Das Feuer. Henri Barbusse

Читать онлайн книгу.

Das Feuer - Henri Barbusse


Скачать книгу
nette Leute, die Herren, und man hat sogar von ihrem Essen was gekriegt. Ich weiss ja schon, Soldaten machen nicht viel Umstände. Wenn Sie glauben, es sei zu teuer, so find ich schon noch andere für das Zimmer mit dem Tisch und dem Ofen und die ihrer nicht zwölf sind. Es werden noch manche kommen und die noch mehr zahlen würden, wenn man wollte. Zwölfe! …

      – Teuer, sag ich, aber schliesslich, es wird schon gehn, was meint ihr? sagte Lamuse schleunigst.

      Wir aber stimmten dieser rein formellen Frage einstimmig zu.

      – Ich würde gerne jetzt eins trinken, meinte Lamuse. Verkaufen Sie Wein?

      – Nein, sagte die Frau und fügte in weinerlichem Tone hinzu: Sie werden verstehn, die Militärdirektion hat den Preis für die Weinverkäufer auf fünfzehn Sous gesetzt. Fünfzehn Sous! Gott, das Elend mit dem verwünschten Krieg! Man müsste ja noch drauf zahlen bei fünfzehn Sous. Drum kann ich keinen verkaufen. Ich hab zwar schon Wein, für uns. Ich meine, dann und wann, so zum Gefallen, gibt man schon ein bisschen her, wenn man weiss, mit wem man's zu tun hat und wenn's welche sind, die das schon verstehn; aber, meine Herren, natürlich nicht für fünfzehn Sous.

      Lamuse gehört zu denen, die das schon verstehn. Er greift nach seiner Feldflasche, die er gewöhnlich an der Seite trägt.

      – Geben Sie mal einen Liter her. Wieviel wird das kosten?

      – Zweiundzwanzig Sous, was er mich gekostet hat. Aber wissen Sie, ich tu's nur Ihnen zu Gefallen, weil Sie Soldaten sind.

      Barque aber, dem die Geduld ausgeht, brummt etwas beiseite in seinen Bart. Die Frau wirft ihm daraufhin einen bissigen Blick zu und hält dem Lamuse die Blechkanne wieder hin.

      Dieser aber, dem die heisse Sehnsucht, endlich wieder Wein zu trinken, die Backe rötet, als ob die Flüssigkeit schon langsam dran abfärbe, bemerkt schleunigst:

      – Haben Sie nur keine Angst, Mütterchen, die Sache bleibt unter uns, wir verraten Sie schon nicht.

      Sie aber schimpft in krampfhafter Erbitterung gegen den Weintarif. Und Lamuse treibt die heisse Begierde soweit in der Erniedrigung und der Kapitulation seines Gewissens, dass er ihr sagt:

      – Das ist halt militärisch, Madame! Das müssen Sie nicht mit dem Verstand begreifen wollen.

      Sie führte uns in den Keller. Drei grosse Fässer füllten diesen Raum mit ihren imponierenden Bäuchen aus.

      – Das ist also Ihr kleiner Privatvorrat, brummt Barque.

      Darauf dreht sich die Alte mit galligem Blicke um:

      – Sie werden doch nicht verlangen, dass man durch diesen elenden Krieg noch zum Bettler wird! Verliert man nicht schon so genug Geld dabei?

      – Wieso? fragt Barque.

      – Man merkt, dass Sie Ihr Geld dabei nicht riskieren.

      – Nein, allerdings, wir riskieren nur unsere Haut dabei.

      Die andern, in der Angst, diese Auseinandersetzung könnte unsren heiligsten Interessen zum Verderbnis werden, treten beschwichtigend dazwischen. In diesem Augenblick schwankt die Kellertüre und eine Männerstimme schreit hinein:

      – He, Palmyre!

      Die Alte wackelt hinaus und lässt vorsichtigerweise die Türe offen.

      – Aha! macht Lamuse, die Sache macht sich.

      – Saupack! knurrt Barque, der diesen Empfang nicht verdaute.

      – Eine Schande ist es, eine Gemeinheit, sagt Marthereau.

      – Als hättest du das noch nie gesehn!

      – Und du, Dumoulard, tadelt Barque, mit deiner Püppchenstimme, meinst noch: »Es ist militärisch!« Du hast 's Schlucken leicht.

