Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.war seine Wonne und doch erfüllte ihn der Anblick ihrer Schönheit mit heißer Leidenschaft, weilten seine Blicke wie gebannt auf ihrem schönen Leibe, hätte er die Seligkeit des Himmels geopfert, um sie einmal, nur einmal in seinen Armen halten zu dürfen, um einmal, nur einmal ein Wort der Liebe von ihren Lippen zu vernehmen.
Nach langen Minuten versiegten Nefert's Zähren. Mit müdem, beinahe gleichgültigem Blicke bemerkte sie den immer noch vor ihr stehenden Mohar, und leise und bittend sagte sie: »Meine Zunge verdorrt; schaff' mir doch ein wenig Wasser.«
Paaker erwiederte; »Die Prinzessin kann jeden Augenblick zurückkehren.«
»Aber ich verschmachte,« sagte Nefert und begann von Neuem leise zu weinen.
Da zuckte Paaker die Achseln und ging tiefer in das Thal hinein, das er wie das Haus seines Vaters kannte; waren doch in demselben die Grüfte der Ahnen seiner Mutter gelegen, in denen er als Knabe bei jedem Vollmonds- und Neumondstage Gebete gesprochen und Gaben auf den Altar gelegt hatte.
Die Hütte des Paraschiten war ihm zu betreten versagt, aber er wußte, daß kaum hundert Schritte von der Stelle, an welcher Nefert ruhte, ein altes, übel berufenes Weib, in deren Felsenhöhle es an einem Trunk Wasser nicht fehlen konnte, ihr Wesen treibe.
Halb berauscht von Allem, was seine Seele in den letzten Minuten empfunden und seine Augen geschaut hatten, eilte er vorwärts. Sein Denkvermögen war wie gehemmt von der leidenschaftlichen Bewegung seines Blutes.
Er fand die Thür, welche die Höhle der Alten bei Nacht vor den Einfällen der beutelustigen Schakale schützte, weit geöffnet, und ihre Bewohnerin saß unter einem, hier an dem Felsen, dort an zwei rohen Holzstäben befestigten, braunen, zerrissenen Stück Segeltuch und ordnete einen Haufen von hellen und dunklen Würzelchen, die in ihrem Schooße lagen. Neben ihr war ein Rad zu sehen, das sich zwischen einer hohen hölzernen Gabel drehte. Ein an einem Kettchen befestigter Wendehalsvogel hielt es, indem er bald auf diese, bald auf jene Speiche sprang, 47 in fortwährender Bewegung. Ein großer kohlschwarzer Kater kauerte neben ihr und beschnüffelte die Köpfe von Raben und Eulen, die erst vor Kurzem ihrer Augen beraubt worden waren.
Aus der Höhle, über deren Thür zwei Sperber hockten, drang der Rauch von verbrannten Wachholderbeeren, der die mancherlei Düfte unschädlich zu machen bestimmt war, welche von den verschiedenen und fremdartigen hier aufbewahrten Substanzen ausgingen.
Als Paaker sich der Höhle näherte, rief die Alte fragend in dieselbe hinein:
»Kocht das Wachs?«
Ein unverständliches Gemurmel ließ sich als Antwort vernehmen.
»So thu' das Affenauge 48 und die Ibisfeder und den Leinewandlappen mit dem schwarzen Zeichen hinein. Rühr' noch ein wenig! Nun lösch' das Feuer aus. Nimm den Krug und hole Wasser. Tummle Dich, da kommt ein Besucher!«
Ein dunkelschwarzes Negerweib, um deren magere Lenden sich ein zerrissenes farbloses Zeugstück schlang, trat bald darauf in's Freie, setzte ein großes Thongefäß auf ihre grauen, wolligen und verfilzten Haare und ging, ohne ihn anzusehen, an dem sich der Höhle nähernden Paaker vorüber.
Die Alte, ein schlank gewachsenes, aber von der Last der Jahre gebeugtes Weib, mit einem scharf geschnittenen und faltenreichen Gesichte, das einst schön gewesen sein konnte, traf ihre Vorbereitungen zum Empfange des Wegeführers, indem sie ein buntes Kopftuch über ihren Scheitel band, ihr blaues Baumwollenkleid unter dem Halse zusammenzog und eine faserige Matte über die Raben- und Eulenköpfe warf.
Paaker rief sie an; sie aber gab sich das Ansehen, als sei sie taub und vernehme nicht seine Stimme. Erst als er dicht vor ihr stand, erhob sie ihre klugen, blitzenden Augen und rief.
»Ein Glückstag, ein weißer Tag, der hohe Gäste bringt und hohe Ehre.«
»Steh' auf,« herrschte Paaker der Alten zu, indem er sie nicht grüßte, aber einen silbernen Ring 49 mitten auf die in ihrem Schooße ruhenden Wurzeln warf, »und gib mir gegen gutes Geld etwas Wasser in einem saubern Gefäße.«
»Schönes, echtes Silber,« sagte die Alte, indem sie den Ring, den sie schnell aus den Wurzeln hervorgeholt hatte, dicht unter ihre Augen hielt. »Das ist zu viel für bloßes Wasser und zu wenig für meine guten Tränke.«
»Schwatze nicht, Vettel, sondern eile!« rief Paaker, holte aus seinem Geldsack einen andern Ring und warf auch diesen in ihren Schooß.
