Verbotene Liebe - Liebesroman. Marie Louise Fischer
Читать онлайн книгу.Kortner war so verdutzt, daß sie fast gegen ihren Willen sagte: „Bitte, kommen Sie ins Wohnzimmer.“
Das Wohnzimmer war ein freundlich eingerichteter Raum, der gemütlich hätte wirken können, wenn er nicht so überaus aufgeräumt gewesen wäre. Jeder Stuhl, jedes Kissen, jedes Ding hatte seinen ganz bestimmten Platz. Es sich hier bequem zu machen, hätte einer Entweihung geglichen. Die Möbel waren weder alt noch neu, durchaus nicht häßlich, aber unpersönlich, als wären sie nach dem Katalog eines Versandhauses bezogen worden. Es gab einen üppig wachsenden Gummibaum, dessen glänzende Blätter verrieten, daß sie jeden Tag abgestaubt wurden.
Über der Couch dominierte das Bild einer bayrischen Landschaft in Öl. Auf einem Büfett standen zahlreiche Familienfotos, sorgfältig gerahmt und hinter Glas: Sabine als Baby, Sabine als Schulkind, Sabine als Teenager, Sabine und immer wieder Sabine. Ein größeres oval gerahmtes Foto zeigte das Brustbild eines blonden Herrn mit lustigen Augen. Peter Hartmann war sicher, daß es sich um Sabines tödlich verunglückten Vater handelte.
Er hatte Zeit genug, sich umzusehen, denn es dauerte eine ganze Weile, bis Frau Kortner, die die Tür sorgfältig hinter sich geschlossen hatte, wieder eintrat.
„Sabine kommt gleich“, sagte sie, und in ihrer Stimme klang äußerste Mißbilligung.
„Hübsch haben Sie es hier“, erklärte Peter Hartmann, dem daran lag, Sabines Mutter für sich zu gewinnen.
„Es ist sicher nicht so elegant, wie Sie es von zu Hause gewohnt sind“, gab Frau Kortner spitz zurück. „Wir sind einfache Leute . . .“
Eine peinliche Pause entstand. Peter Hartmann fiel beim besten Willen nichts ein, womit er dieses Gespräch hätte fortsetzen können. Er war unendlich erleichtert, als die Tür sich öffnete und Sabine ins Zimmer trat. Ihre Augen waren vom Weinen etwas gerötet, ihr hübsches blaues Leinenkleid war leicht zerknittert.
„Sabine!“ Peter trat mit einem raschen Schritt auf sie zu. „Sabine, sei mir nicht böse, daß ich dich so überfalle, aber ich habe es einfach nicht ausgehalten. Ich mußte dich heute noch sehen!“
Bei diesen impulsiven Worten schmolz der letzte Rest von Erbitterung und Groll in ihrem Herzen dahin. „Peter“, sagte sie strahlend, „ich bin ja so froh!“
„Warst du sehr enttäuscht? Es hat mir so leid getan, aber mein Vater . . .“
„Du brauchst mir nichts zu erklären“, sagte Sabine mit einem Seitenblick auf ihre Mutter.
Peter Hartmann verstand sofort. „Du hast recht, wir wollen nicht mehr darüber sprechen. Wir fahren jetzt irgendwohin zum Essen. Nachher vielleicht ein bißchen tanzen . . . Sie haben doch nichts dagegen, Frau Kortner?“
„Meine Tochter ist erwachsen, Herr Hartmann. Sie kann tun und lassen, was sie für richtig hält.“ Frau Kortner ließ zwischen ihren Worten deutlich durchblicken, wie sehr sie Sabines Verhalten verurteilte.
Sabine überhörte es. „Dann bis nachher, Mutter“, sagte sie und drückte ihr einen herzlichen Kuß auf die Wange. „Komm, Peter! Ich hab’ wirklich Hunger!“
„Dann fahren wir in,Gustl’s Kanne‘. Einverstanden?“
„Wohin du willst!“
Auf der Fahrt in das elegante Eßlokal erklärte Peter noch in allen Einzelheiten, warum er zu dem Rendezvous am Nationaltheater nicht kommen konnte.