      – Was willst du auch, was soll man denn anders sagen? Oder hätten wir uns die Magenschnalle festschnüren sollen, für den Tisch und den Wein? Und wenn sie vierzig Sous für den Liter verlangte, saufen würde man ihn doch, oder? Und so muss man noch froh sein. Offengestanden, Angst hatte ich schon, die alte Schnalle würde nicht einschnappen wollen.

      – Ich weiss schon, überall ist es die gleiche Geschichte, aber …

      – Jawohl, der Zivilist, der ist bei der Sache, Herrgott! Aber schliesslich muss es ja auch solche geben, die dabei 'n Vermögen machen. Es können sich doch nicht alle totschiessen lassen.

      – Ha! die tapfere Bevölkerung im Westen!

      – Na, und die tapfere Bevölkerung im Norden!

      – … die uns mit offenen Armen aufnimmt! …

      – Jawohl, mit offenen Händen, eher …

      – Ich sage ja, meint Marthereau, eine Schande ist es, eine Gemeinheit.

      – Mach's Maul zu! Sie kommt, die alte Kuh! …

      Dann kehrten wir ins Quartier zurück, um den andern den errungenen Erfolg mitzuteilen, und gingen zum Einkaufen.

      Als wir wieder in unser neues Esszimmer zurückkamen, machten wir uns an die Zubereitung unseres Mittagessens. Barque war zur Proviantverteilung gegangen; es war ihm dabei, dank der persönlichen Beziehungen mit dem Chef, der selbst prinzipiell gegen die Verteilung an den einzelnen Mann war, gelungen, die Kartoffel- und Fleischration für die fünfzehn Mann der ganzen Korporalschaft zu fassen.

      Dazu hatte er Schmalz, einen kleinen Ballen für vierzehn Sous, gekauft, womit man also die Kartoffeln braten würde. Ausserdem hatte er vier Büchsen Erbsenkonserven aufgetrieben. Die Kalbfleischkonserve mit Gelee von Mesnil André würde als Hors-d'oeuvre herhalten.

      – Das alles ist nicht dreckig! meinte Lamuse begeistert.

      *

      Man inspizierte die Küche. Barque trottete beglückt um den gusseisernen Ofen, dessen warme, schnaufende Masse in einer Ecke stand.

      – Ich habe noch heimlich ein Hühnchen in die Suppe gesteckt, flüsterte er mir zu und lüftete den Deckel des Kochtopfes.

      – Das Feuer ist nicht sehr stark. Eine halbe Stunde schon liegt das Fleisch drin, und 's Wasser ist immer noch sauber.

      Einen Augenblick nachher hörte man ihn mit der Wirtin unterhandeln. Es handelte sich um einen Extra-Kochtopf: ja, aber dann hätte sie nicht mehr genug Platz auf ihrem Herd; und man hätte ihr gesagt, es genüge ein Kochtopf und sie hätte es geglaubt; wenn sie gewusst hätte, dass man ihr noch Schwierigkeiten machen würde, hätte sie das Zimmer nicht vermietet. Barque aber gab ihr eine gutmütige Antwort, machte einen Witz und es gelang ihm, das Ungeheuer zu besänftigen.

      Dann kamen die übrigen, einer nach dem andern. Sie zwinkerten mit den Augen, rieben sich die Hände und waren voller schmalziger Träume, wie geladene Hochzeitsgäste.

      Beim Eintritt in dieses schwarze Viereck, vom Aussenlicht noch geblendet, bleiben sie einige Minuten wie Eulen mit hohlen Augen unsicher stehn.

      – Wenig lichtvoll, meint Mesnil Joseph.

      – Herrgott, was verlangst du noch mehr!

      Die andern rufen alle im Chorus aus:

      – Verdammt angenehm hier!

      Und man sieht, wie die Köpfe in der Dämmerung jenes Kellers Beifall nicken.

      Zwischenakt: Farfadet ist aus Versehen an die weiche und schmutzige Erdmauer gestreift; die Mauer hat seiner Schulter einen derart schwarzen Flecken aufgedrückt, dass er sogar in dieser Dunkelheit sichtbar ist. Farfadet, der um sein Aeusseres sehr besorgt


Скачать книгу