»Du hast eine offene Hand,« sagte die Alte in der dialektfreien Sprache der höheren Stände. »Viele Thore werden sich Dir öffnen, denn das Gold ist ein Nachschlüssel, der in alle Thüren paßt. Wasser willst Du für die guten Ringe? Soll es gegen schädliche Thiere sein? Soll es Dir helfen, einen Stern herabzuholen? Soll es Dich geheime Pfade kennen lernen? – Denn Wege zu führen ist Deines Amtes. Soll es das Warme kalt oder das Kalte heiß machen? Soll es die Fähigkeit verleihen, in die Herzen zu schauen, oder soll es schöne Träume erzeugen? Willst Du das Wasser der Erkenntniß, um zu sehen, ob Dein Freund oder Dein Feind – hä? ob Dein Feind sterben wird? Brauchst Du einen Trank, um Dein Gedächtnis zu kräftigen? Soll Dich mein Wasser unsichtbar machen? Soll es den sechsten Zeh an Deinem linken Fuße beseitigen?«
»Du kennst mich?« fragte Paaker.
»Wie sollt' ich?« fragte die Hexe, »aber meine Augen sind scharf und gute Wasser weiß ich zu bereiten für Geringe und Große!«
»Geschwätz!« rief Paaker ungeduldig und faßte an die Geißel in seinem Gürtel. »Mach' schnell, denn die Frau, für welche . . .«
»Für ein Weib brauchst Du das Wasser?« unterbrach die Alte den Mohar. »Hätt' mir's denken können; es fragen freilich die alten Herren weit öfter nach meinen Liebestränken als die jungen; aber ich kann damit dienen, kann dienen.«
Die Alte zog sich bei diesen Worten in die Höhle zurück und erschien bald darauf wieder und trug ein dünnes, cylinderförmiges Fläschchen von Alabaster in der Hand.
»Das ist der Trank,« sagte sie, die Phiole dem Wegeführer reichend. »Die Hälfte wird in's Wasser gegossen und dem Weibe gereicht. Hilft's nicht das erste, so doch sicher das zweite Mal. Ein Kind kann das Wasser trinken, es wird ihm nichts schaden, und nimmt's ein Greis, so macht es ihn munter. Da! Ich kost' es Dir vor!« Und sie benetzte ihre Lippen mit einer weißen Flüssigkeit. »Es schadet nichts; aber mehr nehm' ich nicht davon, sonst würde die alte Hekt noch von Liebessehnsucht nach Dir geplagt werden, und das würde dem reichen Herrlein schlecht gefallen, hä, hä! Hilft das Tränklein nichts, so bin ich bezahlt genug, hilft's, so bringst Du mir noch drei goldene Ringe; und Du wirst kommen, ich weiß es!«
Paaker hatte der Alten regungslos zugehört und griff so heftig, als habe er einem gewalttätigen Gegner Trotz zu bieten, nach dem Fläschchen, stieß es in seinen Geldsack, warf noch einige Ringe der Hexe vor die Füße und verlangte nochmals, aber schnell, ein sauberes Gesäß voll Nilwasser.
»Hat's der Herr so eilig?« murmelte die Alte, indem sie von Neuem die Höhle betrat. »Er fragt mich, ob ich ihn kenne? Ihn sicherlich! Aber das Schätzchen? Wo mag es hier stecken? Vielleicht die kleine Uarda vom Paraschiten drüben! Schön genug ist sie; aber sie liegt ja gerädert auf der Matte und stirbt. Wollen sehen, was das Herrlein vorhat! Hätt' mir nicht gefallen, da ich jung war; wird aber doch zum Ziele kommen, denn er ist zäh und spart nicht.«
Während sie diese und ähnliche Worte vor sich hinmurmelte, füllte sie eine hübsche Schale von glasirtem Steingut mit filtrirtem Nilwasser, welches sie einem großen porösen Thonkrug entnahm, legte ein Lorbeerblatt, in welches zwei durch sieben Striche verbundene Herzen gekritzelt waren, auf die Oberfläche der klaren Flüssigkeit und trat in's Freie.
Als Paaker das Gefäß aus ihrer Hand nahm und das Lorbeerblatt betrachtete, sagte die Alte: »Schon dieß verbindet die Herzen. Drei ist der Mann, Vier ist das Weib, Sieben das Untheilbare. Chaach, chachach charcharachacha.«
Die Alte sang diese Beschwörungsformel nicht ohne Kunst; aber der Mohar schien nicht auf ihren Galimatias zu hören, sondern stieg behutsam in das Thal zurück und wandte sich dem Ruheplatze der Gattin des Mena zu.
Vor