Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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neuen Volkstribunen begünstigten bei den Ergänzungswahlen die Wünsche der Väter und wählten sogar zwei Patrizier und gewesene Konsuln, den Spurius Tarpeius und Aulus Aternius.

      2 Spurius Herminius und Titus Verginius Caelimontanus, die neuen Konsuln, die sich weder besonders auf die Seite der Väter noch des Bürgerstandes neigten, hatten Frieden im Inneren und auswärts. 3 Der Volkstribun Lucius Trebonius, der auf die Väter erbittert war, weil er von ihnen, wie er sagte, bei der Nachwahl der Tribunen betrogen und von seinen Amtsgenossen verraten worden war, setzte den Vorschlag durch, 4 dass jeder, der beim römischen Bürgerstand auf die Wahl von Volkstribunen antrüge, diese Wahl so lange fortsetzen sollte, bis er zehn Volkstribunen hätte ernennen lassen, und verwandte sein Tribunat auf die Verfolgung der Väter, worüber ihm der Zuname Asper (»der Raue«) gegeben wurde.

      5 Die folgenden Konsuln, Marcus Geganius Macerinus und Caius Julius, wussten die geheimen Verbindungen der Tribunen gegen die vornehmen Jünglinge zu verhindern, ohne gegen jene Macht feindselig zu verfahren oder von der Würde der Väter etwas zu vergeben. 6 Den Bürgerstand hielten sie dadurch von Unruhen ab, dass sie sich zum Krieg gegen die Volsker und Aequer eine Werbung anbefehlen ließen und ihre Ausführung hinhielten, indem sie versicherten, bei der Ruhe im Inneren sei auch von außen alles friedlich; nur die bürgerlichen Unruhen machten den Auswärtigen Mut. 7 So bewirkte die Sorge für den Frieden zugleich die innere Eintracht.

      Aber immer ist die Mäßigung des einen Standes Veranlassung zur Unbill für den andern gewesen. Als die Bürgerlichen Ruhe hielten, fingen die Jüngeren der Väter an, sie zu kränken. 8 Wollten die Tribunen den Niedrigeren Hilfe leisten, so war diese anfänglich nicht hinreichend, und späterhin blieben sie selbst nicht unangetastet, vollends in den letzten Monaten, teils weil das Unrecht von den Mächtigeren durch ihre Verbindungen geübt wurde, teils weil die Kraft jedes obrigkeitlichen Amtes gewöhnlich gegen Ende des Jahres viel matter war; 9 und schon setzte der Bürgerstand in das Tribunat nur dann noch einige Hoffnung, wenn er dem Icilius ähnliche Tribunen hätte, seit zwei Jahren habe er leere Namen gehabt. 10 Die älteren Väter hingegen, wenngleich sie ihre jungen Männer für zu übermütig hielten, sahen es doch lieber, wenn das Maß einmal überschritten werden sollte, dass die Ihrigen mehr Mut als ihre Gegner hätten. 11 So schwer ist die Mäßigung in Behauptung der Freiheit, weil jeder unter dem Schein, sich mit anderen auf gleiche Höhe stellen zu wollen, die anderen niederdrückt, die Menschen immer, um sich nicht fürchten zu dürfen, sich selbst furchtbar machen, und wir das Unrecht, wenn wir uns dessen erwehrt haben, gleich als müssten wir es entweder tun oder leiden, anderen aufbürden.

      (66) Die darauf gewählten Konsuln, Titus Quinctius Capitolinus (zum vierten Mal) und Agrippa Furius, fanden weder innere Unruhen noch auswärtigen Krieg vor. Aber beides drohte. 2 Schon ließ sich die Zwietracht der Bürger nicht länger unterdrücken, da bei der Erbitterung der Tribunen und des Bürgerstandes gegen die Väter die häufigeren gerichtlichen Anklagen der Adligen die Versammlungen jedes Mal durch neue Streitigkeiten beunruhigten. 3 Auf das erste Geräusch derselben griffen die Aequer und Volsker wie auf ein gegebenes Zeichen zu den Waffen, auch darum, weil ihre raubsüchtigen Anführer ihnen vorgeredet hatten, vor zwei Jahren habe die anbefohlene Werbung nicht vor sich gehen können, weil sich der Bürgerstand den Oberbefehl nicht länger habe gefallen lassen wollen; darum habe man keine Heere gegen sie gesandt; 4 die Sitte, als Krieger zu dienen, finde in der Ungebundenheit ihr Grab. Die Römer sähen schon in Rom selbst die gemeinschaftliche Vaterstadt nicht mehr; alle frühere Erbitterung, allen Groll gegen Auswärtige hätten sie gegen sich selbst gewandt. Jetzt sei die Gelegenheit da, die durch innere Wut verblendeten Wölfe zu unterdrücken.

      5 Mit den vereinigten Heeren verwüsteten sie zuerst das ganze latinische Gebiet, und da sich hier niemand ihnen entgegenstellte, rückten sie verheerend – und dies war vollends für die Anstifter des Krieges ein großer Triumph – selbst an die Mauern Roms in der Gegend des Esquilinischen Tores und boten der Stadt in der Verheerung ihrer Gefilde ein höhnendes Schauspiel. 6 Als sie von hier ungestraft, die Beute vor sich hertreibend, rückwärts nach Corbio abzogen, rief der Konsul Quinctius das Volk zur Versammlung.

