Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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der Könige habe man patrizische Obrigkeiten gewählt, späterhin nach dem Auszug der Bürger bürgerliche. Er frage sie, zu welcher Partei sie gehörten. Zur Volkspartei? Was sie denn durch das Volk betrieben hätten? Zu den Optimaten? Sie? Die beinahe seit Jahresfrist keinen Senat gehalten hätten und jetzt ihn so hielten, dass sie über die Lage des Staates zu reden verbieten? 10 Sie sollten nicht allzu große Hoffnung auf fremde Furcht setzen; die Leute hielten das, was sie zu leiden hätten, schon für ärger, als was sie etwa fürchten könnten.

      (40) Als die Dezemvirn bei diesen lauten Äußerungen des Horatius weder für ihren Zorn noch zur Nachsicht einen Ausweg fanden und ebenso wenig absehen konnten, wie die Sache enden werde, 2 hielt Caius Claudius, des Dezemvirn Appius Onkel, eine Rede, mehr im Ton des Bittenden als des Rechtenden, worin er ihn bei der Ruhe seines verstorbenen Bruders, seines eigenen Vaters, beschwor, 3 lieber der bürgerlichen Verbindung, in der er geboren sei, als des mit seinen Amtsgenossen widerrechtlich geschlossenen Bundes eingedenk zu sein. Hierum bitte er ihn, weit mehr aus Rücksicht auf ihn selbst als auf den Staat. 4 Denn der Staat werde sich von ihnen, wenn es ihm mit ihrem Willen nicht möglich sei, auch wider ihren Willen sein Recht zu verschaffen wissen. Allein ein heftiger Streit errege gewöhnlich heftige Erbitterung; und davon fürchte er die Folgen. 5 Hatten gleich die Dezemvirn verboten, über etwas anderes zu reden als worauf ihr Antrag ging, scheuten sie sich, den Claudius zu unterbrechen. Er verfolgte also seinen Vorschlag, nach welchem gar kein Senatsbeschluss gefasst werden sollte. 6 Alle nahmen dies so auf, als habe Claudius die Dezemvirn für einfache Bürger erklärt, und viele von den Konsularen gaben seiner Meinung mündlich ihre Zustimmung. 7 Eine andere Meinung, dem Schein nach schärfer, aber weit weniger eingreifend, forderte die Patrizier auf, zusammenzutreten und einen Zwischenkönig zu ernennen. Denn durch diesen Ausspruch wurden die, welche jetzt die Senatsversammlung hielten, für irgendeine Art von obrigkeitlichen Personen erkannt, da sie doch der Urheber jenes Vorschlages, gar keinen Senatsbeschluss zu fassen, schon für bloße Bürger erklärt hatte. 8 Als so der Dezemvirn Sache schon wankte, nahm Lucius Cornelius Maluginensis, der Bruder des Dezemvirn Marcus Cornelius, den sie absichtlich von den Konsularen zuletzt auftreten ließen, unter dem Schein, als ob er nur auf den Krieg Rücksicht nähme, seinen Bruder und dessen Amtsgenossen in Schutz. 9 Es wundere ihn sehr, sagte er, wie es sich so sonderbar füge, dass eben die, die sich selbst um das Dezemvirat beworben hätten, entweder als Helfershelfer oder geradezu selbst am heftigsten auf die Dezemvirn losgingen, 10 oder was sie für Gründe haben möchten, da niemand bei der friedlichen Lage des Staates seit so vielen Monaten Streit darüber angefangen habe, ob auch rechtmäßige Obrigkeiten am Ruder wären, gerade jetzt, wo die Feinde beinahe vor den Toren ständen, bürgerliche Uneinigkeit zu stiften, es müsste denn sein, dass sie glaubten, man werde unter den Unruhen ihre Absichten weniger durchschauen können. 11 Es sei doch billig, da man jetzt mit dringenderen Sorgen beschäftigt sei, dass sich jeder aller voreiligen Entscheidung über einen so wichtigen Gegenstand enthalte. Seiner Ansicht nach könne die Behauptung des Valerius und Horatius, nach welcher die Dezemvirn angeblich am 15. Mai ihr Amt niedergelegt hätten, erst nach Beendigung der drohenden Kriege und Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe 12 dem Senate zur Entscheidung vorgelegt werden, und Appius habe sich schon jetzt darauf gefasst zu machen, dass er über jenen Wahltag, den er zur Dezemvirnwahl selbst als Dezemvir gehalten habe, Rechenschaft abzulegen haben werde, ob sie auf ein Jahr oder bis zur Annahme der noch fehlenden Gesetze gewählt wären. 13 Für jetzt müsse man alles, den Krieg ausgenommen, zurückstellen; und wenn sie etwa glaubten, dass das verbreitete Gerücht falsch sei, und dass nicht bloß die Boten, sondern auch die tuskulanischen Gesandten Unwahrheiten gemeldet hätten, so beantrage er, Kundschafter auszusenden, um sicherere Nachrichten einzuziehen. 14 Traue man aber den Boten und Gesandten, so müsse man je eher desto lieber die Aushebung vornehmen, die Dezemvirn die Heere dahin führen lassen, wo es jeder von ihnen für gut fände, und durchaus kein anderes Geschäft für dringender halten.

