Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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Als mithin alle Hoffnung abgeschnitten war, gab Appius, ehe der aufgeschobene Gerichtstag erschien, sich selbst den Tod. 7 Gleich darauf zog Publius Numitorius den Spurius Oppius zur Verantwortung, welchen nächst Appius der Hass am meisten traf, weil er in der Stadt gewesen war, als sein Amtsgenosse die ungerechte Verurteilung ergehen ließ. 8 Doch brachte dem Oppius eine Ungerechtigkeit, die er selbst verübt hatte, größeren Hass als die nicht verhinderte. Man führte einen Zeugen vor, welcher 27 Dienstjahre zählte, achtmal, sogar mit Auszeichnung, beschenkt war, diese Ehrengeschenke vor dem Volk aufwies, sich dann das Gewand zerriss, den Rücken von Ruten zerhauen zeigte und sich bereit erklärte, wenn der Beklagte ihm die geringste Schuld nachsagen könne, so wolle er sich diese wütende Behandlung von ihm als Privatmann noch einmal gefallen lassen. 9 Auch Oppius wurde ins Gefängnis geführt und machte dort, ehe der Gerichtstag kam, seinem Leben ein Ende. Das Vermögen des Claudius und des Oppius wurde von den Tribunen eingezogen. Ihre Amtsgenossen gingen freiwillig in die Verbannung; auch deren Güter wurden eingezogen.

      10 Auch Marcus Claudius mit seinem Anspruch auf Verginia wurde angeklagt und verurteilt; doch, weil ihm selbst Verginius die Todesstrafe schenkte, entlassen; er ging nach Tibur in die Verbannung. 11 Und der Geist der Verginia, die im Tod glücklicher als im Leben war, kam endlich, nachdem so manche Familien bestraft worden waren, ohne einen Schuldigen übergangen zu haben, zur Ruhe.

      (59) Die Väter hatte große Furcht ergriffen, und die Tribunen machten schon dieselbe Miene wie früher die Dezemvirn, als Marcus Duellius, selbst ein Volkstribun, mit heilsamer Beschränkung ihrer zu hoch gestiegenen Amtsmacht sich so erklärte: 2 Wir haben der Freiheit und der Strafen an unseren Feinden genug. Ich werde also nicht zugeben, dass in diesem Jahr weiter irgendeiner vor Gericht gefordert oder ins Gefängnis geführt werde. 3 Ich möchte nicht gern, dass alte, längst vergessene Sünden wieder hervorgesucht würden, da die neuen durch Bestrafung der Dezemvirn gebüßt sind, und dass nichts Neues vorfallen werde, was etwa tribunizische Einwirkung erfordern könnte, dafür bürgt uns ununterbrochene Fürsorge, mit der beide Konsuln eure Freiheit beschützen.

      4 Diese Mäßigung eines Tribunen nahm zuerst den Vätern die Furcht, aber sie vermehrte auch ihre Unzufriedenheit mit den Konsuln, weil sie so ganz auf der Seite der Bürger gewesen wären, dass für die Wohlfahrt und Freiheit der Väter eine bürgerliche Obrigkeit früher Sorge getragen habe als die patrizische, und ihre Gegner der Bestrafungen satt geworden wären, ehe man einmal gesehen habe, dass die Konsuln Miene machten, jener Ausgelassenheit zu begegnen. 5 Ja viele machten dem Senat einen Vorwurf der Feigheit daraus, dass er die von den Konsuln vorgeschlagenen Gesetze bestätigt habe, denn es ließ sich als gewiss annehmen, dass er bei der Zerrüttung des Staates den Zeitumständen unterlegen war.

      (60) Als die Konsuln die Angelegenheiten der Stadt geordnet und die rechtliche Stellung der Bürger gesichert hatten, zogen sie jeder gegen den ihm bestimmten Feind.

      Valerius hielt gegen die schon auf dem Algidus vereinigten Heere der Aequer und Volsker den Krieg mit Klugheit hin. 2 Denn hätte er es gleich auf das Glück ankommen lassen, so glaube ich fast, der Kampf wäre, so wie damals seit der unglücklichen Anführung der Dezemvirn der Mut der Römer und ihrer Feinde gestimmt war, sehr zu seinem Nachteile ausgefallen. 3 Er hielt seine Truppen im Lager, das er tausend Schritte weit vom Feind aufgeschlagen hatte. Die Feinde füllten den Zwischenraum zwischen beiden Lagern mit ihrer Schlachtordnung aus, und ihre Aufforderungen zum Kampf beantwortete von den Römern niemand. 4 Endlich des Stehens und vergeblichen Harrens auf ein Treffen müde, zogen Aequer so gut wie Volsker, des ihnen eingeräumten Sieges fast schon gewiss, zum Teil ins Herniker-, zum Teil ins Latinergebiet auf Plünderung aus, im Lager blieb mehr eine Bedeckung als hinlängliche Streitkräfte für die Schlacht zurück. 5 Kaum merkte dies der Konsul, so war nun die Reihe des Drohens an ihm; nun forderte er in Schlachtordnung den Feind heraus. 6 Sobald man dort im Bewusstsein der eigenen Schwäche dem Kampfe auswich, wuchs den Römern der Mut, und sie sahen den hinter seinem Wall bebenden Feind für besiegt an. 7 Als sie den ganzen Tag in Erwartung der Schlacht gestanden hatten, räumten sie gegen Nacht den Platz.

