Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.machen, dass jeder, der an der Beute teilnehmen wolle, ins Lager vor Veji gehen möchte; 5 die andere des Appius Claudius, der dies als eine neue, verschwenderische, ungleiche und unüberlegte Schenkung verwarf und dafür stimmte, wenn sie es einmal für unrecht hielten, die den Feinden abgenommenen Summen in die durch Kriege erschöpfte Schatzkammer zu legen, so möchten sie dem Soldaten von diesem Geld den Sold zahlen, damit der Bürgerstand desto weniger an Steuern aufzubringen habe. 6 Alsdann würden nämlich den gemeinschaftlichen Genuss des Geschenks alle Häuser in gleichem Grad empfinden, nicht aber die raubgierigen Hände müßiger Städter den tapferen Kriegern ihren Lohn vorwegnehmen, da es gewöhnlich der Fall sei, dass der, der sich den meisten Beschwerden und Gefahren aussetze, gegen die Beute gleichgültiger sei. 7 Licinius hingegen sagte, auf diesem Geld werde ein ewiger Verdacht und Widerwille ruhen, und es werde Gelegenheit zu Anklagen vor dem Volk geben, dann zu Unruhen und neuen Vorschlägen. 8 Es sei also geratener, durch dieses Geschenk die Herzen des Bürgerstandes wieder zu versöhnen, den durch die Steuer so vieler Jahre Erschöpften und Ausgesogenen zu Hilfe zu kommen und ihnen den Gewinn von einem Krieg zugute kommen zu lassen, in dem sie beinahe alt geworden wären. Was jeder als eigenhändigen Raub vom Feind mit nach Hause bringe, das werde ihm lieber und angenehmer sein, als wenn er noch so mancherlei nach dem Gutdünken eines andern empfange. 9 Der Diktator selbst suche sich den daraus zu befürchtenden Vorwürfen und Beschuldigungen zu entziehen. Darum habe er die Sache dem Senat anheim gestellt. Nun müsse sie der Senat, da sie einmal an ihn gewiesen sei, dem Volk übergeben und jeden das behalten lassen, was ihm das Kriegsglück gegeben habe. 10 Diese Meinung hielt man für sicherer, weil sie den Senat als Volksfreund darstellte. Man machte also bekannt: Wer Lust habe, in Veji Beute zu machen, möge sich zum Diktator ins Lager begeben.
(21) Es zog eine ansehnliche Menge hin und erfüllte das Lager. Als der Diktator mit Genehmigung der Vögel ans Werk ging, erteilte er den Befehl, dass die Soldaten zu den Waffen greifen sollten, und sprach: 2 Unter deiner Führung, Pythischer Apollo, und von deiner Einwirkung getrieben, mache ich mich auf, die Stadt Veji zu zerstören, und gelobe dir den zehnten Teil der Beute. 3 Auch dich, Königin Juno, die du jetzt Veji bewohnst, bitte ich, uns Siegern in unsere, bald auch deine Stadt zu folgen, wo dich ein deiner Hoheit würdiger Tempel aufnehmen soll.
4 Nach diesem Gebet griff er bei seinem Übergewicht an Leuten die Stadt von allen Seiten an, um die von der Mine einbrechende Gefahr weniger bemerklich zu machen. 5 Die Vejenter, die nicht wussten, dass sie schon von eigenen Propheten und fremden Orakeln verraten seien, dass schon Götter eingeladen seien, an ihrer Beute teilzunehmen, und andere, durch Gelübde ihrer Stadt entlockt, sich schon nach Tempeln bei den Feinden und neuen Wohnsitzen sehnten, und dass dieser Tag ihr letzter sei, 6 die nichts weniger fürchteten, als dass eine unter ihren Mauern hingeführte Mine ihre Burg schon mit Feinden erfüllt habe, liefen mit den Waffen auf die Mauern und konnten sich nicht erklären, 7 warum die Römer, bei denen sich seit mehreren Tagen keiner von den Posten entfernt habe, jetzt, wie von einer plötzlichen Raserei ergriffen, so unerwartet an die Mauern heranstürmten. 8 Hier wird eine Geschichte erzählt: Als der König der Vejenter geopfert habe, habe die Versicherung des Opferschauers, dass dem der Sieg beschieden sei, der die Eingeweide dieses Opfertieres verschneiden würde, die römischen Soldaten, die dies in der Mine gehört hätten, bewogen, den Gang zu öffnen, das Opferfleisch zu rauben und zum Diktator zu bringen. 9 Bei Erzählungen von so hohem Alter will ich mich begnügen, das für wahr zu halten, was wahrscheinlich ist. Was sich aber, wie diese Angabe, mehr mit der Darstellung auf der Bühne, welche an Wundern Freude hat, als mit der Glaubwürdigkeit verträgt, das zu erhärten oder zu widerlegen lohnt nicht der Mühe.