      (67) Hier hielt er, wie ich in der Überlieferung finde, eine Rede folgenden Inhalts: Bin ich mir gleich keiner Schuld bewusst, ihr Quiriten, so trete ich gleichwohl tief beschämt vor eurer Versammlung auf. Das musstet ihr erfahren, das soll der Nachwelt überliefert werden, dass Aequer und Volsker, die neulich kaum den Hernikern gewachsen waren, unter dem vierten Konsulat des Titus Quinctius sich den Mauern der Stadt Rom ungestraft mit den Waffen in der Hand genähert haben! 2 Hätte ich gewusst, dass diese Schande – wiewohl wir schon lange so leben und die Sachen so stehen, dass man nichts Gutes ahnen kann – gerade diesem Jahr beschieden sei, so würde ich mich ihr durch Auswanderung oder Tod, wenn ich dem Konsulat auf keine andere Art hätte ausweichen können, entzogen haben. 3 Also – hätten Männer jene Waffen geführt, die an unseren Toren waren, hätte Rom unter meinem Konsulat erobert werden können. Hatte ich doch der Ehrenämter genug gehabt und der Lebensjahre genug und zu viel; in meinem dritten Konsulat hätte ich sterben sollen.

      4 Und gegen wen nahmen sich denn die feigsten aller Feinde so viel Verachtung heraus? Gegen uns Konsuln, oder gegen euch, Quiriten? Liegt die Schuld an uns, so nehmt uns Unwürdigen die Regierung, und ist das noch nicht genug, so bestraft uns noch obendrein; 5 wenn aber die Schuld an euch liegt, so möge weder ein Gott noch ein Mensch eure Vergehen strafen, ihr mögt sie nur bereuen. Nicht eure Mutlosigkeit war es, die jene verachtet haben, nicht auf eigene Tapferkeit bauten sie, denn so oft geschlagen und vertrieben, ihres Lagers beraubt, um Land gestraft, unter den Jochgalgen gebeugt, haben sie sich und euch kennengelernt. Die Zwietracht der Stände ist das Gift, das diese Stadt verzehrt. 6 Die Streitigkeiten zwischen Vätern und Bürgern, weil wir im Beherrschen, ihr in eurer Freiheit nicht Maß haltet, weil ihr mit den patrizischen, diese mit den bürgerlichen Obrigkeiten unzufrieden sind, haben jenen den Mut gehoben. 7 Um der Götter willen, was wollt ihr denn? Ihr wolltet Volkstribunen haben: Der Eintracht zuliebe gestanden wir sie euch zu. Ihr fandet Dezemvirn wünschenswert: Wir ließen sie wählen. Ihr wurdet mit den Dezemvirn unzufrieden: Wir zwangen sie abzudanken. 8 Da euer Zorn gegen sie in ihrem Privatstand fortdauerte, ließen wir die geehrtesten und vornehmsten Männer Tod und Verbannung leiden. Dann wolltet ihr abermals Volkstribunen haben: Ihr habt sie gewählt; 9 ihr wolltet Konsuln von eurer Partei haben: Wir haben gesehen, dass auch eine patrizische Magistratur dem Volk zum Geschenk gemacht wurde, wenn wir schon die Unbilligkeit für die Väter sahen. Die euch zur Hilfe gegebenen Tribunen, die Ansprache an das Volk, die Ausdehnung der Bürgerbeschlüsse auf die Väter, die unter dem Vorwand einer Ausgleichung der Gesetze bewirkte Unterdrückung unserer Rechte – das alles haben wir ertragen und tragen es noch. Wann werden die Fehden ein Ende haben? 10 Wann werden wir endlich Bürger einer Stadt sein können? Wann einmal in dieser eine gemeinschaftliche Vaterstadt bewohnen? Wir, die Besiegten, verstehen uns mit mehr Gelassenheit zur Ruhe denn ihr als Sieger. 11 Ist es nicht genug, dass ihr uns furchtbar seid? Gegen uns wird der Aventin eingenommen, gegen uns wird der heilige Berg besetzt. Als aber die Esquilien vom Feind beinahe schon erobert waren, der Volsker als Feind den Wall hinaufstieg, da vertrieb ihn niemand: Nur gegen uns seid ihr Männer, nur gegen uns tragt ihr Waffen.

      (68) So zieht doch einmal, wenn ihr hier das Rathaus umlagert, den Marktplatz bedroht und das Gefängnis mit den ersten Männern gefüllt habt, 2 mit demselben trotzigen Sinn hinaus vor das Esquilinische Tor; oder wenn ihr auch das nicht wagt, so seht von den Mauern herab eure Ländereien mit Feuer und Schwert verwüstet, die Beute weggetrieben, allenthalben die angezündeten Häuser rauchen. 3 Ihr sagt: Es ist ja nur das Ganze, was hierunter am meisten leidet; wir lassen im Land sengen und brennen, die Stadt belagern, unsern Kriegsruhm dem Feind. – Wie aber? Wie steht es um euer Eigentum? Bald wird jedem von seinem Grundstück der erlittene Schaden gemeldet werden. Und was habt ihr nun zu Hause, ihn zu ersetzen? 4 Werden euch die Tribunen das Verlorene wiedergeben und erstatten? Geschrei und Worte werden sie euch aufdringen, soviel ihr wollt; Verleumdungen der Großen, Vorschläge, einen über den andern, und Versammlungen in Menge. Aber aus jenen Versammlungen kehrte noch niemand von euch mit Gewinn für sein Vermögen oder seine Lage nach Hause. 5 Wo wäre der, der seiner Gattin und Kindern etwas anderes heimbrächte als Erbitterungen, Beleidigungen, Feindschaften von ganzen Parteien und Einzelnen, vor denen ihr euch denn immer, nicht durch


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