Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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das Verbot, dass zwischen Adligen und Bürgerlichen eine Ehe stattfinden soll, haben es nicht vor wenigen Jahren erst die Dezemvirn gegeben zum größten Nachteil für den Staat, zur größten Kränkung des Bürgerstandes? Kann ein Schimpf größer und abgründiger sein, wenn der eine Teil der Bürgerschaft, als wäre er unrein, des Rechts der Ehe für unwürdig gehalten wird? 6 Heißt das nicht, neben dem andern in denselben Mauern leben und doch der Ausgestoßene, der Verwiesene sein? Jede Einmischung von unserer Seite durch Heirat, durch Abstammung wollen sie verhindern, dass sie ja nicht durch die Bande des Blutes mit uns vereinigt werden. 7 Wie, wenn das euren so hohen Adel befleckt, den ihr doch meistenteils als ursprüngliche Albaner und Sabiner nicht eurer Abkunft, nicht eurem Blut, sondern der Aufnahme unter die Väter verdankt, denen ihr entweder durch die Könige oder nach Vertreibung der Könige durch einen Volksbeschluss eingereiht wurdet, konntet ihr ihn nicht, jeder für sich, dadurch unbefleckt erhalten, dass ihr weder selbst eine Frau vom Bürgerstand nahmt noch eure Töchter und Schwestern aus dem Adelstand heraus heiraten ließet? 8 Kein Bürgerlicher hätte einer Jungfrau von jenem Stand Gewalt angetan; so etwas gelüstet nur Adlige. Wir hätten keinen von euch gezwungen, wider seinen Willen einen Ehevertrag zu schließen. 9 Dass es aber sogar durch ein Gesetz bestimmt sein soll, dass alle Ehen zwischen Adligen und Bürgerlichen für unstatthaft erklärt werden, nur darin liegt für den Bürgerstand eine Schmach. Warum vereinigt ihr euch nicht zu dem Gesetz, dass sich Reiche und Arme nicht heiraten sollen? 10 Was allenthalben immer Sache der häuslichen Beratung blieb, dass ein Mädchen sich in ein Haus verheiratete, das ihr passt, und der Mann sich die Frau aus jedem Haus holte, wo er sich zu verloben für gut fand, das unterwerft ihr jetzt dem Zwang eines mehr als tyrannischen Gesetzes, um dadurch alle bürgerliche Verbindung zu zerreißen und einen Staat in zwei aufzulösen? 11 Warum verordnet ihr nicht, dass kein Bürgerlicher eines Adligen Nachbar sein, nicht mit ihm denselben Weg gehen, mit ihm zu Gast gehen oder auf demselben Marktplatz stehen soll? Denn – in der Sache selbst – was könnte es da ausmachen, ob ein Adliger eine Bürgerin oder ein Bürgerlicher eine Adlige nimmt? Was gäbe es da für eine Änderung in den Rechten? Die Kinder folgten ja dem Vater. 12 Auch suchen wir in der Ehe mit euch nichts weiter denn als Menschen, als Mitbürger zu gelten; und ihr selbst könnt keinen Grund haben, euch dem zu widersetzen, wenn es euch nicht etwa Vergnügen macht, einen Streit zu unserer Schmach und Schande zu führen.

      (5) Endlich, wem gehört denn die höchste Gewalt, dem römischen Volk oder euch? Wurde etwa durch die Vertreibung der Könige euch die Herrschaft oder allen gleiche Freiheit errungen? 2 Dem römischen Volk muss es freistehen, wenn es will, ein Gesetz zu genehmigen. Oder müsst ihr etwa, sobald ein Vorschlag ausgehängt wird, zur Strafe die Werbung anbefehlen? Und musst du als Konsul, sobald ich als Tribun die Bezirke zur Abstimmung berufen werde, die Dienstfähigen in Eid nehmen, ins Lager hinausführen und dem Bürgerstand und dem Tribun drohen wollen? 3 Ja, wenn ihr nicht schon zweimal erfahren hättet, wie wenig diese Drohungen gegen die Einmütigkeit der Bürger vermögen. Aber freilich, ihr enthieltet euch ja des Streites, weil ihr unser Bestes wolltet! Oder kam es nicht vielmehr darum zum Kampf, weil die stärkere Partei auch die gemäßigte war? – 4 Auch jetzt, ihr Quiriten, wird es nicht zum Streit kommen; euren Mut werden sie immer auf die Probe stellen, aber von eurer Stärke keine Erfahrung machen wollen.

      5 Zu den Kriegen also, ihr Konsuln, sie mögen erdichtet oder wahr sein, steht der Bürgerstand zu euren Diensten, wenn ihr mit Einräumung des Eherechts endlich Einheit in den Staat bringt, wenn sie sich an euch anschließen und durch nähere Verbindung sich mit euch vereinigen und verknüpfen dürfen, wenn der Zutritt zu Ehrenstellen tüchtigen und braven Männern gestattet wird, wenn sie mit euch an der Staatsregierung Anteil haben, zum Bund mit gehören, und wie es bei gleicher Freiheit sein muss, in jährlichen Ämtern abwechselnd gehorchen und gebieten sollen. 6 Will dies aber jemand verhindern, so redet immerhin von Kriegen, vervielfältigt sie durch Gerüchte, es wird sich niemand einschreiben lassen, niemand zu den Waffen greifen, niemand für stolze Gebieter kämpfen wollen, mit denen er weder in öffentlicher Kollegialität noch in häuslicher Verwandtschaft steht.

