Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.Die nackten Kalkberge an beiden Seiten des Thales und der sandige Boden zwischen ihnen glänzten in hellem, dem Auge wehthuendem Weiß. Keine Handbreit Schatten ließ sich sehen und die Wedelträger der Wartenden waren auf Befehl der Prinzessin bei den Wagen und Sänften zurückgeblieben.
Eine Zeitlang standen die Beiden schweigend nebeneinander; dann sagte die schöne Nefert, indem sie ihre mandelförmigen Augen müde aufschlug:
»Wie lange Bent-Anat bei den Unreinen bleibt. Ich vergehe hier. Was sollen wir thun?«
»Warten,« sagte Paaker, wandte der jungen Frau den Rücken, erstieg einen Felsblock an der Seite der Schlucht, hielt mit wohlgeübtem Auge eine schnelle Umschau, kehrte zu Nefert zurück und sagte: »Ich habe einen schattigen Platz gefunden. Dort!«
Die Gattin des Mena folgte mit ihren Augen seiner weisenden Hand und schüttelte ihr Köpfchen. Die goldenen Zierate an ihrem Hauptschmucke klangen dabei leise zusammen und ein kalter Schauer überflog ihren zarten Leib trotz der glühenden Hitze des Mittags.
»Sechet 44 wüthet am Himmel,« sagte Paaker. »Benütze die schattige Stelle, wenn sie auch klein ist. In dieser Stunde ward schon Mancher mit Leiden geschlagen.«
»Ich weiß es,« sagte Nefert und bedeckte ihren Nacken mit den Händen. Dann schritt sie auf zwei mächtige, wie die Seiten eines Kartenhauses aneinandergelehnte Felsplatten zu, zwischen denen sich das bezeichnete, wenige Fuß breite, vor der Sonne geschützte Plätzchen befand.
Paaker schritt ihr voraus, wälzte einen würfelförmigen, mit Feuersteindrusen durchschossenen Kalkblock unter das steinerne Zelt, zermalmte einige Skorpione, die sich hieher zurückgezogen hatten, breitete sein eigenes Kopftuch über den harten Sitz und sagte. »Hier bist Du geschützt!«
Nefert ließ sich auf dem Steine nieder und schaute dem Mohar nach, welcher langsam und schweigend vor ihr auf und nieder ging. Dieses unaufhörliche Hin- und Herwandeln ihres Begleiters wurde endlich ihren empfindlichen und gereizten Nerven unerträglich und indem sie schnell ihr Haupt aus ihrer hohlen Hand, in der es geruht hatte, erhob, rief sie; »Bitte, bleibe stehen!«
Der Wegeführer gehorchte sofort und schaute, indem er ihr den Rücken wandte, nach der Paraschitenhütte hin.
Nach einiger Zeit rief Nefert: »Sage mir etwas.«
Da wandte ihr der Mohar sein breites Antlitz zu und sie erschrak über die wilde Glut, welche ihr aus dem Blicke, mit dem er sie ansah, entgegenlohte.
Nefert schlug ihre Augen nieder, der Wegeführer aber sagte: »Ich schweige lieber,« und setzte seine Wanderung fort, bis die Gattin des Mena ihn von Neuem anrief und sagte:
»Ich weiß, daß Du mir zürnest; aber ich war ja noch ein Kind, als sie mich mit Dir verlobt haben. Ich bin Dir auch gut gewesen, und wenn mich Deine Mutter bei unseren Spielen Deine kleine Frau nannte, so habe ich mich wirklich gefreut und mir gedacht, wie schön das sein würde, wenn ich Dein Haus, das Du doch nur für mich so prächtig herstellen ließest, als Dein Vater gestorben war, und euren herrlichen Garten und die edlen Rosse in euren Ställen und all' eure Sklaven und Sklavinnen mein eigen nennen dürfte.«
Paaker lachte; aber dieß Lachen klang so erzwungen und höhnisch, daß es Nefert in's Herz schnitt und sie leise und wie um Schonung bittend fortfuhr:
»Es heißt, daß Du uns zürnest; und nun verstehst Du meine Rede so, als hätt' ich nur nach Deinem reichen Erbe getrachtet; aber ich sagte es ja schon; Ich bin Dir gut gewesen! Weißt Du denn nicht mehr, wie ich mit Dir geweint habe, wenn Du mir von den bösen Buben in der Schule und von der Strenge Deines Vaters erzähltest? Dann starb der Oheim –; Du zogst nach Asien –«
»Und Du,« unterbrach sie der Wegeführer hart und trocken, »brachst das Verlöbniß und wurdest des Rosselenkers Mena Gemahlin. Das weiß ich Alles; wozu das Gerede!«
»Weil es mir weh thut, daß Du mir zürnst und Deine gute Mutter unser Haus meidet. Wüßtest Du nur wie das ist, wenn Einen die Liebe erfaßt und man sich nicht mehr allein denken kann, sondern immer nur bei und mit und in den Armen eines Andern; wenn unser klopfendes Herz uns aus dem Schlafe pocht und wir selbst im Traume nichts erblicken als nur den Einen.«
