Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.ist die Mühe, die angelegten Werke zu behaupten, die Sache zu beschleunigen, auszuharren und was man zu tun hat, abzutun? Und wirklich ist es bald getan, wenn es nur in einem Gang fortgeht und wir nicht durch Unterbrechungen und Pausen unsere Hoffnung weiter hinausschieben.
8 Doch ich rede hier von der Arbeit und von dem Zeitverlust. Wie aber, gestatten uns denn die wiederholten Zusammenkünfte Etruriens, die den Entsatz von Veji zum Zweck haben, die Gefahr zu vergessen, der wir uns durch Verlängerung des Krieges aussetzen? 9 Wie jetzt die Sachen stehen, sind die Etrusker gegen sie voll Zorn und Hass, schlagen ihnen alle Hilfesendung ab, und wenn es auf sie ankommt, mögen wir Veji erobern. Wer steht uns aber dafür, dass sie später, wenn wir den Krieg aufschieben, ebenso gesinnt sein werden, 10 da vielleicht, wenn wir ihnen eine Zwischenzeit gönnen, größere und wiederholte Gesandtschaften hingehen, da vielleicht der zu Veji gewählte König, woran sich jetzt die Etrusker stoßen, nach einiger Zeit abgeschafft werden kann, entweder nach dem Gemeinwillen des Volkes, um dadurch die Etrusker wiederzugewinnen, oder nach des Königs eigenem Entschluss, wenn er nicht will, dass die Rettung seiner Mitbürger durch sein Königtum gehindert werde?
11 Seht, wie mancherlei und wie schädliche Folgen aus einer solchen Verfahrensweise entspringen: der Verlust aller so mühsam angelegten Werke, die zu erwartende Verheerung unseres Landes, und statt des vejentischen ein Etruskerkrieg. 12 Dies, ihr Tribunen, sind eure Anschläge, wahrhaftig geradeso, als wenn man einem Kranken, der sogleich genesen könnte, wenn er sich mit einiger Standhaftigkeit behandeln ließe, nur für diesmal eine Speise, einen Trunk bewilligen wollte, durch deren Genuss die Krankheit langwierig und vielleicht unheilbar würde.
(6) Wenn es aber auch für diesen Krieg ganz ohne Bedeutung wäre, so ist es doch, bei Gott, für die Kriegszucht von großer Wichtigkeit, dass unser Soldat gewöhnt werde, nicht bloß den Sieg, der ihm entgegenkommt, sich gefallen zu lassen, 2 sondern auch bei einem zögernden Gang der Dinge nicht zu ermüden, bei noch so entfernter Aussicht das Ende zu erwarten, und sollte ein Krieg nicht gleich im Sommer beendet sein, den Winter kommen zu lassen, nicht aber, wie die Sommervögel, sich schon im Herbst nach der Heimat und dem Rückzug umzusehen. 3 Ich bitte euch, die Neigung zur Jagd und sein Vergnügen daran treibt so manchen durch Schnee und Reif in die Gebirge und Wälder, und wir wollten bei dem Notzwang des Krieges nicht die Standhaftigkeit zeigen, die eine bloße Lust, ein Vergnügen so oft uns abgewinnt? 4 Glauben wir denn, dass der Körper unserer Soldaten so verzärtelt, ihr Mut so erschlafft sei, dass sie nicht einen Winter im Lager aushalten und von Haus entfernt sein können? Dass sie, nicht anders, als hätten sie einen Seekrieg mit Benutzung des Wetters und Beachtung der Jahreszeit zu führen, weder Hitze noch Kälte ertragen könnten? 5 Gewiss, erröten würden sie, wenn ihnen einer dies vorwerfen würde, und darauf bestehen, dass es ihrem Mut und Körper noch nie an männlicher Ausdauer gefehlt habe, dass sie im Winter so gut wie im Sommer Kriege führen könnten, den Tribunen nicht aufgetragen hätten, Weichlichkeit und Trägheit in Schutz zu nehmen, und gerade durch dies tribunizische Amt daran erinnert würden, dass auch diese Gewalt ihre Vorfahren nicht unterm Dach oder im Schatten gegründet hätten. 6 So ist es der Tapferkeit eurer Krieger, so des römischen Namens würdig, dass wir nicht bloß Veji und den gegenwärtigen Krieg vor Augen haben, sondern uns auch für andere Kriege und bei anderen Völkern für die Zukunft einen Ruf erwerben. 7 Oder glaubt ihr, dass die daraus erwachsende Meinung von uns so unbedeutend sei? Wollt ihr etwa lieber, dass die Nachbarn in uns Römern ein Volk sehen, von dem auch nicht einmal eine Stadt etwas Weiteres zu fürchten habe, sobald sie nur den ersten schnell vorübergehenden Angriff abgeschlagen hat? 8 Oder soll der Schrecken unseres Namens darin bestehen, dass kein Überdruss einer langwierigen Bestürmung, keine Strenge des Winters ein römisches Heer von einer einmal umschlossenen Stadt entfernen kann, dass es keinen andern Ausgang des Krieges kennt als den Sieg, und in seinen Kriegen nicht bloß den mutigen Angriff, sondern auch Beharrlichkeit zeigt, 9 die freilich in jeder Art des Kriegsdienstes, hauptsächlich aber bei Belagerungen notwendig ist, da die meisten Städte, wären sie auch durch Werke und natürliche Lage unüberwindlich, die Zeit selber durch Hunger und Durst besiegt und erobert, 10 wie sie auch Veji erobern wird, wenn nicht die Volkstribunen den Feinden Hilfe leisten, und die Vejenter Beistand in Rom finden, den sie in Etrurien vergeblich suchen. 