10 Die Mine, die jetzt mit den auserlesensten Kriegern gefüllt war, spie plötzlich die Bewaffneten in den Tempel der Juno aus, der auf der vejentischen Burg stand. Ein Teil von ihnen griff die Feinde auf den Mauern im Rücken an, ein anderer erbrach die Tore, noch ein anderer steckte die Häuser in Brand, von deren Dächern Frauen und Sklaven Steine und Ziegel herabwarfen. 11 Überall ertönte ein Geschrei von Stimmen der Schreckenden und der Geängstigten, mit dem sich das Geheul der Frauen und Kinder vereinigte. 12 Da im Augenblick die Verteidiger von allen Seiten von der Mauer herabgetrieben und die Tore geöffnet waren, wurde die Stadt von Feinden erfüllt, die hier in hellen Haufen hereinstürmten, dort über die verlassenen Mauern stiegen, und an allen Orten wurde gekämpft. 13 Nach langem Gemetzel wurde der Kampf endlich schwächer, und der Diktator ließ durch Herolde den Befehl geben, die Wehrlosen zu schonen. Hier hatte das Blutvergießen ein Ende. 14 Nun ergaben sie sich ohne Waffen, und mit Erlaubnis des Diktators zerstreuten sich die Soldaten zum Plündern. Da er nun sah, wie sie sich mit einer weit größeren Beute und mit Sachen von weit höherem Wert trugen, als er gehofft und geglaubt hatte, soll er mit zum Himmel erhobenen Händen gebetet haben: 15 Wenn irgendeinem der Götter und Menschen sein und des römischen Volkes Glück zu groß schiene, so möchten doch die Römer damit abkommen, dass sie diesen Neid mit seinem und des Staates möglichst kleinem Nachteil büßten. 16 Wie er sich bei diesem Gebet umwandte, soll er gestolpert und gefallen sein; und als man sich nachher diesen Vorfall aus dem Erfolge zu erklären suchte, soll man ihn als eine Vorbedeutung angesehen haben, die sich auf die Verurteilung des Camillus selbst und weiter noch auf das nach wenigen Jahren erfolgte Unglück der Eroberung Roms bezogen habe. – 17 Dieser Tag nun wurde mit Niedermetzelung der Feinde und mit Plünderung einer der reichsten Städte hingebracht.
(22) Am folgenden Tag ließ der Diktator die Freigeborenen öffentlich verkaufen. Dieses einzige Geld wurde in den Schatz geliefert, aber nicht ohne den Zorn der Bürger; ja auch für die heimgebrachte Beute wussten sie weder dem Feldherrn Dank, weil er die Sache, die von ihm abhing, an den Senat übertragen habe, um diesem die zu machenden Abzüge unter den Fuß zu geben, noch auch dem Senat, 2 sondern der Licinischen Familie, aus welcher der Sohn die Sache vor den Senat gebracht, und der Vater zugunsten des Volkes den Vorschlag gemacht habe. 3 Als man schon alles Eigentum aus Veji abgeführt hatte, fing man nun an, auch die den Göttern geweihten Geschenke und die Götter selbst wegzubringen, aber mehr in einer Art der Verehrung, und nicht als ob man plünderte. 4 Und so traten die erlesensten Jünglinge des ganzen Heeres, denen die Überbringung der Königin Juno nach Rom anvertraut war, nachdem sie sich zur Weihe gebadet hatten, in weißen Gewändern ehrfurchtsvoll in den Tempel und legten mit frommer Scheu Hand an, 5 weil dieses Götterbild nach Etruskersitte kein anderer als ein Priester von einem bestimmten Stamm anrühren durfte. Auf einen von ihnen wirkte entweder göttlicher Einfluss, oder er tat die Frage aus jugendlichem Scherz: Willst du nach Rom gehen, Juno? Und da schrieen die Übrigen alle, die Göttin habe genickt. 6 Dann bekam die Erzählung den Zusatz, sie habe auch ein Ja hören lassen, wenigstens finden wir, dass sie sich durch Mittel von unbedeutender Gewalt von ihrer Stelle heben und als die gern Folgende leicht und willig überbringen ließ, 7 dass sie unversehrt auf dem Aventin, ihrem ewigen Sitz, anlangte, wohin sie der römische Diktator durch Gelübde eingeladen hatte, und wo ihr nachher von demselben Camillus der Tempel, den er ihr gelobt hatte, auch geweiht wurde.
8 Das war der Untergang von Veji, einer der mächtigsten Städte Etruriens, die ihre Größe noch bei ihrem Untergang kundgab, da sie nach einer zehn Sommer und Winter dauernden Belagerung nach weit mehr zugefügtem als erlittenem Schaden selbst zuletzt, als ihr Schicksal über sie hereinbrach, doch nur durch Kunst, nicht durch Gewalt erobert worden ist.
(23) In Rom erregte die Nachricht von der Eroberung Vejis, obgleich man die Abwendung aller Unglückszeichen besorgt hatte, die Weissagungen der Propheten und die Antwort des Pythischen Orakels kannte, auch, um alles zu tun, was sich nach menschlicher Erkenntnis für die Sache tun ließ, den größten aller Feldherren, den Marcus Furius, zum Anführer ausgesucht hatte, dessen ungeachtet, 2 weil man dort so viele Jahre lang mit abwechselndem Glück gekämpft und so manchen Verlust erlitten hatte, nicht anders, als käme sie völlig unerwartet, eine unendliche Freude; 3 und ehe noch der Senat den Befehl gab, waren schon alle Tempel voll von römischen Frauen, die den Göttern ihren Dank brachten. Der Senat ordnete ein Dankfest auf vier Tage an; so lange hatte noch keins in irgendeinem Krieg gedauert.
4 Auch die Ankunft des Diktators war dadurch, dass ihm alle Stände entgegenströmten, feierlicher als die irgendeines andern vor ihm, und sein Triumph überstieg die gewöhnliche Art, einen solchen Tag zu verherrlichen, bei Weitem. 5 Auf ihn selbst waren alle Blicke gerichtet, weil er bei seinem Einzug in die Stadt auf einem Wagen mit vier weißen Pferden fuhr, worin man aber nicht