Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.weiter. Das Hin- und Herlaufen und Geschrei der zu den Waffen Rufenden glich fast der Angst in einer eroberten Stadt.
5 Der Konsul Quinctius, der gerade jetzt vom Algidus nach Rom zurückkam – dies rettete sie aus der Angst –, beruhigte den Auflauf, verwies ihnen ihre Furcht vor besiegten Feinden und besetzte die Tore. 6 Dann berief er den Senat, kündigte nach Senatsbeschluss einen Gerichtsstillstand an und zog mit Hinterlassung des Quintus Servilius als Stadtkommandanten zur Deckung der Grenzen aus, fand aber auf dem platten Land keinen Feind.
7 Dem andern Konsul glückte eine herrliche Tat. Er überfiel auf dem Weg, auf dem er ihn erwarten konnte, den mit Beute beladenen Feind, der sehr schwerfällig herangezogen kam, und ließ ihn empfindlich für seine Plünderung büßen. 8 Wenige Feinde entrannen diesem Überfall, und alle Beute bekam man wieder. So machte die Rückkehr des Konsuls Quinctius in die Stadt dem Gerichtsstillstand, der vier Tage gedauert hatte, ein Ende.
9 Darauf wurde von Quinctius die Schätzung gehalten und das Schätzungsopfer vollzogen. Die Zahl der geschätzten Bürger soll sich auf 104 214 belaufen haben, die Waisen und Witwen nicht mitgerechnet.
10 Im Aequerland fiel weiter nichts Merkwürdiges vor. Sie wichen in ihre Städte und ließen den Feind im Land brennen und plündern. Nachdem der Konsul mit seinem Heer, das sich Verwüstung vorgenommen hatte, das ganze feindliche Gebiet mehrmals durchzogen hatte, kehrte er mit großem Ruhm und großer Beute nach Rom zurück.
(4) Es folgen die Konsuln Aulus Postumius Albus und Spurius Furius Fusus. Einige schreiben diese Familie statt Furier auch Fusier. Dies bemerke ich, damit niemand in der Verschiedenheit, die nur die Namen trifft, verschiedene Männer suche.
2 Es unterlag keinem Zweifel, dass einer von den Konsuln den Krieg mit den Aequern führen werde. Also baten die Aequer die Volsker von Ecetra37 um Hilfe. Sie wurde ihnen mit Freuden bewilligt; so sehr wetteiferten diese Staaten in beständigem Hass gegen die Römer und rüsteten sich mit aller Macht zum Krieg. 3 Die Herniker merkten es und zeigten den Römern vorläufig an, dass die Ecetraner zu den Aequern abgefallen wären. Auch die Kolonie Antium war verdächtig. Denn von hier war eine Menge Menschen, als die Stadt erobert wurde, zu den Aequern geflüchtet, und gerade diese hatten im Krieg den Aequern die besten Dienste geleistet. 4 Als sich dann die Aequer in ihre Städte retteten, kehrte dieser Haufe aus seiner Zersplitterung nach Antium zurück und machte die schon wankenden Kolonien den Römern abtrünnig. 5 Da nun dem Senat, ehe noch die Sache reif war, nur ihre Vorbereitungen zum Abfall gemeldet wurden, gab er den Konsuln den Auftrag, die Vornehmsten der Kolonie nach Rom kommen zu lassen und sie zu befragen, was das zu bedeuten habe. 6 Sie erschienen ohne Bedenken, beantworteten aber, als sie von den Konsuln vor den Senat geführt wurden, die vorgelegten Fragen so, dass sie verdächtiger entlassen wurden als sie gekommen waren. 7 Jetzt galt der Krieg als gewiss.
Der eine Konsul, dem das Los diesen Krieg bestimmte, Spurius Furius, zog gegen die Aequer, fand im Hernikerland den plündernden Feind, und ohne dessen Stärke zu kennen, weil er sie nirgends im Ganzen gesehen hatte, überließ er sein an Zahl schwächeres Heer einer Schlacht. 8 Beim ersten Angriff geschlagen, zog er sich ins Lager zurück, war aber auch hier noch nicht außer Gefahr. Denn in der nächsten Nacht und am folgenden Tag wurde das Lager mit solchem Nachdruck eingeschlossen und bestürmt, dass von hier aus auch nicht einmal die Nachricht nach Rom kommen konnte. 9 Man erfuhr es durch die Herniker, dass eine Schlacht verloren und der Konsul mit seinem Heer eingeschlossen sei; und sie jagten den Vätern einen solchen Schrecken ein, dass dem andern Konsul Postumius der Auftrag gegeben wurde, solche Anstalten zu treffen, dass der Staat nicht gefährdet werde, eine Form des Senatsbeschlusses, welche immer für einen Beweis der höchsten Not galt. 10 Man hielt es für das Beste, den Konsul selbst in Rom zurückzuhalten, um alle Waffenfähigen auszuheben, und statt des Konsuls mit einem Heer von Bundesgenossen den Titus Quinctius dem Lager zu Hilfe zu senden. 11 Um es vollzählig zu machen, mussten die Latiner, Herniker und die Kolonie Antium dem Quinctius Unitarier stellen: So nannte man damals die von den Bundesgenossen in Eile aufgebrachten Soldaten.
