Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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und holte das Fläschchen mit dem Liebestrank aus dem Gürtel.

      Seine Finger zitterten, sein Hirn war umnebelt wie von berauschenden Dünsten; in seiner Brust aber tobten und jauchzten tausend Stimmen, die ihm zuzurufen schienen: »Greife zu, handle, brauche den Trank, jetzt oder nie!«

      Ihm war zu Muthe wie einem einsamen Wanderer, der auf seinem Wege das Testament eines verstorbenen Angehörigen findet, auf dessen Vermögen er hofft, und in dem er enterbt wird. Soll er's den Richtern überantworten, soll er's zerstören?

      Paaker war nicht nur ein werkthätiger Frommer, sondern hatte bisher auch überall nach den Vorschriften der Religion seiner Väter zu handeln vermeint. Der Ehebruch war eine schwere Sünde, aber hatte er denn nicht ältere Rechte auf Nefert, als der Rosselenker des Königs?

      Wer die schwarze Magie betrieb, sollte nach dem Gesetze mit dem Tode bestraft werden, 50 und die Alte war wegen ihrer bösen Kunst übel berufen; aber hatte er sie denn um des Liebestrankes willen aufgesucht? Konnte es denn nicht möglich sein, daß die Manen seiner Verstorbenen, daß die Götter selbst, von seinen Gebeten und Opfern gerührt, ihn durch einen Zufall, der einem Wunder glich, in den Besitz des Zaubermittels, an dessen Wirkung er keinen Augenblick zweifelte, gesetzt hatten?

      Die Gefährten Paaker's hielten ihn für einen Mann von raschen Entschlüssen, und in schwierigen Fällen handelte er in der That mit ungewöhnlicher Schnelligkeit; aber, was ihn bei diesen leitete, war keine geflügelte Leistung eines frischbereiten und wohlgeschulten Gehirns, sondern häufig nur die Folge des Ergebnisses eines Frage- und Antwortspiels.

      Amulete der verschiedensten Art hingen an seinem Halse und seinem Gürtel, alle von Priesterhand geweiht, von besonderer Heiligkeit und hohem Werthe.

      Blieb das Auge von Lapis lazuli, welches, von einem goldenen Kettchen gehalten, an seinem Gürtel hing, wenn er es zu Boden warf, derartig auf der Erde liegen, daß seine gravirte Seite gen Himmel schaute und die glatte den Boden berührte, so sagte er »ja«, im umgekehrten Falle hingegen »nein«. In seiner Geldtasche lag stets eine Statuette des schakalköpfigen Gottes Apheru, 51 der die Wege eröffnet. Diese warf er an Kreuzwegen auf den Pfad und er folgte der Richtung, nach welcher die spitze Schnauze des Bildwerkes hinwies. Am häufigsten zog er den Siegelring seines verstorbenen Vaters, ein altes Familienstück, welches der Oberpriester von Abydos auf das heiligste unter den vierzehn 52 Osirisgräbern gelegt und mit Wunderkraft ausgestattet hatte, zu Rathe. Er bestand aus einem goldenen Reifen mit einer breiten Siegelplatte, in welcher man den Namen des längst vergötterten Thutmes III., von dem er dem Ahnherrn Paaker's verliehen worden war, lesen konnte. Galt es den Ring zu befragen, so berührte der Mohar mit der Spitze seines bronzenen Dolches die gravirten Zeichen des Namens, unter denen drei sich auf die Gottheit bezogen, drei hingegen profane Gegenstände darstellten. Traf sie auf eines der ersteren, so meinte er, sein Osiris gewordener Vater sei einverstanden mit seinem Vorhaben, im entgegengesetzten Falle pflegte er von ihm abzugehen. Oftmals drückte er den Reifen an die Stelle seines Herzens und wartete auf das erste ihm begegnende lebende Wesen, welches er, wenn es von seiner rechten Seite herkam, für einen ermunternden, nahte es ihm von seiner linken Seite, für einen warnenden Boten seines Vaters ansah.

      Nach und nach hatte er in dieses Fragen ein förmliches System gebracht. Alles, was ihm in der Natur begegnete, bezog er auf sich und den Lauf seines Lebens. Rührend und kläglich zugleich war es, wie eng er mit den Manen seiner Verstorbenen zusammenlebte. Seine nicht hochfliegende, aber kräftige Phantasie verstand es, ihm, sobald er sie in Thätigkeit setzte, das Bild seines Vaters und eines früh dahingegangenen ältern Bruders immer in der gleichen Stellung, dabei aber greifbar deutlich, vor sein inneres Auge zu stellen.

      Aber er beschwor das Andenken an die geliebten Todten niemals, um ihrer in stiller Wehmuth, dieser holden Blume des Dornenstrauches der Schmerzen, zu gedenken, sondern immer nur zu eigensüchtigen Zwecken. Die Anrufung der väterlichen Manen hatte er als besonders wirksam bei diesen, die der brüderlichen, bei jenen Fragen und Wünschen erprobt, und so wandte er sich an die einen oder anderen mit der Sicherheit des geübten Zimmermanns, welcher selten zweifelt, wo er dem Beile, wo der Säge den Vorzug zu geben hat.

