Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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gut gemacht würde. 5 Der Senat antwortete ihnen, der Beschluss des Volkes könne vom Senat nicht umgestoßen werden, auch würde er hierin nicht nur ohne Beispiel und unbefugterweise handeln, sondern müsse auch auf die Einigkeit der Stände Rücksicht nehmen. 6 Wenn die Ardeaten ihre Zeit abwarten und dem Senat die Milderung ihres Unrechtes anheim stellen wollten, so würden sie einst Ursache haben, sich späterhin zu freuen, dass sie sich in ihrem Zorn gemäßigt hätten, und hinterher einsehen, dass es der Väter ernstlicher Wille gewesen sei, Unrecht bei ihnen ebenso wenig eintreten als das eingetretene lange dauern zu lassen. 7 Die Gesandten sagten, sie wollten, ohne eine Enderklärung zu geben, die Sache melden, und wurden freundschaftlich entlassen.

      Da der Staat ohne höchste Obrigkeit war, traten die Patrizier zusammen und ernannten einen Zwischenkönig. Der Streit, ob Konsuln oder Kriegstribunen gewählt werben sollten, verlängerte die Zwischenregierungen auf mehrere Tage. 8 Der Zwischenkönig und der Senat wollten einen Wahltag für Konsuln, die Volkstribunen und die Bürger für Kriegstribunen angesetzt haben. Die Väter behielten die Oberhand, teils weil der Bürgerstand, der diese Ehrenstelle so gut wie jene an Patrizier geben wollte, einen fruchtlosen Streit sehr unnötig fand, 9 teils weil die Häupter des Bürgerstandes eine solche Wahl lieber sahen, bei welcher auf sie nicht Rücksicht genommen werden konnte, als die, bei der sie als Unwürdige zurückgewiesen würden. Auch die Volkstribunen gaben einen erfolglosen Streit zugunsten der vornehmsten Senatoren auf. 10 Titus Quinctius Barbatus wählte als Zwischenkönig die Konsuln Lucius Papirius Mugillanus und Lucius Sempronius Atratinus.

      Unter diesen Konsuln wurde das Bündnis mit den Ardeaten erneuert, und ebendies beurkundet, dass sie in diesem Jahr Konsuln waren, da sie sich sonst weder in den alten Jahrbüchern noch in den Verzeichnissen der Obrigkeiten finden. 11 Da im Anfang des Jahres Kriegstribunen gewesen waren, und diese Konsuln nur an deren Stelle nachgewählt wurden, so sind die Namen der Konsuln vermutlich in der Meinung ausgelassen worden, dass die Kriegstribunen das ganze Jahr regiert hätten. 12 Licinius Macer bezeugt, dass sie sich im ardeatischen Bündnisvertrag und in den auf Leinwand geschriebenen Büchern im Tempel der Moneta gefunden haben. Bei der Menge Drohungen, mit welchen die Nachbarn geschreckt hatten, blieb doch von außen alles ruhig und so auch im Inneren.

      (8) Diesem Jahr – mag es nun Tribunen allein oder auch als Stellvertreter der Tribunen Konsuln gehabt haben – folgt ein Jahr, das unstreitig Konsuln hatte, den Marcus Geganius Macerinus zum zweiten und den Titus Quinctius Capitolinus zum fünften Mal. 2 Es war das Anfangsjahr der Zensur, die von einem unscheinbaren Anfang ausging, später aber einen so großen Umfang bekam, dass ihr die Aufsicht über Roms Sitten und Zucht, über den Senat und die Ritterzenturien gehörte, das Erkenntnis über Ehre und Schande ein Amt dieser Obrigkeit wurde, und die Vorrechte aller öffentlichen und Privatplätze, so auch die Einnahme und Ausgabe der Staatseinkünfte des römischen Volkes von ihrer Entscheidung und ihrem Befehl abhingen. 3 Die Sache nahm damit ihren Anfang, dass die Schätzung des Volkes, das seit vielen Jahren nicht geschätzt worden war, nicht länger verschoben werden konnte, und sich doch die Konsuln bei den drohenden Kriegen so vieler Völker mit diesem Geschäft nicht befassen konnten. 4 Sie brachten es im Senat in Anregung, eine so mühevolle, für Konsuln gar nicht geeignete Verrichtung erfordere ihr besonderes Amt, von dem die Geschäfte der Schreiber, die Aufbewahrung und Anfertigung der Verzeichnisse und die Abfassung der Schätzungsformel abhängen könnten.

      5 Die Väter ließen sich die Sache, so klein sie schien, dennoch, damit sie desto mehr adlige Ämter im Staate hätten, gern gefallen; auch sahen sie vermutlich den wirklichen Erfolg voraus, dass demnächst das Ansehen derer, welche der Stelle vorständen, ihr selbst mehr Einwirkung und Hoheit zubringen werde. 6 Und die Tribunen, die darin mehr die Besorgung eines notwendigen Geschäftes – und das war es wirklich – als eines ehrenvollen fanden, widersetzten sich, um nicht unwillkommene Gegner auch in jeder Kleinigkeit zu sein, nur wenig. 7 Da sich die Ersten im Staat für diese Ehrenstelle zu groß hielten, so wählte das Volk durch Stimmenmehrheit den Papirius und Sempronius – über deren Konsulat gezweifelt wird –, um ihnen für ihr zu kurzes Konsulat durch dieses Amt Ersatz zu geben, zu Vorstehern der abzuhaltenden Schätzung. Den Namen Zensoren bekamen sie von der Sache (census).