      (6) Als nun auch die Konsuln in die Versammlung kamen und auf die zusammenhängenden Reden ein Wortwechsel erfolgte, da antwortete ein Konsul dem Tribun auf die Frage, 2 warum denn ein Bürgerlicher nicht Konsul werden dürfe, vielleicht der Wahrheit, nur nicht dem Zeitpunkt der Erbitterung gemäß, weil kein Bürgerlicher die Vögel befragen dürfe, und deshalb hätten die Dezemvirn diese Ehen nicht zugelassen, damit nicht die gemischte Abkunft derer, welche die Vögel befragen müssten, hierein eine nachteilige Störung verursache. 3 Gerade dies entflammte die Bürgerlichen zum höchsten Unwillen, sich für Menschen halten zu lassen, die zur Beobachtung des Vogelfluges den unsterblichen Göttern viel zu missfällig wären. Und da der Bürgerstand in dem Tribun den entschlossensten Anführer fand und selbst mit ihm in Beharrlichkeit wetteiferte, so hörten die Streitigkeiten nicht eher auf, bis die besiegten Väter zu dem Vorschlag wegen der Ehen endlich ihre Zustimmung gaben. 4 Auf diese Art meinten sie, würden die Tribunen noch am ehesten den Streit über die bürgerlichen Konsuln entweder ganz aufgeben oder bis nach dem Krieg verschieben, und der unterdessen durch das Ehegesetz befriedigte Bürgerstand werde sich zur Werbung stellen. 5 Allein da den Canuleius sein Sieg über die Väter und seine Gunst bei den Bürgern zum großen Mann machte, verfochten die übrigen Tribunen um so streitlustiger auch ihren Vorschlag aus allen Kräften und widersetzten sich, obgleich die Kriegsgerüchte sich täglich mehrten, aller Werbung. 6 Die Konsuln, die durch den Senat beim Einspruch der Tribunen nichts zustande bringen konnten, berieten sich mit den Vornehmeren zu Hause. Es lag offen zu Tage, dass man entweder den Feinden oder den Mitbürgern den Sieg einräumen müsse. 7 Die einzigen von den Konsularen, welche diesen Beratungen nicht beiwohnten, waren Valerius und Horatius. Die Meinung des Cajus Claudius gab den Konsuln gegen die Tribunen die Waffen in die Hände. Die Quinctier hingegen – Cincinnatus und Capitolinus – fanden es unverantwortlich, Mord und Gewalt gegen Männer anzuwenden, die man in dem mit dem Bürgerstand getroffenen Vergleich als unverletzlich anerkannt habe.

      8 Durch diese Beratungen wurde die Sache dahin geleitet, dass man sich die Ernennung von Kriegstribunen mit konsularischer Gewalt gefallen lassen wollte, welche gemischt aus Adligen und Bürgerlichen gewählt sein könnten; hinsichtlich der Konsulwahl aber sollte keine Veränderung stattfinden. Und damit begnügten sich die Tribunen wie der Bürgerstand. 9 Darauf wurde ein Versammlungstag zur Wahl dieser Kriegstribunen mit konsularischer Gewalt bestimmt. Kaum war er angesetzt, da drückten alle, die sich in ihren Reden oder Taten als Aufrührer benommen hatten, hauptsächlich gewesene Tribunen, den Leuten die Hände und liefen in Festkleidern auf dem ganzen Markt umher, 10 so dass die Patrizier schon aus Verzweiflung, bei dieser Erbitterung des Bürgerstandes das Amt zu bekommen, zurücktraten, dann aber auch aus Unwillen, wenn sie es zugleich mit Leuten dieses Schlages führen sollten. Doch hielten sie endlich auf die dringenden Vorstellungen der Großen darum an, damit es nicht scheine, als hätten sie selbst den Besitz der Staatsregierung aufgegeben. 11 Der Ausgang dieses Wahltages war ein Beweis für die Verschiedenheit der Gesinnungen im Streit für Freiheit und Ehre, und in der Unbestechlichkeit des Urteils nach Beilegung des Streites. Denn das Volk wählte lauter Patrizier zu Tribunen und begnügte sich damit, dass man doch auf Bürgerliche Rücksicht genommen habe. 12 Wo würde man jetzt den Einzelnen mit dieser Mäßigung, Billigkeit und Hochherzigkeit finden, die damals das ganze Volk bewies?

      (7) Im Jahre 310 nach Erbauung Roms traten zum ersten Mal statt der Konsuln Kriegstribunen als Obrigkeit ins Amt: Aulus Sempronius Atratinus, Lucius Atilius und Titus Caecilius, in deren Amt die innere Einigkeit auch Frieden von außen gewährte. 2 Einige Schriftsteller sagen, ohne den Vorschlag, dass bürgerliche Konsuln hätten gewählt werden sollen, zu erwähnen, man habe wegen des zu dem Aequer- und Volskerkrieg und zu dem Abfall der Ardeaten noch hinzugekommenen Vejenterkrieges, weil zwei Konsuln so viele Kriege auf einmal nicht hätten bestreiten können, drei Kriegstribunen gewählt, welche dann auch konsularische Gewalt und Ehrenzeichen gehabt hätten. 3 Gleichwohl stand diese Art der Ausübung obrigkeitlicher Gewalt noch nicht fest begründet, denn schon im dritten Monat nach übernommenem Amt traten sie auf Beschluss der Augurn als fehlerhaft Gewählte von ihrer Stelle wieder ab, weil Caius Curtius, der bei ihrer Wahl den Vorsitz gehabt hatte, das Zelt nicht auf die rechte Weise aufgestellt hätte.

      4 Von Ardea kamen Gesandte nach Rom, die in


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