»Und das wüßte ich nicht!?« rief Paaker, indem er sich mit gekreuzten Armen gerade vor sie hin stellte. »Das wüßte ich nicht? Warst Du es doch, die es mich kennen lehrte. Dacht' ich an Dich, so wogte kein Blut, sondern glühendes Feuer in meinen Adern und nun hast Du sie mit Gift erfüllt, und hier in dieser Brust, in der Dein Bild lieblicher strahlte als das der Hathor in ihrem Allerheiligsten, sieht es aus wie in jenem Meer im Syrerlande, das sie das ›todte‹ nennen, und in dem Alles stirbt und verdirbt, was in ihm zu leben versucht.«
Paaker's Augen rollten bei diesen Worten und seine Stimme klang heiser, als er fortfuhr:
»Aber Mena steht dem Könige nah, noch näher als ich, und Deine Mutter –«
»Meine Mutter,« unterbrach Nefert den Zürnenden, indem sie lebhaft erregt ihre Stimme erhob; »meine Mutter hat mir den Gatten nicht gewählt. Ich sah ihn, da er, dem Sonnengotte vergleichbar, auf dem Wagen des Königs dahinfuhr, und er bemerkte mich und schaute mich an, und dieser Blick drang mir wie eine Lanze tief in's Herz, und als er mich beim Geburtstagsfeste des Königs anredete, war es nicht anders, als wenn mich die Hathoren mit süß klingenden Fäden von goldenen Sonnenstrahlen umwöben. Und Mena ist es wie mir ergangen; er hat mir's selbst gesagt, nachdem er mein eigen geworden. Um Deinetwillen wies die Mutter seine Werbung zurück; ich aber wurde bleich und matt aus Sehnsucht nach ihm; und er verlor seinen frischen Muth und ward so traurig, daß es der König bemerkte und ihn fragte, was sein Herz bedrücke, denn Ramses liebt ihn wie seinen eigenen Sohn. Da hat Mena dem Pharao gestanden, daß Liebe seine Augen trübe und seine starken Hände schwäche, und nun warb der Höchste selbst um mich für seinen treuen Diener, und die Mutter gab nach und wir wurden Mann und Weib, und alle Wonnen, die die Gerechtfertigten in den Gefilden Aalu 45 genießen, sind schal und ärmlich neben der Seligkeit, in der wir Beide nicht wie sterbliche Menschen, sondern wie himmlische Götter schwelgten.«
Bis dahin hatte Nefert ihre großen Augen wie eine Verklärte gen Himmel gerichtet. Jetzt senkte sie den Blick und sagte leise; »Da brachen die Cheta 46 den Frieden, der Pharao zog in den Krieg und Mena mit ihm. Fünfzehnmal war der Mond aufgegangen über unser Glück und dann . . .«
»Und dann erhörten die Götter mein Gebet und nahmen meine Opfer an,« sagte Paaker mit bebender Stimme, »und rissen den Räuber meines Glücks von Dir und versengten Dein Herz und seines mit den Flammen der Sehnsucht. Glaubst Du, Du könntest mir Neues erzählen? Noch einmal war Mena fünfzehn Tage der Deine und noch ist er nicht wiedergekehrt aus dem Kriege, der heiß in Asien wüthet.«
»Aber er wird wiederkehren,« rief das junge Weib.
»Vielleicht auch nicht!« lachte Paaker. »Die Cheta führen scharfe Waffen und am Libanon gibt es der Geier viele, die vielleicht schon in dieser Stunde seinen Leib zerfleischen, so wie ihr mein Herz zerrissen habt.«
Nefert erhob sich bei diesen Worten, die ihre empfindliche Seele trafen wie Steinwürfe aus roher Hand, und versuchte ihr schattiges Asyl zu verlassen, um der Prinzessin in das Haus des Paraschiten zu folgen; aber ihre Füße versagten ihr den Dienst und sie sank zitternd auf ihren steinernen Sitz zurück. Sie suchte nach Worten, aber ihre Zunge war wie gelähmt. In grenzenloser innerer Noth, geängstigt, verlassen und erzürnt, sank ihre Widerstandskraft.
Wechselnde, wehe Empfindungen schlugen ungestüme, heiße Wogen in ihrem Busen, die höher und höher stiegen, ihren Athem hemmten und sich endlich Bahn brachen durch ein heftiges, krampfhaftes, ihren ganzen Organismus erschütterndes Weinen. Sie sah nichts mehr, sie hörte nichts mehr, sie vergoß nur noch Thränen und empfand, daß sie unglücklich sei.
Paaker stand ihr schweigend gegenüber.
Es gibt Bäume im Süden, an denen neben vertrockneten Früchten weiße Blüten hängen, es gibt Tage, an denen sich neben der hellen Sonne die bleiche Mondsichel zeigt, und dem Menschenherzen kann es gegeben sein, Liebe und Haß zugleich zu empfinden und dem gleichen