      Dieses Thun hielt er für ein den Göttern wohlgefälliges, und da er überzeugt war, daß die Geister seiner Verstorbenen nach ihrer Rechtfertigung aufgegangen seien in Osiris, d. h. als Bestandtheile der Weltseele nunmehr Theil hätten an der Leitung des Alls, so opferte er ihnen nicht nur in seiner Familiengruft, sondern auch in den dem Ahnenkultus geweihten Tempeln der Nekropole und mit besonderer Vorliebe im Setihause.

      Von Ameni und den anderen Priestern des von ihm geleiteten Heiligtums nahm er Rath, ja auch Tadel an, und so lebte er voller Tugendstolz des von seinen Meistern keineswegs in Frage gestellten Glaubens, zu den eifrigsten und den Göttern wohlgefälligsten Frommen seines Landes zu gehören. Auf Schritt und Tritt von übersinnlichen Mächten begleitet und geleitet, brauchte er keinen Freund und keinen Vertrauten. Im Felde wie in Theben blieb er auf sich selbst gestellt und galt unter seinen Genossen für einen verschlossenen, rauhen und stolzen, aber willensstarken Mann.

      Es war ihm gegeben, sich das Bild seiner verlorenen Geliebten mit gleicher Lebendigkeit wie die Gestalten seiner Verstorbenen vor die Seele zu zaubern. Das that er auch nicht nur in hundert stillen Nächten, sondern ebenso oft bei langen Ritten und Fahrten durch die schweigende Wüste.

      Solchen Gesichten pflegte ein heftiges Aufwallen seines Hasses gegen den Rosselenker und eine Reihe von brünstigen, dem Verderben des Letztern geltenden Gebeten zu folgen.

      Als Paaker die Schale mit dem Wasser für Nefert auf die Felsenplatte setzte und nach dem Fläschchen mit dem Liebestranke griff, war seine Seele so voll von Verlangen, daß der Haß keinen Raum in ihr fand; indessen vermochte sich der Mohar keineswegs der Besorgniß, daß er sich durch den Gebrauch des Zaubertrankes schwer versündigen werde, zu verschließen. Darum befragte er, eh' er die verhängnißvollen Tropfen in das Wasser goß, sein Ringorakel. Der Dolch berührte keines der heiligen Zeichen in der Siegelinschrift, und unter anderen Umständen würde er darum sein Vorhaben ohne Weiteres aufgegeben haben.

      Dießmal stieß er ihn unwillig in die Scheide, drückte den goldenen Reifen an sein Herz, murmelte den Namen seines osirischen Bruders und harrte des ersten auf ihn zukommenden lebenden Wesens.

      Ein solches ließ nicht lange auf sich warten, denn von der Berglehne ihm gegenüber erhoben sich mit langsamen Flügelschlägen zwei hellfarbige Geier.

      Mit ängstlicher Spannung folgte er ihrem sich höher und höher erhebenden Fluge. Eine Minute lang ließen sie sich regungslos von den Lüften tragen, umkreisten einander, wandten sich dann nach links und verschwanden hinter den Bergen, die Gewährung seines Wunsches versagend.

      Hastig griff er nach dem Fläschchen, um es von sich zu schleudern; aber die in seinen Adern tobende Leidenschaft hatte ihn der Herrschaft über seinen Willen beraubt, süß winkend stellte sich Nefert's Bild vor seine Seele, geheimnißvolle Mächte preßten seine bebenden Finger fest und fester um die Phiole und mit jenem Trotze, der ihm seinen Gefährten gegenüber eigen war, goß er die Hälfte des Liebestranks in das Wasser, ergriff er die Schale und näherte sich seinem Opfer.

      Nefert hatte inzwischen ihren schattigen Sitz verlassen und trat ihm entgegen.

      Schweigend ließ sie sich das Wasser reichen und trank es aus mit Lust und bis auf die Neige.

      »Danke,« sagte sie, nachdem sie ihren durch das gierige Schlürfen gehemmten Athem zurückgewonnen hatte. »Das hat mir wohlgethan! Wie frisch und säuerlich schmeckte das Wasser! Aber Deine Hände zittern und Du glühst von Deinem schnellen Laufe für mich, Du Armer.«

      Bei diesen Worten schaute sie ihn mit dem ihren großen Augen eigenen, innigen Glanze an und reichte ihm ihre Rechte, die er ungestüm an seine Lippen drückte.

      »Laß das,« sagte sie lächelnd, »da tritt die Prinzessin mit einem Priester aus der Hütte der Unreinen. Mit wie furchtbaren Worten Du mich vorhin erschreckt hast! Nun ja, ich gab Dir ja Grund, mir zu zürnen; aber jetzt bist Du wieder gut, hörst Du, und führst auch wieder Deine Mutter zu der meinen! Kein Wort! Ich will doch sehen, ob der Vetter Paaker mir den Gehorsam versagt!«

      Schelmisch


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