Römische Geschichte. Livius Titus

Читать онлайн книгу.

Römische Geschichte - Livius Titus


Скачать книгу
Betrieb der Väter Lucius Quinctius Cincinnatus, der Vater des Kaeso, zum Konsul ernannt, der sein Amt sogleich antreten sollte. 3 Die Bürgerlichen waren betroffen, da sie einen erbitterten Konsul haben sollten, dem die Gunst der Väter und eigener Wert Gewicht gaben, und drei Söhne, von denen keiner dem Kaeso an Geistesgröße nachstand, ja die ihn an Bedachtsamkeit und Mäßigung, wenn diese nötig waren, übertrafen.

      4 Als er sein Amt angetreten hatte, trieb er in seinen täglichen Reden von der Rednertribüne herab mit gleicher Heftigkeit das Volk zu Paaren und machte dem Senat Vorwürfe.

      Es liege bloß an der Schlaffheit dieses Standes, dass nunmehr ewig beamtete Volkstribunen, nicht wie in einem Volksstaat von Römern, sondern wie in einer schlechten Wirtschaft, durch ihre Zungenfertigkeit und Verleumdungen die Allgebietenden wären. 5 Mit seinem Sohn Kaeso seien Heldenmut, Standhaftigkeit und alles, was jungen Männern im Krieg und Frieden Ehre mache, verbannt und vertrieben. Schwätzer, Aufrührer, Stifter des Unfriedens, durch die schlechtesten Mittel schon zwei- bis dreimal Tribunen, lebten in einer königlichen Ungebundenheit. 6 Hat etwa Aulus Verginius dort, sprach er weiter, weil er nicht mit auf dem Kapitol war, eine gelindere Todesstrafe als Appius Herdonius verdient? Wahrhaftig, wenn man die Sache richtig beurteilen will, eine weit härtere! Herdonius hat doch wenigstens dadurch, dass er sich für einen Feind gab, euch, ich möchte sagen, angedeutet, dass ihr zu den Waffen greifen solltet, dieser Mensch aber nahm euch durch die Behauptung, es sei kein Krieg, die Waffen und gab euch wehrlos euren Sklaven und Vertriebenen preis. 7 Und dennoch rücktet ihr – mögen mir Caius Claudius den Vorwurf und Publius Valerius im Grab verzeihen – gegen den Capitolinischen Hügel an, ohne vorher die Feinde vom Markt vertilgt zu haben? — Schämen müssen wir uns vor aller Welt! Als die Feinde auf der Burg, auf dem Kapitol waren, ein Führer von Vertriebenen und Sklaven alles entweiht und im Allerheiligsten des allmächtigen Jupiter seine Wohnung hatte, griff man in Tuskulum eher zu den Waffen als in Rom. 8 Man konnte fragen, ob der tuskulanische Feldherr Lucius Mamilius oder ob die Konsuln Publius Valerius und Caius Claudius die Burg Roms befreien würden. Und wir, die wir sonst die Latiner, auch nicht einmal zu ihrer eigenen Verteidigung, wenn sie den Feind im Land hatten, die Waffen anrühren ließen, wir waren erobert und vernichtet, wenn nicht Latiner freiwillig die Waffen ergriffen hätten. 9 Nennt ihr das, ihr Tribunen, dem Bürger Hilfe leisten, ihn wehrlos dem Feind zum Niederhauen preisgeben? Freilich, wenn der niedrigste Mensch aus eurem Bürgerstand, den ihr als einen vom Volk losgerissenen Teil zu eurem Vaterland, zu eurem besondern Staat gemacht habt – wenn einer von diesen euch meldete, seine Sklaven hätten sich bewaffnet und belagerten ihm das Haus: Ihr würdet wollen, dass ihm geholfen würde. 10 Und der allmächtige Jupiter, von den Waffen Vertriebener und Sklaven umringt, war keiner menschlichen Hilfe würdig? Und solche Menschen verlangen, eine heilige Würde zu haben, denen die Götter selbst nicht heilig, nicht ehrwürdig sind? Doch was höre ich? 11 Ihr, mit Frevel gegen Götter und Menschen beladen, behauptet, ihr würdet in diesem Jahr das Gesetz durchbringen? Dann müsste bei Gott an dem Tag, an welchem ich zum Konsul ernannt bin, der Staat übel beraten gewesen sein, weit übler noch als an dem, da Publius Valerius fiel, wenn ihr das durchsetzt. Vor allen Dingen, 12 ihr Quiriten – so fuhr er fort –, haben ich und mein Amtsgenosse im Sinn, die Legionen gegen die Volsker und Aequer zu führen. Ich weiß nicht, wie es kommt, dass uns die Götter im Krieg geneigter als im Frieden sind. Die Größe der Gefahr, die wir von jenen Völkern befürchten müssten, wenn sie gewusst hätten, dass das Kapitol von Vertriebenen besetzt sei, wollen wir lieber aus dem Vergangenen abnehmen, als in der Tat erfahren.

      (20) Des Konsuls Rede hatte auf die Bürger Eindruck gemacht. Voll Freude hielten die Väter die Staatsregierung wieder für ihr Eigentum; und hatte es gleich der andere Konsul, zur Begleitung mutiger als zum Voranschreiten, gern geschehen lassen, dass in Betreibung einer so schwierigen Sache sein Amtsgenosse die Bahn brach, so erklärte er sich doch zur Ausführung alles dessen, was das Konsulat für seinen Teil von ihm forderte, sehr bereit. 2 Da setzten ihnen die Tribunen, die dies alles als leere Worte verspotteten, mit der Frage zu, wie denn die Konsuln mit einem Heer ausrücken wollten, da ihnen niemand die Werbung gestatten werde. – 3 Haben wir doch, antwortete Quinctius, gar keine Werbung nötig; denn damals, als Publius Valerius den Bürgern zur Wiedereroberung des Kapitols die Waffen gab, haben alle auf die Formel geschworen, sich auf Befehl des Konsuls zu stellen und ohne seinen Befehl sich nicht zu entfernen. 4 Folglich kündigen wir euch, die ihr den Eid geleistet habt, hiermit an, euch morgen bewaffnet am See Regillus einzufinden.