      (41) Die Jüngeren wollten es durchsetzen, dass man dieser Meinung beitrat. Umso trotziger erhoben sich Valerius und Horatius und riefen laut, es müsse ihnen erlaubt sein, über die Lage des Staates zu reden. Und wenn ihnen dies im Senat der Parteigeist verbiete, so würden sie vor dem Volk auftreten. Privatleute dürften ihnen hieran weder im Rathaus noch in der Volksversammlung hinderlich sein, auch würden sie sich an ihre eingebildeten Rutenbündel nicht kehren. 2 Da rief Appius, der den Sturz der Zehnermacht sich nahen sah, wofern nicht gleiche Keckheit ihrem Ungestüm entgegentrete: 3 Ich will euch raten, kein Wort zu verlieren, das nicht zu unserem Antrag gehört! Und als Valerius erwiderte, vor einem Privatmanne brauche er nicht zu schweigen, befahl er dem Gerichtsdiener, sich an ihn zu machen.

      4 Schon rief Valerius von der Schwelle des Rathauses: Ihr Quiriten, zur Hilfe! Da umfasste Lucius Cornelius den Appius, schlichtete durch seinen Beistand, der einem ganz andern galt als dem er zu gelten schien, den Streit und erwirkte beim Valerius die Erlaubnis, zu reden, was er wollte. Die Freimütigkeit ging doch nicht über Worte hinaus, und die Dezemvirn erreichten ihren Zweck. 5 Selbst den Konsularen und älteren Vätern war es vermöge ihres noch regen Hasses gegen die tribunizische Gewalt, nach welcher sich ihres Ermessens die Bürger weit mehr sehnten als nach einer konsularischen Regierung, beinahe lieber, dass die Dezemvirn einst ihr Amt freiwillig niederlegten, als dass die Unzufriedenheit mit ihnen den Bürgern Gelegenheit gebe, sich wieder zu erheben. 6 Sollte man durch schonendes Zögern, mit Vermeidung aller heftigen Auftritte im Volk, die Regierung auf Konsuln zurückführen können, so könnten vielleicht durch eintretende Kriege oder durch die von den Konsuln in Ausübung ihrer Gewalt bewiesene Mäßigung die Tribunen bei den Bürgern in Vergessenheit kommen.

      7 Ohne Widerrede von Seiten der Väter wurde die Werbung anbefohlen. Die Dienstfähigen stellten sich, weil keine Ansprache von der Regierung galt, so wie sie gefordert wurden. Nach Bildung der Legionen verglichen sich die Dezemvirn, welche von ihnen in den Krieg ziehen, welche über die Heere gesetzt sein sollten.

      8 Die Angesehensten unter den Dezemvirn waren Quintus Fabius und Appius Claudius. Daheim drohte ein größerer Krieg als von außen. Da sie nun glaubten, Appius sei mit seiner Heftigkeit mehr dazu geeignet, Unruhen in der Stadt niederzuschlagen, Fabius hingegen zeige mehr Wankelmut im Guten als Gewandtheit in Ränken – 9 denn diesen im Frieden und Krieg einst so vortrefflichen Mann hatten das Dezemvirat und seine Amtsgenossen so umgewandelt, dass er lieber einem Appius als sich selbst gleichen wollte –, so übertrugen sie ihm den Krieg im Sabinerland und gaben ihm als Amtsgenossen Manius Rabuleius und Quintus Poetilius bei. 10 Marcus Cornelius wurde auf den Algidus geschickt und mit ihm Lucius Minucius, Titus Antonius, Kaeso Duellius und Marcus Sergius. Den Spurius Oppius bestimmten sie zum Gehilfen des Appius Claudius zur Beschützung der Stadt; die Gewalt aller Zehnmänner war gleich.

      (42) Der Senat befand sich unter ihrer Leitung im Feld nicht besser als zu Hause. 2 Nur hatten die Feldherren das allein zu verantworten, dass sie sich den Untertanen verhasst gemacht hatten; alle andere Schuld traf die Soldaten, denen es nicht darauf ankam, wenn nur unter Anführung und Oberaufsicht der Dezemvirn nirgendwo das mindeste gelänge, sich selbst und ihnen zur Schande besiegt zu werden. 3 Geschlagen waren die Heere von den Sabinern bei Eretum, auf dem Algidus von den Aequern. Von Eretum hatten sie in der Stille der Nacht die Flucht ergriffen und näher gegen Rom zwischen Fidenae und Crustumeria auf einer Anhöhe ein festes Lager bezogen; 4 und indem sie mit den verfolgenden Feinden sich nie in einen gleichen Kampf einließen, schützten sie sich durch die Lage des Ortes und den Wall, nicht durch Waffen und Tapferkeit.

      5 Auf dem Algidus war die Schande noch größer, auch größer der Verlust. Hier ging sogar das Lager verloren, und der notwendigsten Bedürfnisse beraubt, hatte sich der Soldat nach Tuskulum geflüchtet, um hier von dem Beistand und Mitleid seiner Wirte zu leben, was ihm auch gelang. 6 Nach Rom kamen so fürchterliche Nachrichten, dass die Väter mit Beiseitesetzung ihres Hasses gegen die Dezemvirn in der Stadt Wache halten ließen, jeden, der altershalber die Waffen führen konnte, zur Besetzung der Mauern und der Posten vor den Toren aufforderten und die Beschlüsse fassten, 7 nach Tuskulum sollten außer den Truppen zur Ergänzung auch Waffen abgehen; die Dezemvirn sollten von der Burg zu Tuskulum herunterkommen und mit den Soldaten ein Lager beziehen, das andere Lager von Fidenae ins sabinische Gebiet verlegt und durch den Angriffskrieg die Feinde von dem Gedanken, auf Rom zu gehen, zurückgeschreckt werden.

      (43) Zu diesen von den Feinden erlittenen Niederlagen kamen noch zwei verruchte


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