Infiziert. Teri Terry

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Infiziert - Teri Terry


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schließlich. »Erst ist die Wut mit mir durchgegangen und dann …« Er zuckt die Achseln, beendet den Satz nicht.

      »Also ich fand’s echt nett, dass du dem Loser aufs Maul gehauen hast. Aber einmal hätte gereicht.«

      »Ich weiß. Jetzt weiß ich das auch.« Kai runzelt die Stirn. »Irgendwie habe ich dich und meine Schwester durcheinandergebracht. Was mit ihr geschehen ist und mit dir heute.«

      »Ich bin kein Kind. Ich kann auf mich selbst aufpassen.«

      »Klar.« Er grinst verschmitzt. »Ich habe ja gesehen, wie du ihm auf den Fuß getrampelt bist. Wetten, dass der morgen keinen Schritt mehr tut!«

      »Wolltest du nicht gerade noch was sagen?«

      »Ja, das danach tut mir auch leid.«

      Es dauert, bis der Groschen fällt. »Was, weil du geweint hast? Weil du ein Mensch bist?«

      »Ja, genau. Viel zu viel Mensch. Das muss aufhören.« Jetzt blitzt ihm der Schalk aus den Augen.

      »Du kannst doch nicht ständig deine Gefühle unterdrücken. Sonst platzen sie irgendwann einfach raus. Davon kann Duncan jetzt ein Lied singen.«

      »Heißt der Typ so?«

      Ich nicke.

      »Meinst du, dass der dich jetzt in Ruhe lässt? Sagst du mir Bescheid, wenn er noch mal Probleme macht?«

      »Duncan ist ein Feigling. Nach der Aktion heute wird er einen großen Bogen um mich machen.« Hoffe ich. Bloß mit ein bisschen Fantasie kann mir Duncan das Leben in der Schule auch so zur Hölle machen. »Über den will ich nicht mehr reden.«

      »Worüber willst du denn reden?«

      Im Grunde gibt es nur einen Menschen, über den Kai dringend reden müsste, aber garantiert nicht reden will. Ich gebe mir einen Ruck: »Erzähl mir von deiner Schwester.«

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      SHETLAND INSTITUTE, SCHOTTLAND

      Time Zero: 4 Stunden

      Lautes Knallen im Gang. Schüsse?

      Schreie ertönen, nur klingen sie anders als die der Kranken. Überrascht. Erstickt. Weitere Schüsse.

      Ich folge den Geräuschen. Der Weg führt zurück zur Cafeteria. Die Türen stehen offen, ein Wachmann liegt erstochen davor, das Messer ragt noch aus seinem Körper. Sein Schutzanzug ist zerrissen, Blut sickert aus der Wunde.

      In der Cafeteria liegen weitere Menschen blutend und reglos am Boden.

      Zwei Wachen haben die Gewehre auf die wenigen verbliebenen Menschen drinnen gerichtet. Wo sind die anderen?

      Wieder folge ich den Geräuschen. Schnelle Schritte. Rufe. Schüsse. Noch ein Toter am Boden und noch einer. Ich überhole die Wachen, die eine Handvoll Menschen um die Ecke jagen und in die Arme einer weiteren Gruppe mit Wachmännern treiben. Die Menschen weichen zurück, doch nun sind sie gefangen zwischen den beiden Wachmannschaften. Obwohl sie sich mit erhobenen Armen ergeben, fallen Schüsse, ertönen Schreie. Die Menschen gehen zu Boden.

      Warum bringen sie sich gegenseitig um?

      Mir ist schlecht, ich möchte mir die Seele aus dem Leib kotzen, aber nicht einmal das kann ich mehr.

      Warum bringen sie sich gegenseitig um, wenn ohnehin schon so viele im Sterben liegen?

      Ich muss hier raus. Egal wie.

      Aber sämtliche Wege enden in einer Sackgasse.

      Wenn alle hier sterben, bin ich zum Schluss mit den Leichen und Geistern für immer eingesperrt!

      Es muss einen Weg heraus geben.

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      KILLIN, SCHOTTLAND

      Time Zero: 3 Stunden

      Kai zögert, und ich habe schon Angst, dass er nicht will. Doch dann beginnt er zu erzählen. Am Anfang noch stockend, aber dann taut er immer mehr auf, berichtet, dass Calista zu früh auf die Welt kam und winzig klein war wie eine Puppe. Dass sein Name ihr erstes Wort war. Dass sie ihn in den Wahnsinn trieb, weil sie ihm überallhin folgte, sobald sie laufen konnte. Dass sie gerne las und Sport nicht mochte, aber trotzdem bei all seinen Fußballspielen zusah, auch wenn sie dabei immer ein Buch auf den Knien hatte.

      Dass er sie geliebt hat.

      Kaum ist er in Fahrt gekommen, ist er nicht mehr zu bremsen.

      Und die ganze Zeit hält er meine Hand wie eine Rettungsleine.

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      SHETLAND INSTITUTE, SCHOTTLAND

      Time Zero: 2 Stunden

      KA-BOOM!

      Die Explosion ist laut wie hundert Donnerschläge. Die Erde bebt, als gefiele ihr der Ort genauso wenig wie mir.

      Dagegen ist das Geschrei richtig leise.

      Offenbar hat die Explosion meinem Gehirn auf die Sprünge geholfen, denn ich kapiere endlich, wohin die Menschen liefen, als sie erschossen wurden. Da standen Wachen. Was haben die denn beschützt? Die Leute wollten fliehen. Das muss der Weg nach draußen sein!

      Ich will nicht dahin zurück. Ich will das Blut und die Leichen nicht sehen.

      Aber mir bleibt nichts anderes übrig.

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      KILLIN, SCHOTTLAND

      Time Zero: 1 Stunde

      Nach einer Weile verstummt Kai, aber es ist nicht das Gleiche wie heute Morgen, als er dichtgemacht hat. Diesmal schweigt er, weil alles gesagt ist.

      Die Uhr tickt, draußen rascheln die Blätter im Wind. Kai lässt meine Hand los, doch nur, um den Arm um mich zu legen.

      Erst lehnt mein Kopf bloß an seiner Schulter, dann schmiege ich mich an seine Brust, alles ist ganz natürlich, ich frage mich auch nicht, wie es weitergehen soll, es ist einfach schön, gemeinsam hier zu sitzen. Ganz still.

      Mir fallen die Augen zu, der fehlende Schlaf von gestern macht sich bemerkbar, auch wenn ich in diesem Moment unbedingt wach bleiben möchte.

      Mit Kais Herzschlag am Ohr döse ich ein. Immer wieder, während er mir sanft über den Kopf streichelt.

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      SHETLAND INSTITUTE, SCHOTTLAND

      Time Zero: 40 Minuten

      Die Leichen sind noch da, aber sie wurden zur Seite geschafft. Auf einen Haufen gestapelt. Die Wachen sind fort.

      Sind sie geflohen?

      Wenn ja, haben sie die Tür hinter sich geschlossen. Die ist nämlich versiegelt, dicht versiegelt. Nirgends ein Spalt für mich zum Durchschlüpfen.

      Rauch zieht in den Flur. Das schnelle Trampeln von Füßen erklingt, kommt näher.

      Wieder Leute aus der Cafeteria? Auch sie versuchen sich vergeblich an der Tür. Sie bleibt verschlossen.

      »Wir


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