Infiziert. Teri Terry

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Infiziert - Teri Terry


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werden, um ihnen beim Sterben zuzusehen?

      Es muss dieser Dr. 1 sein, der Einzige, der nur eine Zahl und keinen Namen hat. Vor ihm kuschen alle. Ist er auch hier? Wenn ja, dann hat er den Tod als Erster verdient. Bloß wo ist er?

      Wer könnte das wissen? In der Cafeteria halten sich eine Menge Leute auf, aber essen tut keiner mehr. Ihnen steht die Angst ins Gesicht geschrieben, hier trägt keiner einen Schutzanzug.

      Ich schwebe umher, lausche. Wenn er unter diesen Leuten ist, erkenne ich ihn vielleicht nicht, denn er hat immer einen Schutzanzug getragen. Ich weiß nur, dass er groß ist. Doch seine samtweiche Stimme erkenne ich garantiert wieder.

      Manche sitzen allein am Tisch, starren mit leerem Blick vor sich hin, als hätte man sie abgeschaltet.

      Andere hängen zu zweit oder dritt zusammen. Weinen und flüstern leise oder keifen laut herum.

      »Ich habe es ihm nie gesagt. Hätte ich es ihm doch bloß gesagt. Nun wird er nie erfahren, was mit mir passiert ist …«

      »Was geht hier vor? Warum informiert uns keiner?«

      »Meine Enkelin wird nächste Woche zwölf. Da habe ich extra freigenommen. Vor ihrer nächsten Chemo wollten wir doch in die Harry-Potter-Welt. Jetzt werde ich sie nie mehr wiedersehen. Ich habe ihr nie gesagt, warum ich immer weg war und was wir hier gemacht haben. Es war alles umsonst. Wir haben kein Heilmittel gefunden.«

      Ich halte inne. Die Stimme und auch der Rest kommen mir doch bekannt vor: Schwester 11. War das blasse Mädchen auf dem Foto ihre Enkelin?

      Vor ihrer nächsten Chemo. Hat ihre Enkelin also Krebs und sie möchte ihr helfen? Redet sie darum von einem Heilmittel, und sie machen hier Menschenversuche, um ein Mittel gegen Krebs zu finden?

      Am Eingang gibt es einen Tumult. Drei weitere Leute werden in die Cafeteria geschubst und die Tür wird hinter ihnen verrammelt. Sie hämmern dagegen. »Lasst uns raus!«

      Andere gehen zu ihnen. »Was ist da los? Warum sagt uns niemand was?«

      »Die Lautsprecheranlage ist ausgefallen. Alle, die nicht erkrankt sind, kommen hier in die Cafeteria. Die anderen werden woanders hingebracht.«

      Die Leute sehen sich um, als würden sie kurz durchzählen, überlegen, wer fehlt.

      »Nur was passiert, wenn einer von uns es hier kriegt?«

      »Die Frage ist ja wohl eher, wann.«

      »Das ist ja der reine Wahnsinn. Die können uns nicht einfach hier einsperren. So verbreitet es sich doch viel leichter. Wenn auch nur einer es hat, bekommen es alle.«

      »Aber sie müssen doch Quarantäne verhängen. Sonst gelangt es womöglich nach draußen.«

      »Und wir sind egal? Warum gibt es nicht genügend Schutzanzüge?«

      »Wo ist er? Wo ist Dr. 1?«

      Die letzte Frage kommt von einer erbosten Frau mit durchdringender Stimme. Alle sehen jetzt erschrocken aus, so als dürfte man das nicht fragen.

      Also ist er nicht hier. Und keiner von den Leuten hat einen Schimmer, was vor sich geht. Ich schlüpfe unter dem Türspalt durch nach draußen.

      Auf der anderen Seite stehen jetzt Wachen. Mit richtigen Waffen. Vorhin waren die noch nicht da. Auch die Wachleute tragen Schutzanzüge, aber sie sehen anders aus. Schwerer. Die Wachen sprechen miteinander, bloß verstehe ich nicht, was sie sagen.

      Von innen wird weiter gegen die Tür gehämmert.

      Zwischen den Wachen entbrennt eine Diskussion. Dann gibt einer einem anderen ein Zeichen.

      »Geht einen Schritt zurück und wir öffnen die Tür!«, bellt er in Richtung Kantine. Nun ist seine Stimme deutlich zu vernehmen.

