Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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Geschlecht Ehre machte, 3 versicherte aber, weder im Stamm der Quinctier noch in ganz Rom habe je einer so viel Anlage zu einer so hohen Vollkommenheit gezeigt. Er sei sein bester Soldat gewesen; er selbst habe ihn oft sich auf die Feinde stürzen sehen. 4 Spurius Furius sagte, von Quinctius Capitolinus sei ihm Kaeso damals in seiner bedrängten Lage40 zu Hilfe geschickt, und seiner Meinung nach habe durchaus niemand zum glücklicheren Erfolge mehr beigetragen als gerade er. 5 Lucius Lucretius, der Konsul des vorigen Jahres, noch strahlend in frischem Ruhmesglanz, ließ den Kaeso an seinem Lob teilnehmen, erwähnte die Schlachten, erzählte seine ausgezeichneten Taten teils bei Kriegszügen, teils in der Schlacht, 6 und riet und mahnte, sie möchten in einem so ausgezeichneten, mit allen Natur- und Glücksgaben ausgerüsteten Jüngling, der auf die Macht jedes Staates, in welchen er sich begebe, einen wichtigen Ausschlag geben werde, lieber sich einen Mitbürger erhalten, als ihn sich entfremden. 7 Was an ihm anstößig sei, seine Hitze und Kühnheit, davon nehme das Alter täglich weg, was sie an ihm vermissten, Bedachtsamkeit, diese nehme mit jedem Tag zu. Sie möchten einen so großen Mann, dessen Fehler abnähmen und dessen Tüchtigkeit reife, im Vaterland alt werden lassen. 8 Unter diesen Fürsprechern flehte auch sein Vater, Lucius Quinctius, mit dem Zunamen Cincinnatus, ohne die Verdienste seines Sohnes zu wiederholen – er hätte sonst den Hass nur gesteigert –, bloß unter Bitten um Nachsicht mit seinem Fehltritt und seinen Jugendjahren; sie möchten ihm zuliebe, der keinen Menschen durch Wort oder Tat beleidigt habe, seinem Sohn verzeihen. 9 Allein einige ließen den Bittenden nicht an sich kommen, entweder aus Scham oder aus Furcht, andere gaben mit der Klage, dass sie und die Ihrigen von Kaeso misshandelt worden wären, deutlich durch ihre harte Antwort zu erkennen, wie sie über ihn abstimmen würden.

      (13) Außer der allgemeinen Abneigung drückte den Beklagten besonders eine Beschuldigung. Marcus Volscius Pictor, der mehrere Jahre vorher Volkstribun gewesen war, hatte als Zeuge ausgesagt, 2 er sei bald nach der Pest, die in Rom geherrscht, in der Gasse Subura auf einen Haufen schwärmender Jünglinge gestoßen. Hier sei eine Schlägerei ausgebrochen, und sein älterer Bruder, der ohnehin von der Krankheit noch nicht völlig hergestellt war, sei von einem Faustschlag des Kaeso halbtot zur Erde gesunken. 3 Sie hätten ihn dann nach Hause getragen, und seiner Ansicht nach sei er infolge der Misshandlung gestorben. Allein unter den Konsuln, wie die der letzten Jahre, habe er es nicht geraten gefunden, die Tat, so scheußlich sie sei, anhängig zu machen.

      Als Volscius dies mit Geschrei vortrug, wurde die Erbitterung so groß, dass Kaeso beinahe unter den Händen des einstürmenden Volkes sein Leben eingebüßt hätte. 4 Verginius ließ ihn ergreifen und ins Gefängnis bringen. Dies verhinderten die Patrizier mit Gewalt. Titus Quinctius rief laut, wer auf Tod und Leben angeklagt sei und nächster Tage den Urteilsspruch zu erwarten habe, an dem dürfe man, als an einem noch nicht Verurteilten, noch nicht Gehörten, keine Gewalt üben. 5 Der Tribun erwiderte, er werde ihn nicht ohne Urteil hinrichten lassen, wolle ihn aber bis zum Gerichtstag in Haft behalten, damit dem römischen Volk die Möglichkeit gegeben sei, einen Mörder zur Strafe zu ziehen. 6 Die Tribunen, die er nun um Beistand ansprach, übten die Befugnis der Hilfeleistung durch einen vermittelnden Beschluss; sie verboten, ihn gefangen zu nehmen, erklärten aber ihre Meinung dahin, dass der Beklagte gehalten sein solle, sich zu stellen und dem Volk für den Fall, 7 dass er sich nicht stellte, eine Summe Geld zugesichert werde. Wie hoch die zu versichernde Summe sich belaufen solle, überließen sie, weil sie nicht darüber einig werden konnten, der Entscheidung des Senates. Während die Väter berieten, musste der Beklagte auf dem Platz bleiben. 8 Der Senat beschloss, er solle Bürgen stellen, und jeder Bürge solle mit 3000 Kupfer-As haften. Die Zahl der Bürgen sollten die Tribunen bestimmen. – Sie setzten sie auf zehn fest, so viele Bürgen ließ der Kläger für den Beklagten sich verbürgen. Und dieser war der Erste, der Bürgen bei einem Staatsprozess gestellt hat.

      9 Als er vom Forum entlassen war, ging er in der folgenden Nacht als Verbannter nach Etrurien. Am Gerichtstag entschuldigte man sein Nichterscheinen mit seiner Auswanderung in die Fremde, und da Verginius dennoch die öffentliche Verhandlung fortsetzte, entließen feine Amtsgenossen, deren Hilfe man ansprach, die Versammlung. 10 Das Geld wurde mit vieler Härte von seinem Vater eingefordert, so dass er nach dem Verkauf aller seiner Habe lange Zeit jenseits des Tibers wie ein Verbannter in einer abgelegenen Hütte lebte.

