Infiziert. Teri Terry

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Infiziert - Teri Terry


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Gerät ein, sagt seinen Namen, wo wir uns befinden, den Tag und die Uhrzeit. Er schaut mich an. »Bitte nenn mir deinen vollen Namen.«

      Mit einem Seitenblick zu Kai sage ich seufzend: »Sharona Addy McAllister. Genannt Shay.«

      »Nun gut, Shay. Erzähl mir doch bitte, was du letztes Jahr am 29. Juni gesehen hast.«

      Also beschreibe ich alles bis ins kleinste Detail, besonders den Mann und den Wagen. Und da ich die Situation gestern Nacht wieder und wieder durchgegangen bin, ist eine Menge zusammengekommen. Ich zeichne sogar die obere Hälfte des Nummernschildes auf eine Serviette, wobei ich nicht glaube, dass sie damit etwas anfangen können.

      Als ich endlich fertig bin, schaltet Dougal den Rekorder aus. Er sieht mich seltsam an. Kai auch irgendwie. Wahrscheinlich, weil ich ihm nichts von den Dingen gesagt habe, die mir über Nacht noch eingefallen sind.

      »Das sind aber ziemlich viele Einzelheiten«, sagt Dougal schließlich.

      »Ich habe nichts dazuerfunden.«

      »Aha.« Er wirkt skeptisch. Kai sieht mich auch fragend an.

      »Ich habe eine Art fotografisches Gedächtnis. Ich merke mir nicht alles, nur worauf ich achte.« Ich halte die Speisekarte hoch. »Ich kann die Karte jetzt nicht auswendig, weil ich nicht darauf geachtet habe.«

      »Aber was sich vor einem Jahr ereignet hat, weißt du noch ganz genau.« Er glaubt mir nicht, das merke ich.

      »Okay. Dann beweise ich es Ihnen.«

      Ich schaue mich um. Im Moment sind alle anderen Tische leer. Die Kellnerin tut so, als würde sie lesen. So nahe, wie sie sitzt, bekommt sie jedes Wort unserer Unterhaltung mit, und sie hat noch keinmal die Seite umgeblättert.

      »Entschuldigen Sie. Könnte ich Ihr Buch mal kurz haben?«, frage ich.

      Als sie es mir reicht, stöhne ich auf. Fifty Shades of Grey. Das hat mir gerade noch gefehlt.

      »Wählen Sie eine Seite, irgendeine, und zeigen Sie sie mir dann«, bitte ich Dougal.

      Mit einem Achselzucken schlägt er das Buch irgendwo auf und reicht es mir.

      Für den Bruchteil einer Sekunde schaue ich auf die Seite, konzentriere mich. Dann gebe ich es ihm zurück und deute zum Anfang der Seite. Die Seite vor Augen, beginne ich zu lesen. Wort für Wort. Als ich beim dritten Absatz angelangt bin, wird die Sache sehr fifty-shadig und zum Glück bedeutet Dougal mir aufzuhören. Ich habe schon rote Ohren.

      Als ich der Kellnerin das Buch zurückgebe, starrt sie mich mit offenem Mund an. Das wird heute noch Dorfgespräch und morgen weiß es die ganze Schule. Na toll.

      Dougal trommelt mit einem Stift auf dem Tisch herum. »Gut. Okay, dann nehmen wir uns der Sache mal an. Vielleicht finden wir ja jemanden, der das Nummernschild entschlüsseln kann.« Damit schnappt er sich mein Serviettengemälde. »Wenn wir was herausbekommen, melden wir uns bei dir und deiner Mutter, Kai.« Dougal schüttelt uns beiden die Hand, dann verschwindet er durchs Gartentor.

      Kai sieht mich mit großen Augen an.

      Ich seufze. »Okay. Jetzt weißt du, dass ich ein Freak bin.«

      »Nein, du bist unglaublich klug und toll.« Kai zieht mich aus dem Stuhl und umarmt mich.

      Sein T-Shirt fühlt sich warm und weich an, darunter klopft sein Herz. Mit allen Sinnen sauge ich ihn in mir auf. An diesen Moment will ich mich erinnern.

      Als er mich loslässt, bin ich verlegen.