      Voll Hoffnung überließ man sich auf römischer Seite der Pflege des Leibes. Nicht mit gleichen Empfindungen schickten die Feinde eilig nach allen Seiten Boten aus, die Plünderer zurückzurufen. Die nächsten eilten zurück; die entfernteren fand man nicht.

      8 Mit Tagesanbruch rückten die Römer aus mit dem Vorsatz, den Wall zu stürmen, wenn ihnen keine Schlacht angeboten würde; und als schon ein großer Teil des Tages verflossen war, und der Feind noch keine Bewegung machte, befahl der Konsul den Angriff, und die Linie brach auf, als Aequer und Volsker der Unwille ergriff, dass siegreiche Heere wie die ihrigen ihren Schutz dem Wall und nicht der Tapferkeit und den Waffen verdanken sollten. Also erhielten auch sie das ihren Feldherren abgerungene Zeichen zur Schlacht. 9 Und schon war ein Teil aus dem Lager gerückt, und der Ordnung nach folgten die anderen dem Zug, aus dem sich jeder auf seine Stelle einreihte, als der Konsul anrücken ließ, ehe die feindliche Linie auf ihre ganze Stärke fußend zum Stehen kommen könnte. 10 Und da er schon angriff, ehe sie noch alle herausgeführt waren, und die es waren, sich noch nicht völlig auf die Glieder ausgebreitet hatten, so brach er in den, ich möchte sagen, wankenden Haufen von Hin- und Herrennenden ein, die noch auf sich selbst und auf die Ihrigen warteten, und deren Bestürzung Schlachtgeschrei und Angriff zugleich erhöhte. 11 Zuerst also wichen die Feinde; als sie sich aber gesammelt hatten und ihre Feldherren ihnen scheltend von allen Seiten zuriefen, ob sie vor Besiegten weichen wollten, wurde die Schlacht wiederhergestellt.

      (61) Auf der andern Seite forderte der Konsul die Römer auf, nicht zu vergessen, dass sie am heutigen Tag zum ersten Mal als freie Männer für die freie Stadt Rom kämpften. Sie würden den Sieg sich selbst erwerben, nicht, um als Sieger Dezemvirn eine Beute zu werden. 2 Hier sei kein Appius Anführer, sondern ein Konsul, Valerius, von Befreiern des römischen Volkes entsprossen und Befreier selbst. Sie möchten zeigen, dass in den vorigen Schlachten die Schuld, nicht gesiegt zu haben, an den Feldherren, nicht an den Soldaten gelegen habe. 3 Es sei schimpflich, gegen Mitbürger mehr Mut zu zeigen als gegen die Feinde, und in der Stadt vor Knechtschaft sich mehr zu fürchten als im Feld. 4 Verginia sei nur die Einzige gewesen, deren Keuschheit im Frieden bedroht gewesen sei, Appius nur der einzige Bürger von gefährlicher Wollust. Sollte aber das Kriegsglück sich neigen, so drohe den Kindern aller von so viel tausend Feinden Gefahr. 5 Doch er wolle das nicht über seine Lippen bringen, was Jupiter sowenig wie Vater Mars über die Stadt kommen lassen würden, die unter so glücklichen Vorzeichen erbaut sei. Dann erinnerte er sie an den Aventin, den Heiligen Berg. Sie möchten dahin, wo vor wenigen Monaten die Freiheit errungen sei, auch die Herrschaft ungeschmälert zurückbringen 6 und beweisen, dass römische Soldaten noch derselbe Geist nach der Vertreibung der Dezemvirn beseele wie vor deren Wahl, und durch Ausgleichung der Gesetze der Mut des römischen Volkes nicht gemindert sei.

      7 Als er so bei den Fahnen des Fußvolkes geredet hatte, eilte er zur Reiterei. Auf, ihr jungen Männer, sprach er, übertrefft das Fußvolk an Tapferkeit, wie ihr es an Ehre und Rang übertrefft! 8 Im ersten Zusammentreffen hat schon das Fußvolk den Feind geworfen, sprengt ihr nun mit euren Rossen in den Geschlagenen ein und jagt ihn aus dem Feld. Er wird den Angriff nicht aushalten, und schon jetzt zögert er mehr als er widersteht. 9 Sie spornten die Pferde und ließen sie auf den Feind, den schon das Gefecht mit dem Fußvolk aus der Haltung gebracht hatte, durchbrachen die Glieder, und da sie bis ins Hintertreffen vorgedrungen waren, jagten sie zum Teil in der freien Ebene umher, schnitten die schon auf allen Seiten Fliehenden fast sämtlich vom Lager ab, sprengten an diesem auf und nieder und schreckten sie zurück. 10 Die Linie des Fußvolkes, mit ihr der Konsul selbst und die ganze Wucht des Krieges warf sich auf das Lager und eroberte es unter großem Verlust der Feinde und mit dem Gewinn einer noch größeren Beute.

      11 Der Ruf von dieser Schlacht, der nicht bloß in die Stadt, sondern auch ins Sabinische zu dem anderen Heer drang, erregte in der Stadt bloß allgemeine Freude; im Lager spornte er auch den Mut der Soldaten, dieser ruhmvollen Tat nachzueifern.

      12 Hier hatte sie Horatius dadurch, dass er sie zu Ausfällen abordnete und in leichten Gefechten versuchte, schon wieder mehr daran gewöhnt, sich selbst zu vertrauen, als an die unter Anführung der Dezemvirn erlittene Schmach zu denken; und diese kleinen Kämpfe waren der zu hoffenden Entscheidung des Ganzen sehr vorteilhaft gewesen.


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