      Die anderen Bewaffneten rücken näher zusammen und stellen sich im Halbkreis vor der Tür auf.

      Dann öffnet der Sprecher die Tür zur Cafeteria.

      »Was ist los?«

      Ein Schwall von Fragen prasselt auf ihn ein, aber er hört gar nicht hin.

      Er hebt die Hand und irgendwie übertönt er die anderen mit seiner Stimme. Wahrscheinlich hat er ein Megafon in seinem Anzug. »Ja, ich weiß. Wir sitzen hier alle unter der Erde fest und manche von uns sterben. Wir geben unser Bestes, um eine Ausbreitung zu verhindern. Sie müssen im Moment einfach etwas Geduld haben und hier warten.«

      »Was ist mit Dr. 1?«, brüllt ein Mann. »Wo ist er? Ist er überhaupt noch auf der Insel?«

      Die Wache wendet sich ihm zu, mustert ihn, als würde er die Antwort abwägen. Dabei packt er die Waffe noch fester. Doch dann zuckt er die Achseln. »Das wüsste ich auch gern! Und jetzt los. Gehen Sie wieder rein und setzen Sie sich! Entspannen Sie sich! Wir überwachen den Raum mit einem Temperaturscanner. Bekommt jemand Fieber … wird er sofort entfernt! Seien Sie froh, dass Sie hier sind und nicht dort, wo Sie dann hinkommen.«

      Die Leute verstummen und die Türen werden verschlossen.

      Der Wachmann, der mit den Leuten gesprochen hat, dreht sich zu einem Kollegen um. Offenbar hat der etwas gefragt. Achselzuckend antwortet er: »Man hat versucht, ihn zu erreichen, aber die Kommunikation ist unterbrochen. Jemand wurde nach oben geschickt, um nachzusehen, ob er in seinem Haus ist. Er hat sich nicht wieder gemeldet. Vielleicht ist er abgehauen oder …« Und als würde ihm plötzlich klar, dass er den Lautsprecher nicht abgestellt hat, verstummt er, obwohl sich die Lippen hinter dem Visier weiter bewegen.

      Okay, einer der Leute meinte gerade, wir sind auf einer Insel?

      Insel heißt, umgeben von Wasser. Offene und weite See. Jetzt will ich noch dringender hier raus, der Brandung lauschen, die salzige Luft atmen. Auf einmal steigt eine Erinnerung in mir hoch, an das Meer, an einen Urlaub. Jemand Großes hält meine Hand, während ich barfuß am Strand stehe und mir der Sand durch die Zehen quillt. Quiekend und lachend hüpfe ich herum, als eine kalte Welle Füße und Knöchel umspült.

      Kann ich das Meer überhaupt noch fühlen und riechen, so wie ich jetzt bin?

      Ich muss es wissen.

      Und wenn Dr. 1 dort oben ist, habe ich noch einen Grund mehr.

       Lasst mich raus!

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      KILLIN, SCHOTTLAND

      Time Zero: 7 Stunden

      So sehr ich mich auch drehe und winde, ich komme nicht los. Duncan ist zu stark und dieses Mal konnte ich ihn nicht überraschen.

      »Du hast mir neulich echt wehgetan, Sharona. Meine Gefühle verletzt. Machst immer einen auf nett und dann so was.«

      »Tut mir leid. Lass mich los!«

      »Tut es dir auch wirklich leid? Das glaube ich dir nicht. Beweis es mir. Küss mich, aber richtig, mit Zunge. Dann lass ich dich vielleicht gehen.« Und damit versucht er, mich gewaltsam herumzudrehen. Sein heißer Atem an meinem Hals.

      Vergeblich wehre ich mich. Ich habe Angst, doch Duncan drückt mir von hinten so den Brustkorb ab, dass ich nicht einmal schreien kann. Ist ja ohnehin keiner in der Nähe, der mich hören könnte.

      In dem Moment fällt mir wieder ein, dass ich schwere Stiefel trage. Ich trete ihm mit voller Wucht auf den Fuß. Und als er vor Schmerz aufschreit, hole ich noch mal aus und treffe mit der Hacke sein Schienbein.

      Duncan gibt mich frei.

      Mit erhobenen Fäusten wirbele ich herum, aber Kai kommt mir zuvor. Er schlägt einmal zu, noch mal und noch mal. Duncan geht stöhnend zu Boden, hält schützend die Arme über den Kopf.

      Kai packt ihn bei der Schulter, zerrt ihn auf


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