      (14) Diese Gerichtsverhandlung und das angekündigte Gesetz hielten die Bürgerschaft in Bewegung; vor auswärtigen Kriegen hatte man Ruhe. 2 Als nun die Tribunen gleich Siegern ihr Gesetz so gut wie durchgesetzt betrachteten, weil die Väter durch Kaesos Entfernung mutlos geworden waren, und die Älteren unter ihnen, wenn es auf sie angekommen wäre, den Besitz der Staatsverwaltung aufgegeben hätten, trieben die jüngeren Väter, 3 besonders Kaesos Bekannte, ihren Streit gegen die Bürgerlichen noch energischer, ohne den Mut sinken zu lassen, und gewannen am meisten dadurch, dass sie ihre Angriffe durch ein gewisses Maß beschränkten.

      4 Wie es also nach Kaesos Verbannung das erste Mal wieder zum Antrag über das Gesetz kam, machten sie unter dem Beistand eines großen Heeres von Schützlingen auf die Tribunen, sobald diese durch den Befehl zum Auseinandergehen die Gelegenheit gaben, ihren Angriff mit solcher Haltung und Fassung, dass jeder Einzelne von der daraus erwachsenden Ehre oder Feindschaft keinen größeren Anteil mit nach Hause nahm als sie zusammen, und den Bürgerlichen nur die Klage blieb, dass statt eines Kaeso ihrer tausend aufgestanden wären. 5 In der Zwischenzeit, in der die Tribunen nichts mit dem Gesetz zu tun hatten, war niemand milder oder friedlicher als sie. Sie grüßten die Mitglieder des Bürgerstandes freundlich, redeten sie an, luden sie ein, leisteten ihnen gerichtlichen Beistand, ließen selbst den Tribunen alle übrigen Versammlungen ungestört und waren gegen niemanden weder in öffentlichen noch in Privatangelegenheiten die Heftigen, außer wenn die Verhandlung über das Gesetz begann. In allen anderen Fällen waren die jungen Männer dem Volk zu Willen. 6 Auch setzten die Tribunen nicht nur alles Übrige ruhig durch, sondern wurden sogar auf das folgende Jahr wieder gewählt. Ohne ein hartes Wort, auch nicht durch irgendein gewaltsames Mittel, bloß durch Güte und milde Behandlung hatten die jungen Männer das Volk gewonnen. Durch diese Künste wurde das Gesetz ein ganzes Jahr lang hintertrieben.

      (15) Die Konsuln Caius Claudius, der Sohn des Appius, und Publius Valerius Publicola übernahmen den Staat in friedlicherer Lage. Auch hatte das neue Jahr nichts Neues gebracht, nur die Sorge, das Gesetz durchzusetzen oder es annehmen zu müssen, beschäftigte alle. 2 Je mehr sich die jüngeren Väter an die Bürgerlichen anschlossen, desto eifriger bemühten sich dagegen die Tribunen, sie durch Anschuldigungen den Bürgern verdächtig zu machen. Man habe eine Verschwörung zustande gebracht; 3 Kaeso sei in Rom. Man gehe damit um, die Tribunen zu ermorden, die Bürger niederzuhauen. Die älteren Väter hätten es den Jüngeren zur Aufgabe gemacht, die tribunizische Gewalt aus dem Staat zu beseitigen und ihm dieselbe Verfassung wiederzugeben, die er vor der Besetzung des Heiligen Berges gehabt habe. 4 Man fürchtete von den Volskern und Aequern den schon stehenden und beinahe zur jährlichen Gewohnheit gewordenen Krieg; und ein näheres neues Übel brach unvermutet ein.

      5 Vertriebene und Sklaven, an die 2500 Menschen, hatten unter Anführung eines Sabiners, Appius Herdonius, sich bei Nacht des Kapitols und der Burg bemächtigt. 6 Zuerst hieben sie auf der Burg diejenigen nieder, die der Verschwörung nicht hatten beitreten und nicht zu den Waffen hatten greifen wollen. Von diesen rannten während des Auflaufes einige von Schrecken gejagt auf den Markt herab, und man hörte abwechselnd rufen: Zu den Waffen! und Die Feinde sind in der Stadt.

      7 Die Konsuln scheuten sich ebenso sehr, die Bürger zu bewaffnen, als sie unbewaffnet zu lassen. Ungewiss, was für ein plötzliches Unglück, ob von außen oder von innen, von erbitterten Bürgern oder auf Anstiftung der Sklaven über die Stadt hereingebrochen sei, stillten sie den Auflauf; hin und wieder erregten sie ihn, indem sie ihn stillten, denn die bestürzte, durcheinander gescheuchte Menge ließ sich durch Befehle nicht lenken. 8 Doch teilten sie Waffen aus, wenn auch nicht an alle; nur so viel, dass man bei der Ungewissheit über den Feind auf jeden Fall eine zuverlässige Mannschaft bereit habe. Den Rest der Nacht brachten sie in Unruhe und Ungewissheit, wer und wie stark die Feinde sein möchten, damit hin, die zu besetzenden Plätze in der ganzen Stadt mit Posten zu belegen.

      9 Endlich gab der Tag über den Krieg und dessen Anführer Auskunft. Appius Herdonius rief vom Kapitol die Sklaven zur Freiheit. Er habe die Sache jedes noch so Unglücklichen auf sich genommen, um alle widerrechtlich


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