      Die Tribunen wollten zwar das Volk von seinem Eid durch die Ausflucht entbinden, dass Quinctius, als die Bürger den Eid geleistet hätten, noch Privatmann gewesen sei. 5 Noch aber war diese Geringschätzung der Götter, die über unser Zeitalter sich verbreitet hat, nicht eingetreten; damals machte man sich Eid und Gesetze noch nicht durch eigene Auslegung bequem, sondern richtete lieber sein Verhalten nach ihnen ein. 6 Da also die Tribunen alle Hoffnung, die Sache zu hintertreiben, aufgeben mussten, beantragten sie, das Heer noch weiter zu entfernen, um so mehr, weil ein Gerücht sagte, man habe auch den Augurn befohlen, sich am See Regillus einzufinden, und es werde daselbst ein Ort eingeweiht, wo man nach eingeholter Zustimmung der Götter Anträge vor das Volk bringen könne, um alles, was in Rom durch die tribunizische Gewalt eingeführt sei, durch eine dort zu haltende Versammlung wieder abzuschaffen. 7 Dort würden alle zu allem, was die Konsuln wollten, ihre Einwilligung geben, denn über tausend Schritte von der Stadt hinaus sei die Berufung an das Volk nicht gültig; wollten aber die Tribunen sich dort einfinden, so würden sie mit den übrigen Quiriten zugleich dem konsularischen Oberbefehl unterworfen sein. 8 Dies machte sie unruhig, allein was sie am meisten beunruhigte, war dies, dass Quinctius öfter sagte, er werde gar keinen Versammlungstag zur Konsulwahl ansetzen. Die Krankheit des Staates sei nicht von der Art, dass er durch gewöhnliche Mittel gerettet werden könne. Das allgemeine Beste erfordere einen Diktator, damit jeder, der es wagen würde, an der Staatsverfassung zu rütteln, merke, dass von der Diktatur keine Ansprache stattfinde.

      (21) Der Senat war auf dem Kapitol. Die Tribunen kamen mit dem bestürzten Bürgerstand dahin. Die Menge wandte sich mit großem Geschrei um Hilfe bald an die Konsuln, bald an die Väter, doch brachten sie den Konsul nicht eher von seinem Vorhaben ab, als bis die Tribunen versprachen, sich dem Gutachten der Väter zu fügen. 2 Nun wurden auf Antrag des Konsuls über die Forderungen der Tribunen und des Bürgerstandes folgende Senatsbeschlüsse durchgesetzt: Die Tribunen sollten in diesem Jahr das Gesetz nicht zum Vorschlag bringen, aber auch die Konsuln das Heer nicht aus der Stadt führen. – Obrigkeitliche Amtsverwaltungen ferner zu verlängern und dieselben Tribunen wieder zu wählen, halte der Senat dem gemeinen Besten für nachteilig.

      3 Die Konsuln ordneten sich dem Senat unter, allein die Tribunen ließen sich trotz des lauten Widerspruchs der Konsuln abermals wählen. Nun wollten die Väter ebenfalls, um dem Bürgerstand kein Vorrecht zu lassen, den Lucius Quinctius wieder zum Konsul machen. Allein er erklärte sich dagegen in einer so heftigen Rede, wie er sie in seinem ganzen Konsulat nicht gehalten hatte.

      4 Soll ich mich darüber wundern, sprach er, ihr versammelten Väter, wenn euer Ansehen bei dem Bürgerstand wirkungslos ist? Ihr selbst hebt es auf. Weil das Volk den Beschluss des Senats über die Verlängerung der Ämter aufhebt, so seid ihr ebenso darauf aus, ihn umzustoßen, um der Unbesonnenheit des großen Haufens nicht nachzugeben, 5 gerade als ob das Übergewicht im Staate darauf beruhe, dass man mehr Leichtsinn und Ungebundenheit zeige, denn es verrät doch unstreitig mehr Leichtsinn und Unzuverlässigkeit, wenn man seine eigenen Verfügungen und Beschlüsse, als wenn man die anderer aufhebt. 6 Ahmet immerhin, ihr versammelten Väter, dem unverständigen Haufen nach, und ihr, die ihr anderen ein Muster sein sollt, mögt lieber nach dem Beispiel anderer sündigen, als dass ihr sie nach eurem Recht handeln lasst, wenn ich nur die Tribunen nicht nachahme und mich nicht gegen den Senatsbeschluss zum Konsul ernennen lasse. 7 Dich aber, Caius Claudius, fordere ich auf, teils für dich selbst dem römischen Volk diese Übertretung zu verwehren, teils in Rücksicht auf mich überzeugt zu sein, dass ich dies nicht so aufnehmen werde, als habest du mich um dies Ehrenamt bringen wollen, sondern vielmehr glaube, dass du meinen Ruhm, diese Ehrenstelle ausgeschlagen zu haben, befördert und den Vorwurf, der mich über ihre Beibehaltung treffen musste, von mir abgewandt habest. 8 Darauf erließen beide die gemeinschaftliche Verordnung: Es solle niemand dem Lucius Quinctius seine Stimme


Скачать книгу