Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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in kleinen Rotten bald hervorsprengend, bald flüchtend die Zeit hinbrächten und die Entscheidung eines einzigen Krieges in so viele kleine Treffen zerstückelten. 14 Warum sie nicht in Linie anrückten und dem Glück Gelegenheit gäben, der Sache mit einem Schlag ein Ende zu machen.

      (62) Zu dem Mut, der die Römer ohnehin bereits beseelte, kam noch die Entrüstung. Das andere Heer werde schon als Sieger zur Stadt heimkehren, und sie müssten sich vom höhnenden Feind sogar verspotten lassen. Wann würden sie ihm aber gewachsen sein, wenn sie es noch nicht wären? 2 Als der Konsul vernahm, dass sich der Soldat so im Lager verlauten lasse, sprach er vor einer zusammengerufenen Versammlung: Wie es auf dem Algidus gegangen ist, werdet ihr, Soldaten, wie ich glaube, gehört haben. Sie haben sich dort so benommen, wie man es von dem Heer eines freien Volkes erwarten musste. Durch die Einsicht meines Amtsgenossen, durch die Tapferkeit der Soldaten ist ein Sieg errungen. 3 Was mich betrifft, so werde ich so viel Mut und Einsicht haben, als ihr selbst mir einflößt. Der Krieg kann mit Vorteil langsam geführt, aber auch ohne Übereilung jetzt beendet werden. 4 Müssen wir zögern, so soll mir eben die Zucht, die ich bis jetzt angewandt habe, behilflich sein, euer Vertrauen und eure Tapferkeit von Tag zu Tag zu erhöhen. Habt ihr aber jetzt schon Mut genug und sehnt euch nach Entscheidung, wohlan, so erhebt hier euer Kriegsgeschrei, was ihr in der Schlacht erheben wollt, zum Zeichen eures Willens und eurer Tapferkeit! 5 Als sie das Geschrei mit großer Freude erschallen ließen, versprach er, ihnen in der Götter Namen Folge zu leisten und sie morgen zur Schlacht zu führen. Der Überrest des Tages wurde verwandt, die Waffen instand zu setzen.

      6 Als die Sabiner am folgenden Tag die Aufstellung der römischen Linie bemerkten, traten auch sie hervor, schon längst des Kampfes begierig. Die Schlacht war wie unter zwei Heeren, die beide große Zuversicht hatten, das eine durch ununterbrochenen alten Ruhm, das andere durch den letzten Sieg von neulich übermütig. 7 Auch kamen die Sabiner ihrer Stärke mit einer List zu Hilfe. Denn da sie ihrer Linie die Länge der römischen gegeben hatten, ließen sie noch 2000 Mann außerhalb der Reihe aufgestellt, welche mitten im Gefecht auf den linken römischen Flügel einbrechen sollten. 8 Schon wurden diese dem durch ihren Seitenangriff beinahe umzingelten Flügel zu schwer, als die 600 Reiter zweier Legionen von den Pferden sprangen, an die Spitze der schon weichenden Ihrigen eilten und sich nicht nur dem Feind entgegenstellten, sondern auch zuerst durch gleiche Teilnahme an der Gefahr und dann durch Beschämung den Mut der Fußgänger neu belebten. 9 Diese fanden es schimpflich, wenn die Reiter im Gefecht ihren eigenen und einen fremden Platz füllten, sie aber als Fußvolk nicht einmal einer abgesessenen Reiterei gleichkämen.

      (63) Sie rücken also in die Schlacht, die sie ihrerseits aufgegeben hatten, und nahmen die Stelle, von wo sie gewichen waren, wieder ein. Und im Augenblick war nicht allein das Gefecht wiederhergestellt, sondern auch der sabinische Flügel zurückgedrängt. 2 Zwischen den Gliedern des Fußvolkes gehend und dadurch gedeckt machte sich die Reiterei wieder an ihre Pferde und eilte als Botin des Sieges zum andern Flügel hinüber; zugleich warf sie sich auf den Feind, der schon durch die Niederlage seines stärkeren Flügels geschreckt war. Ihre Tapferkeit zeichnete sie in dieser Schlacht vor allen anderen aus. 3 Der Konsul, für alles besorgt, lobte die Tapferen, schalt, wo er das Gefecht lässig sah. Die Getadelten zeigten sogleich den Eifer tapferer Männer, und hier war Beschämung ein ebenso mächtiger Sporn wie dort das Lob. 4 Mit erneuertem Geschrei schlugen sie, von allen Seiten zugleich sich anstrengend, den Feind in die Flucht, und nun war die römische Kraft unwiderstehlich. Die Sabiner, in zerstreuten Haufen über die Felder gejagt, überließen ihr Lager dem Feind zur Beute. Hier gewannen die Römer nicht wie auf dem Algidus das geraubte Gut der Bundesgenossen wieder, sondern ihr eigenes, das ihnen bei den Plünderungen ihres Landes verloren gegangen war.

      5 Für diesen doppelten, in zwei verschiedenen Schlachten errungenen Sieg verordnete der Senat die der Ehre der Konsuln gebührende Dankfeier, allein nur kärglich auf einen Tag. Aber ungeheißen zog das Volk auch am andern Tag scharenweise in die Tempel, und die Zuneigung machte diese sich selbst überlassene, vom Volk aus Liebe begangene Feier beinahe festlicher als die vorige. 6 Die Konsuln trafen nach einer Verabredung an zwei aufeinanderfolgenden Tagen vor der Stadt ein und beriefen den Senat auf das Marsfeld. Als sie hier von ihren Taten Bericht erstatteten, klagten die Häupter der Väter, man halte absichtlich den Senat, um ihn zu schrecken, mitten unter Soldaten. 7 Die Konsuln verlegten demnach, um jeden Anlass zur Anklage zu entfernen, die Senatsversammlung von hier auf den schon damals so genannten Apollo-Platz der Flaminischen Wiesen, wo jetzt der Tempel des Apollo steht.