(5) Es gab in diesen Tagen mancherlei Bewegungen und Angriffe von mehr als einer Seite, weil die an Mannschaft überlegenen Feinde es darauf anlegten, die Macht der Römer auf mehreren Punkten zu beunruhigen, insofern sie nicht gegen alles ausreichen würde. 2 Während sie das Lager bestürmten, schickten sie zugleich einen Teil ihres Heeres ab, um das römische Gebiet zu plündern, und wenn sich Gelegenheit darböte, einen Versuch auf die Stadt selbst zu machen.
3 Zum Schutz der Stadt blieb Lucius Valerius zurück; den Plünderungen im Land zu steuern, musste der Konsul Postumius ausrücken. Man ließ es nirgends an Aufmerksamkeit und Anstrengung fehlen. 4 In der Stadt wurden Wachen aufgestellt, vor die Tore stellte man Posten und Verteidiger auf die Mauern, und der bei einer solchen Verwirrung nötig gewordene Gerichtsstillstand dauerte mehrere Tage.
5 Unterdessen unternahm der Konsul Furius, der anfangs die Einschließung im Lager ruhig gelitten hatte, auf den unvorbereiteten Feind einen Ausfall aus dem Hintertor; und da er ihn hätte verfolgen können, machte er Halt, um nicht das Lager einem Angriff von der entgegengesetzten Seite auszusetzen. 6 Der Unterfeldherr Furius aber – er war der Bruder des Konsuls – führte sein Ungestüm zu weit, und in der Hitze des Verfolgens bemerkte er weder den Rückzug der Seinigen noch den Angriff der Feinde in seinem Rücken. Abgeschnitten machte er mehrere wiederholte Versuche, sich zum Lager einen Weg zu bahnen, aber vergebens: Er fiel nach tapferer Gegenwehr. 7 Der Konsul selbst, der auf die Nachricht von der Umzingelung seines Bruders zur Schlacht umkehrte, sich aber mehr auf gut Glück als mit der nötigen Vorsicht mitten in den Kampf stürzte, machte dadurch, dass er eine Wunde bekam und von den Umstehenden nur mit Mühe gerettet wurde, die Seinigen bestürzt und die Feinde desto kecker. 8 Im Gefühl ihrer Taten, den Unterfeldherrn getötet und den Konsul verwundet zu haben, trotzten sie jedem Widerstand, während die ins Lager zurückgetriebenen Römer, ihnen weder an Mut noch an Kräften gleich, sich von Neuem eingeschlossen sahen. Es stand sehr misslich um das Ganze, als Titus Quinctius mit fremder Hilfe, mit einem Heer von Latinern und Hernikern, ihr Retter wurde. 9 Da er die gegen das römische Lager gewandten Aequer, die den Kopf des Unterfeldherrn übermütig zur Schau trugen, im Rücken angriff und zugleich auf ein von ihm in der Ferne gegebenes Zeichen ein Ausfall aus dem Lager erfolgte, hieb er von den in die Mitte genommenen Feinden eine große Menge nieder.
10 Auf römischem Boden verloren die Aequer nicht so viele Leute, wurden aber viel weiter auseinandergesprengt. Postumius nämlich hatte sie auf mehreren Punkten, die sehr zweckmäßig von ihm besetzt waren, angegriffen, als sie in Schwärmen ihre Beute fortführten. Ohne Haltung und in Züge von Flüchtlingen zersprengt, stießen sie auf den Sieger Quinctius, als er mit dem verwundeten Konsul heimkehrte. 11 Hier rächte das konsularische Heer die Verwundung des Konsuls und den mit seinen Kohorten gefallenen Unterfeldherrn durch einen herrlichen Sieg.
Unstreitig war in diesen Tagen der Verlust, den man auf beiden Seiten zufügte und selbst erlitt, beträchtlich. 12 Allein bei einer so alten Begebenheit die Anzahl der Kämpfenden und Gefallenen bestimmen zu wollen, bleibt, wenn es um Zuverlässigkeit geht, zu misslich. Gleichwohl wagt es Valerius Antias,38 die Summen anzuschlagen. 13 Die Römer hätten im Hernikerland 5800 Mann verloren; von Plünderern der Aequer, die das römische Gebiet verheerend durchstreiften, habe der Konsul Aulus Postumius 2400 niedergemacht, der übrige mit Beute fortziehende Schwarm, der auf Quinctius stieß, sei bei Weitem nicht mit so geringem Verlust davongekommen. Es seien von ihnen 4000 erschlagen worden, und um die Zahl recht genau anzugeben, fügt er hinzu: und 230.
14Als nach der Rückkehr des Heeres in Rom der Gerichtsstillstand aufgehoben war, glaubte man den Himmel in vollem Feuer zu sehen, und noch andere Wunderzeichen wurden entweder beobachtet oder drohten den Erschreckten in eingebildeten Erscheinungen. Diese Drohungen abzuwenden, wurde eine dreitägige Feier verordnet, während welcher alle Tempel eine Menge von Männern und Frauen füllte, welche die Gnade der Götter anflehten. 15 Nun wurden die Kohorten der Latiner und Herniker, denen der Senat für ihre tätige Hilfeleistung im Krieg Dank sagte, nach Hause entlassen. Die tausend Antiaten hingegen, welche nach der Schlacht mit ihrer Hilfe zu spät gekommen waren, schickte man fast mit Schimpf zurück.
(6) Hierauf wurde der Wahltag gehalten. Die gewählten Konsuln, Lucius Aebutius und Publius Servilius, traten am ersten Sextilis (August), den man damals als Neujahrstag