11 Was könnte wohl den Vejentern erwünschter kommen, als eine allgemeine Empörung, zuerst in Rom, und dann wie durch Ansteckung auch im Lager? 12 Dahingegen ist wahrhaftig bei den Feinden ein solcher Gehorsam, dass bei ihnen kein Überdruss der Belagerung, selbst nicht des Königtums, die geringsten Unruhen veranlasst, nicht die Versagung etruskischer Hilfe sie gereizt hat. 13 Jeder Anstifter eines Aufruhrs muss dort auf der Stelle sterben, und auch nicht einer darf sich erlauben, das zu sagen, was bei euch ungestraft jeder sagt. 14 Wenn unser Soldat fahnenflüchtig wird oder seinen Posten verlässt, verdient er die Prügelstrafe. Aber Leuten, die nicht etwa einen oder den andern Krieger, sondern ganze Heere auffordern, fahnenflüchtig zu werden und das Lager zu verlassen, hört man öffentlich in der Versammlung zu. 15 So sehr seid ihr schon gewöhnt, alles, was ein Volkstribun spricht, und würde Landesverrat und Auflösung des Staates dadurch bewirkt, mit Beifall anzuhören, und von den Reizen dieses Amtes bezaubert, lasst ihr jeden Frevel sich hinter ihm verstecken. 16 Es fehlt weiter nichts, als dass sie ebendies, womit sie hier so laut sind, im Lager und bei den Soldaten vortragen, unsere Heere verführen und ihnen den Gehorsam gegen die Feldherren untersagen, 17 weil erst das in Rom Freiheit heißt, Senat, Obrigkeiten, Gesetze, Gebräuche unserer Vorfahren, Einrichtungen unserer Väter und Kriegszucht nicht weiter zu achten.
(7) Schon war Appius selbst in den Volksversammlungen den Volkstribunen gewachsen, als ihm plötzlich ein Vorfall, von dem man es am wenigsten erwartet hätte, eine vor Veji erlittene Niederlage, in seiner Sache das Übergewicht gab, bei den Ständen eine größere Einigkeit und die Kampflust vergrößerte, Veji um so hartnäckiger zu belagern. 2 Denn als der Belagerungswall bis an die Stadt vorgerückt war und die Schutzdächer schon der Mauer nahe waren, öffnete sich bei Nacht, als man die Werke nicht mit der Sorgfalt bewachte, mit der man sie bei Tag förderte, plötzlich ein Tor, und eine zahlreiche Menge, größtenteils mit Fackeln bewaffnet, legte allenthalben Feuer an, 3 und in einer unglücklichen Stunde verzehrte die Feuersbrunst den Belagerungsbau und die Schutzdächer, das Werk einer so langen Zeit; und eine Menge Menschen, die vergebens Hilfe leisten wollten, vernichtete das Schwert oder das Feuer.
4 Als diese Nachricht in Rom eintraf, erregte sie Trauer bei allen, bei dem Senat Besorgnis und Furcht, dass vollends nunmehr der Aufruhr sich weder in der Stadt noch im Lager werde zurückhalten lassen, und dass die Tribunen dem Staat als Sieger mitspielen würden, 5 als unerwartet diejenigen, denen bei ihrem Rittervermögen kein Pferd vom Staat angewiesen war, vor dem Senat erschienen und auf erhaltene Erlaubnis zu reden, sich erboten, sie wollten den Dienst auf eigenen Pferden tun. 6 In den ehrenvollsten Ausdrücken stattete ihnen der Senat seinen Dank ab; das Gerücht drang auf den Markt und durch die Stadt, und plötzlich sammelte sich vor dem Rathaus eine Menge Bürger. 7 Nun sei die Reihe, sagten sie, an dem Stand, der zu Fuß diene, dem Staat einen außerordentlichen Dienst anzubieten; man möge sie nun vor Veji oder sonstwohin führen, wenn man sie nach Veji führte, so wollten sie nicht eher zurückkehren, bis sie die feindliche Stadt erobert hätten.
8 Da konnte man sich in der überströmenden Freude kaum mäßigen. Man gab nicht etwa, wie bei den Rittern, den obrigkeitlichen Personen den Auftrag, ihnen zu danken, 9 auch wurden sie ebenso wenig in das Rathaus gerufen, um ihnen da die Antwort zu erteilen, als sich der Senat selbst durch die Schwelle des Rathauses beschränken ließ, sondern von oben herab gab jeder mit Hand und Mund der auf dem Platz stehenden Menge die allgemeine Freude zu erkennen. 10 Rom, sagten sie, sei bei einer solchen Eintracht glücklich, unüberwindlich, ewig. Sie priesen die Ritter, priesen die Bürger, erhoben selbst den Tag mit Lobpreisungen und gestanden selbst, man habe es der Güte und Wohltätigkeit des Senates noch zuvorgetan. 11 Vätern und Bürgern rannen Freudentränen um die Wette, bis die Väter ins Rathaus zurückgerufen und folgender Senatsbeschluss ausgefertigt wurde: 12 Die Kriegstribunen sollten sowohl denen, die zu Fuß, als denen, die zu Pferd dienten, vor einer zusammenberufenen Versammlung Dank sagen und ihnen versichern, dass der Senat ihre Liebe zum Vaterland nicht vergessen werde. Es solle aber allen dieser außerordentliche Dienst, wozu sie sich freiwillig erboten