      8 Da ihnen hier die Väter mit großer Einstimmigkeit den Triumph verweigerten, trug der Volkstribun Lucius Icilius auf den Triumph der Konsuln beim Volk an, vor welchem dann viele mit Gegenvorstellungen auftraten, 9 und hauptsächlich Caius Claudius, der mit lautem Unwillen sagte, über die Väter, nicht über die Feinde, wollten die Konsuln triumphieren, und dem Tribun sei es bloß um eine Gegengefälligkeit für ihr besonderes Verdienst um ihn, nicht um Ehre für ihre Tapferkeit zu tun. Noch nie sei das Recht zu triumphieren vor dem Volk zur Sprache gebracht, immer habe die Beurteilung und Entscheidung dieser Ehre dem Senat zugestanden. 10 Das ehrwürdige Vorrecht dieses höchsten Standes hätten selbst die Könige nicht geschmälert. Die Tribunen sollten sich mit ihrer Macht nicht so in alles mischen, dass sie keine oberste Behörde mehr bestehen lassen. Nur dann erst werde der Staat frei, nur dann die Gesetze gleichgemacht sein, wenn jeder Stand seine Rechte, seine Hoheit behaupte. 11 Noch viele von den übrigen älteren Vätern gehaltene Reden waren ähnlichen Inhaltes; dennoch genehmigten alle Bezirke jenen Antrag. Dies war das erste Mal, dass ohne Zustimmung der Väter bloß auf Befehl des Volkes ein Triumph gehalten wurde.

      (64) Dieser Sieg der Tribunen und des Bürgerstandes artete beinahe dadurch in ein unheilvolles Übermaß aus, indem die Tribunen unter sich einig wurden, sich wieder wählen zu lassen, und damit ihre Amtssucht weniger hervortrete, auch den Konsuln ihr Amt zu erhalten. 2 Zum Vorwand nahmen sie die Einstimmigkeit der Väter, vermittels dessen jene, um die Konsuln zu beschimpfen, die Rechte des Bürgerstandes umzustoßen versucht hätten. 3 Was daraus werden wolle, wenn sie mit ihren Parteien, ehe noch die Gesetze in Kraft getreten wären, über neue Tribunen herfielen? Denn nicht immer würden ein Valerius und Horatius Konsuln sein, die ihre eigene Macht der Freiheit des Bürgerstandes unterordneten.

      4 Es fügte sich zur rechten Zeit so glücklich, dass das Los, am Wahltag den Vorsitz zu haben, gerade den Marcus Duellius traf, einen klugen Mann, der den von der Verlängerung der Ämter zu befürchtenden Hass voraussah. 5 Da dieser erklärte, er werde auf keinen einzigen von den alten Tribunen Rücksicht nehmen, und seine Amtsgenossen dagegen behaupteten, er solle den Bezirken bei der Stimmensammlung freien Willen lassen oder den Vorsitz bei der Wahl seinen Amtsgenossen abtreten, welche sie mehr dem Gesetz gemäß als nach dem Willen der Väter halten würden, 6 befragte Duellius im Verlauf des Streites die Konsuln, die er zu den Tribunensitzen rufen ließ, was sie bezüglich der Konsulwahlen im Sinne hätten; und als sie antworteten, sie würden neue Konsuln wählen, trat er mit ihnen, als den schicklichsten Gegnern der Volkswünsche, weil sie gleichwohl des Volkes Liebe hatten, vor der Versammlung auf. 7 Als er hier die Konsuln vor dem Volk aufrief und sie befragte, was sie tun würden, wenn das römische Volk aus Dankbarkeit für die durch sie im Inneren wiedererlangte Freiheit, aus Dankbarkeit für ihre Kriegsdienste und Taten sie abermals zu Konsuln wählte, 8 die Konsuln aber von ihrer Erklärung durchaus nicht abgingen, so erteilte er ihnen sein Lob, dass sie bis ans Ende den Dezemvirn so unähnlich blieben, ließ die Wahl vor sich gehen. Und da die übrigen Bewerber, als fünf Tribunen schon gewählt waren, vor der Zudringlichkeit der neun ohne Scheu nach dem Amt ringenden Tribunen nicht die gehörige Stimmenzahl erhielten, so entließ er die Versammlung und setzte keine neue zu einem Wahltag an. 9 Er sagte, dem Gesetz sei Genüge geschehen, da es, ohne den Tribunen eine bestimmte Zahl vorzuschreiben, bloß verordne, man solle das Volk nicht ohne Tribunen lassen.50 10 Er las auch die Formel jenes Antrages vor, worin es heißt: Wenn ich Volkstribunen wählen lasse, und ihr heute nicht die volle Zahl gewählt haben werdet, so sollen dann, wenn diese sich andere zu nachgewählten Amtsgenossen nehmen, diese Letzteren vermöge dieses Gesetzes ebenso rechtmäßige Volkstribunen sein als diejenigen, welche ihr heute zu Volkstribunen gewählt haben werdet.

      11 Duellius vereitelte durch seine bis zum Ende fortdauernde Beharrlichkeit mit der Behauptung, der Staat könne doch nicht 15 Volkstribunen haben, die herrschsüchtigen Absichten


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