturius wurde gegen die Volsker geschickt, um sie in ihrem eigenen Land anzugreifen. 5 Tricipitinus, den man den Plünderern im Gebiet der Bundesgenossen entgegenstellte, rückte nicht weiter als bis ins Hernikerland vor. In der ersten Schlacht warf und schlug Veturius die Feinde. 6 Dem Lucretius aber entging, während er im Hernikerland still lag, das Heer der Plünderer, das sich über die Pränestinischen Berge zog und von da in die Ebene herabkam. Nun verheerten sie das Gebiet von Praeneste und Gabii und wandten sich aus dem gabinischen Gebiet seitwärts gegen die tuskulanischen Hügel. 7 Auch die Stadt Rom traf ein großer Schrecken, mehr durch die Überraschung, als weil sie sich zur Verteidigung zu schwach gefühlt hätte. Quintus Fabius befehligte die Stadt. Durch Bewaffnung der Dienstfähigen und Aufstellung der Truppen sicherte und beruhigte er alles. 8 Die Feinde also, die, ohne sich näher an die Stadt zu wagen, nur die ihnen nahen Gegenden ausplünderten, kehrten um und waren auf ihrem Rückweg, je weiter sie sich von der feindlichen Stadt entfernten, desto sorgloser, als sie auf den Konsul Lucretius stießen, der schon auf ausgekundschafteten Wegen in Schlachtordnung heranzog und des Kampfes gewärtig war. 9 Da also schlagfertiger Mut Bestürzte im ersten Schrecken angriff, warf eine weit kleinere Anzahl ein großes Heer und schlug es, trieb die Geschlagenen in Hohlwege und konnte sie bei der Schwierigkeit der Auswege umstellen. 10 Hier wurde beinahe alles, was Volsker hieß, niedergehauen. In einigen Jahrbüchern finde ich die Zahl der in der Schlacht und auf der Flucht Gefallenen auf 1750, die der Gefangenen auf 1250, der erbeuteten Fahnen zu 27 angegeben. Mag auch diese Zahl etwas zu hoch sein, groß war die Niederlage jedenfalls. 11 Siegreich kehrte der Konsul mit einer ansehnlichen Beute in sein altes Standlager zurück. Darauf bezogen die Konsuln ein gemeinschaftliches Lager, und ebenso ließen die Volsker und Aequer ihre geschwächten Heere sich vereinigen. Das war die dritte Schlacht in diesem Jahr. Dasselbe Glück verlieh den Sieg. Auf den Sieg über die Feinde folgte die Eroberung ihres Lagers.

      (9) So kamen Roms Angelegenheiten wieder in den alten Stand; auch weckte das Glück des Krieges sogleich wieder Unruhen in der Stadt. 2 Caius Terentilius Harsa war in diesem Jahr Volkstribun. Er glaubte, in Abwesenheit der Konsuln habe er freie Hand, als Tribun mit Anklagen aufzutreten, nahm mehrere Tage lang vor dem Volk den Hochmut der Väter zum Gegenstand seiner Beschuldigungen, und am heftigsten traf sein Tadel die Macht der Konsuln als zu groß und mit einem Freistaat unvereinbar. 3 Nur dem Namen nach sei sie weniger gehässig, in der Tat aber beinahe furchtbarer als die königliche. 4 Denn man habe in ihnen statt eines Herrschers zwei mit unmäßiger, unbegrenzter Gewalt. Für ihre Person ohne Schranken und Zügel ließen sie alle Drohungen der Gesetze und Henkerstrafen den Bürgerstand treffen. 5 Um sie so nicht ewig schalten zu lassen, wolle er beantragen, zur Abfassung von Gesetzen über die konsularische Macht fünf Männer zu erwählen. Ein Konsul müsse gerade so viel Gewalt haben, als ihm das Volk über sich einräume, sie dürften aber ihre Willkür und eigenen Gelüste nicht als Gesetz betrachten.

      6 Als der Vorschlag bekannt gemacht worden war, fürchteten die Väter, man könnte ihnen in Abwesenheit der Konsuln dieses Joch aufbürden; allein der Stadtpräfekt Quintus Fabius berief den Senat und griff den Vorschlag samt seinem Urheber mit solcher Heftigkeit an, dass beide Konsuln, wenn sie als Gegner des Tribunen aufgetreten wären, sich nicht drohender, nicht schreckender hätten ausdrücken können. 7 Aus seinem Hinterhalt falle der Mensch, der die Gelegenheit


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