      »Hoffentlich findest du sie«, sage ich. »Hoffentlich geht es ihr gut. Sagst du mir Bescheid?«

      »Danke. Und natürlich sage ich dir Bescheid, Sharona

      Ich verdrehe die Augen. »Nun kennst du meine beiden Geheimnisse.«

      »Sei froh, dass es nur zwei sind. Aber dafür verrate ich dir jetzt auch ein Geheimnis.«

      »Was denn?«

      Kai kommt näher. »Eigentlich heiße ich mit erstem Namen Geordie. Du verstehst also, dass ich lieber meinen zweiten Namen nutze.«

      Nur mit Mühe kann ich mir das Lachen verbeißen. »Geordie der Geordie.«

      »Als wir vor fünf Jahren nach Newcastle gezogen sind, bin ich wegen des Namens ständig in Schlägereien geraten. Du kannst es dir nicht vorstellen! Aber ich sage nichts, wenn du nichts sagst.«

      »Abgemacht. Und jetzt muss ich los. Mum wartet schon auf mich.«

      »Tschüss, Shay. Und danke noch mal.« Er schaut mich lieb an.

      Dennoch reiße ich mich von ihm los und stürme durch die Pforte.

      Ich schaue auf die Uhr. Mit Mum hatte ich vereinbart, dass ich sie von der Arbeit abhole und sie mich dann nach Hause fährt. Wahrscheinlich wundert sie sich, wo ich so lange bleibe. Allerdings haben wir auch keine genaue Zeit ausgemacht, deshalb muss ich mich nicht unbedingt beeilen. Ich habe das Bedürfnis, einen Moment allein zu sein. Also biege ich nicht links zum Pub ab, sondern laufe nach rechts Richtung Park.

      Ich drehe mich noch einmal zum Café um. Kai steht am Tisch und sieht mir hinterher. Er winkt. Ich winke zurück, und weil ich beim Laufen nicht nach vorne schaue, knalle ich fast gegen den Betonpfeiler beim Parkeingang. Hastig fange ich mich ab und sehe mich abermals um. Kai ist verschwunden.

      Vielleicht hat er meinen anmutigen Fehltritt nicht bemerkt.

      Ja, klar.

      Ich laufe durch den Park. Am hölzernen Zaunübertritt am Ende des Parks bleibe ich unschlüssig stehen. Von dort gelangt man auf einen Trampelpfad, der den Berg hinaufführt. Es ist einer meiner Lieblingswege, weil man dort kaum jemanden trifft. Ich klettere über den Übertritt, dahinter liegt eine Wiese und hinter der Wiese führt ein weiterer Übertritt zu einem Eichenwald. Der Weg geht steil bergan, aber zur Abwechslung treibe ich mich mal nicht zur Eile, sondern laufe gemächlich. In Gedanken bin ich wieder bei dem Moment, als Kai mich umarmt hat.

      Träum weiter, Shay. Wegen Calista war die Stimmung emotional aufgeheizt, er ist nur dankbar, dass ich ihm wieder Hoffnung gegeben habe. Mehr nicht.

      Aber ich verharre in diesem Moment. Verliere mich darin …

      Auf einmal packt mich jemand von hinten an der Schulter.

      »Na, wen haben wir denn hier? Diesmal sind wir ganz allein, My Sharona

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      SHETLAND INSTITUTE, SCHOTTLAND

      Time Zero: 8 Stunden

      Bald schreien die Menschen nicht bloß im Kino. Ich folge den verzweifelten Rufen, laufe durch Korridore und Zimmer. Überall Kranke.

      Sie werden sterben und das freut mich. All diese Schwestern, Ärzte und Techniker, die den Menschen Spritzen verabreichen, ihnen beim Sterben zusehen und Notizen machen; die Menschen verbrennen, ihre Asche aufsaugen und in Beuteln in einer unendlichen Kammer des Todes aufbewahren; sie verdienen es nicht anders.

      Und die Wissenschaftler und die anderen in den unteren Stockwerken auch. Ich weiß nicht genau, was sie mit alldem zu tun haben, aber sie müssen mit drinhängen. Hatte die Schwester nicht gesagt, dass der Kontrollraum unter Quarantäne steht? Zu spät wohl, denn die Frau im weißen Kittel, die als Erste im Kino kollabiert ist, hat den Kontrollraum ganz klar schon vorher verlassen. Sie hat es nach oben mitgebracht.

      Überall herrscht Panik. Einzelne Abteilungen werden abgeriegelt, um etwas wegzusperren, was sich nicht wegsperren lässt. Viele von denen, die noch nicht erkrankt sind, tragen Schutzanzüge, aber es scheint nicht genügend zu geben. Die Leute haben Angst, selbst die mit Anzügen. Haben sie sich rechtzeitig vermummt? Werden sie überleben oder sterben?

      Sie


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