„Ich war ganz verzweifelt“, sagte er, „aber was sollte ich machen? Zu Hause hast du kein Telefon, und in der Kanzlei wollte ich nicht anrufen . . .“
„Es war blöd von mir, so beleidigt zu reagieren“, gestand Sabine. „Ich hätte mir gleich denken sollen, daß etwas Geschäftliches dazwischengekommen ist.“
„Was hast du dir denn gedacht?“
Sabine senkte den Blick. „Ich weiß nicht. Dieser Erich Krüger hat so komische Bemerkungen gemacht . . .“
„Das sieht ihm ähnlich! Er kann die blöden Witze nicht lassen! Ich glaube, dem werd’ ich mal Bescheid geben müssen.“ Peter Hartmann zog den roten Porsche rasant durch eine Kurve. „Aber ansonsten ist er ein guter Junge. Man darf ihn bloß nicht ernst nehmen.“
„Ihr seid Freunde?“
„Na, wie man’s nimmt. Ich habe am Anfang meines Studiums ein Jahr lang mit ihm in der gleichen Bude gehaust. Sowas verbindet.“
„Ich war ziemlich abweisend zu ihm. Glaubst du, er wird mir das übelnehmen?“
„Ach was! Mach dir darüber keine Gedanken! Das werd’ ich schon wieder einrenken.“ Er legte den Arm um Sabines Schulter und drückte sie liebevoll an sich. „Ich bin so froh, daß ich diesen Abend doch noch mit dir verbringen kann. Freust du dich auch?“
„Ja, Peter“, sagte sie und kuschelte ihren Kopf an seine Schulter.
„Viel mehr Sorgen macht mir deine Mutter. Sie ist nicht gerade gut auf mich zu sprechen . . .“ Er nahm die zweite Hand wieder ans Lenkrad.
„Auf keinen Mann.“ Sabine wurde plötzlich ernst. „Aber das ist mir egal!“
Eine kleine Pause entstand. Dann sagte Peter mit veränderter Stimme: „Sabine, vielleicht hältst du mich jetzt für verrückt . . . Aber ich . . . ich meine es ernst mit dir . . .“
Sie hielt den Atem an, ihr Herz begann wild zu pochen. Sprich weiter! flehte sie im stillen. Liebster, sprich bitte weiter . . .
Peter starrte durch die Windschutzscheibe. „Du bist die erste Frau, die mir etwas bedeutet.“
Er trat auf die Bremse, brachte den offenen Sportwagen am Bordstein zum Stehen und nahm Sabine, ohne sich um die Passanten zu kümmern, in die Arme. „Sabine, ich liebe dich! Ich liebe dich mehr als alles auf der Welt!“
Ihre Antwort, das selige Geständnis ihrer Liebe zu ihm, erstickte in seinem Kuß . . .
Das Restaurant „Die Kanne“ in der Maximilianstraße war mehr als gut besetzt. Es ist ein berühmtes Feinschmeckerlokal und wird von Künstlern, Wissenschaftlern, Medizinern und von Verliebten besucht. Der Ober führte Peter und Sabine zu einem freien Tisch, auf dem eine goldene, nach Honig riechende Kerze flackerte.
Peter ließ sich die Speisekarte bringen. „Auf was hast du Lust?“ fragte er. „Vielleicht Schnecken als Vorspeise? Magst du Schnecken, Sabine?“
Er blickte von der Speisekarte auf, wurde plötzlich blaß unter der braunen Haut.
„Was hast du?“ fragte Sabine erschrocken.
„Mein Vater . . . Bitte, dreh dich nicht um. An dem Tisch schräg hinter dir sitzt mein Vater mit Geschäftsfreunden!“
„Und?“ fragte sie. Dann las sie in Peters Augen das drohende Unheil, und ihr Körper verkrampfte sich. „Was ist?“ flüsterte sie angstvoll.
„Er hat uns gesehen. Er steht auf . . . Er . . . er kommt an unseren Tisch!“
Sabine wagte nicht, sich umzusehen, dem näherkommenden Mann entgegenzublicken. Unwillkürlich zog sie den Kopf zwischen die Schultern. Sie starrte in Peters bleiches Gesicht.
Er stand auf und sagte mit beherrschter Stimme: „Guten Abend, Vater!“
Der Schatten des großen Mannes fiel zwischen die Liebenden.
Paul Hartmann verzichtete auf jeden Gruß. „Ich habe mit dir zu sprechen.“
Peter hielt dem Blick seines Vaters stand. „Du siehst, daß ich nicht allein bin“, sagte er gefaßt. „Darf ich dich mit Fräulein Sabine Kortner bekannt machen?“
Jetzt erst sah Paul Hartmann die Freundin seines Sohnes an. Aus seinen dunklen Augen – so ähnlich denen seines Sohnes und doch so anders – glänzte eisige Kälte. Sein Gesicht verriet die zwingende Kraft eines Mannes, der seit Jahren gewohnt war zu befehlen.
Sabine erhob sich zögernd und