      (9) Während dieser Vorgänge in Rom kamen Gesandte von Ardea mit der Bitte, um ihrer uralten Freundschaft, um ihres jüngst erneuerten Bündnisses willen ihrer beinahe zerstörten Stadt zu helfen. 2 Den Genuss des Friedens nämlich mit dem römischen Volk, den sie so redlich gehalten hätten, vermehrten ihnen innere Zwistigkeiten, deren Veranlassung und Ausbruch von einem Streit zwischen Parteien abhing, 3 einem Staatsübel, das so vielen Völkern verderblicher war und sein wird als auswärtige Kriege, als Hungersnot und Seuchen, und was man sonst als höchstes Staatsunglück dem Zorn der Götter zuschreibt.

      4 Um eine Jungfrau von bürgerlicher Abkunft, die hauptsächlich durch ihre Schönheit Aufsehen erregte, warben zwei junge Männer. Der eine war mit ihr gleicher Herkunft und verließ sich auf die Vormünder, welche ebenfalls jenem Stand angehörten, der andere, ein Adliger, war bloß von ihrer Schönheit bezaubert. 5 Ihn begünstigten die Bemühungen der Vornehmen, worüber der Streit der Parteien sogar bis in das Haus des Mädchens drang. Der Adlige bekam den Vorzug durch die Erklärung der Mutter, welche ihre Tochter so glänzend wie möglich verheiraten wollte, die Vormünder hingegen, auch hierin ihrem Parteigeist getreu, wünschten sie dem Ihrigen zuzuwenden. 6 Als sich die Sache zwischen vier Wänden nicht abmachen ließ, kam man vor Gericht. Die Obrigkeit erkannte, nachdem sie Mutter und Vormünder vernommen hatte, der Mutter das Recht zu, ihre Tochter zu verheiraten, wie sie wollte; 7 allein Gewalt vermochte mehr. Denn die Vormünder, die sich in öffentlichen Reden auf dem Markt gegen die Anhänger ihrer Partei über das Unrecht beklagten, das ihnen durch diesen Spruch geschehe, brachen mit einem Haufen in das Haus der Mutter ein und raubten das Mädchen. 8 Zu noch größerer Gewalttat traten gegen jene die Vornehmen bewaffnet auf, unter der Führung des durch die Beleidigung erbitterten Jünglings. Es kam zu einem blutigen Gefecht. Die geschlagenen Bürger, den römischen in allen Stücken unähnlich, zogen bewaffnet aus der Stadt, besetzten eine Anhöhe und verwüsteten von hier aus die Landgüter der Vornehmen mit Feuer und Schwert. 9 Durch die Hoffnung auf Beute lockten sie eine Menge Handwerker aus der Stadt, und eine Belagerung drohte nun auch den Einwohnern, die vorher an dem Streit nicht teilgenommen hatten. 10 Der Krieg zeigte sich in allen seinen Gestalten und traurigen Folgen, da sich die Raserei zweier Jünglinge, die auf den Trümmern ihrer Vaterstadt eine unglückliche Ehe führen wollten, als eine Ansteckung über den ganzen Staat verbreitete. 11 Auch waren für beide Teile die Hilfsmittel zum Krieg und sein Ausbruch im Innern noch nicht genügend. 12 Die Vornehmen riefen die Römer der belagerten Stadt zu Hilfe; die Bürgerlichen die Volsker, ihnen Ardea erobern zu helfen. Die Volsker erschienen unter Anführung des Aequers Cloelius zuerst vor Ardea und warfen vor den Mauern der Feinde einen Wall auf. 13 Als dies nach Rom gemeldet wurde, brach sogleich der Konsul Marcus Geganius mit einem Heer auf, schlug 3000 Schritte vom Feind entfernt sein Lager auf, und weil sich der Tag schon neigte, befahl er seinen Soldaten, sich durch Speise zu stärken. Um die vierte Nachtwache rückte er vor, und die angefangene Schanzarbeit ging so schnell vonstatten, dass sich die Volsker bei Sonnenaufgang mit einer stärkeren Verschanzung von den Römern eingeschlossen sahen, als womit sie selbst die Stadt einschlössen. 14 Von einer anderen Seite lehnte der Konsul einen Arm seines Walles an die Mauer von Ardea, damit seine Leute zur Stadt aus- und eingehen könnten.

      (10) Als der vom Wall umschlossene volskische Feldherr sein Heer, das er bis auf diesen Tag nicht von zusammengefahrenen Vorräten, sondern von dem auf dem Land nur für einen Tag geraubten Getreide erhalten hatte, plötzlich an allem Mangel leiden sah, forderte er den Konsul zu einer Unterredung auf und sagte, falls die Römer gekommen sein sollten, der Belagerung ein Ende zu machen, so sei er bereit, mit seinen Volskern abzuziehen.

      2 Hierauf erwiderte der Konsul, Besiegte müssten Bedingungen annehmen, nicht vorschreiben; und die Volsker sollten nicht ebenso eigenmächtig, wie sie gekommen waren, Bundesgenossen des römischen Volkes zu belagern, auch wieder abziehen, 3 sie müssten ihren Feldherrn und die Waffen ausliefern als Geständnis, dass sie besiegt und dem Gebot unterwürfig wären; sonst werde er als unversöhnlicher Feind, sie möchten weggehen oder bleiben, lieber einen Sieg über die Volsker als einen unsicheren Frieden mit nach Rom nehmen. 4 Da die Volsker, welche mit der schwachen Hoffnung auf ihre Waffen – denn jede andere war ihnen auf allen Seiten abgeschnitten


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