Römische Geschichte. Livius Titus

Читать онлайн книгу.

Römische Geschichte - Livius Titus


Скачать книгу
ihrem gegen die Väter so feindseligen Stamm auf dieses Jahr drei zu Volkstribunen gewählt waren, welche dem ohnehin schon höchst gierigen Volk eine Menge von Aussichten auf viele und wichtige Veranstaltungen vorspiegelten 5 und dabei versicherten, sie würden von alledem nichts vorschlagen, wenn das Volk auch nicht einmal bei der Quästorenwahl, der einzigen, die der Senat zur gemischten Anstellung von Bürgerlichen und Adligen dem Bürgerstand übriggelassen habe, Mut genug hätte, sich zu dem zu erheben, was es sich schon so lange gewünscht habe und wozu es gesetzlich berechtigt sei. 6 Folglich errang der Bürgerstand hierin einen großen Sieg, und er schätzte die errungene Quästur nicht nach dem Wert des Amtes selbst, sondern glaubte, dadurch dem Bürgeradel den Zutritt zum Konsulat und zu Triumphen geöffnet zu sehen.

      7 Die Väter hingegen tobten, als wenn die Ehrenstellen nicht geteilt, sondern verloren wären. Wenn es so zugehen solle, sagten sie, brauche man keine Kinder mehr aufzuziehen, weil diese, vom Platz ihrer Ahnen verdrängt, andere im Besitz ihrer Würde sehen und zu nichts anderem hinterlassen würden, als dass sie als Salier und Eigenpriester für das Volk opferten, ohne alle Befehlshaberstellen und Macht. 8 Da beide Parteien gereizt waren, der Bürgerstand übermütig geworden war und aus einer durch Verteidigung des Volkes so berühmten Familie drei Führer hatte, suchten die Väter, welche voraussehen konnten, dass jeder Wahltag, an welchem die Bürger aus beiden Ständen wählen dürften, ein Gegenstück zu dem quästorischen abgeben werde, eine Konsulnwahl zu bewirken. 9 Die Icilier hingegen behaupteten, man müsse Kriegstribunen wählen und endlich einmal Bürgerliche an den Staatsämtern teilnehmen lassen.

      (55) Es trat aber keine konsularische Verhandlung ein, durch deren Behinderung sie ihre Absicht hätten erzwingen können, bis endlich – wie gerufen – die Nachricht einlief, die Volsker und Aequer wären ausgerückt, um im Gebiet der Latiner und Herniker zu plündern. 2 Als nun die Konsuln vermöge eines Senatsbeschlusses für diesen Krieg zur Werbung schritten, widersetzten sich die Tribunen aus allen Kräften und nannten dies eine wunderbare Gunst des Geschicks für sie und den Bürgerstand. 3 Es waren ihrer drei, lauter unternehmende Männer, und unter den Bürgerlichen gehörte ihre Familie schon zu den höheren. Zwei von ihnen machten es sich zur angelegentlichen Aufgabe, jeder einen Konsul beständig zu bewachen, und einer hatte die Bestimmung, durch öffentliche Reden die Bürger teils zu beschäftigen, teils zu erregen. 4 Die Konsuln brachten ebenso wenig die Werbung als die Tribunen den bezweckten Wahltag zustande. Endlich, weil sich das Glück auf die Seite der Bürger neigte, kamen Nachrichten, die Aequer hätten, während sich die Besatzung der Burg von Carventum zum Plündern zerstreut habe, die schwach besetzte Wache niedergemacht und die Burg erobert. Die Besatzung sei teils auf ihrem Rückzug zur Burg, teils in der Zerstreuung auf dem Land erschlagen worden. 5 Dieser dem Staat widrige Vorfall gab der Forderung der Tribunen neue Stärke. Denn da sie nach allen vergeblichen Zumutungen, doch jetzt endlich von der Verhinderung des Krieges abzustehen, weder dem Sturm, der das Ganze bedrohte, noch den für sie selbst daraus erwachsenden Vorwürfen nachgaben, setzten sie es durch, dass nach einem Senatsbeschluss Kriegstribunen gewählt werden sollten, doch stellte man als ausdrückliche Bedingung auf, 6 dass keiner in Betracht käme, der in diesem Jahr Volkstribun gewesen sei, noch irgendein Volkstribun auf ein neues Jahr wiedergewählt würde, 7 wodurch der Senat ganz offenbar die Icilier bezeichnete, die er im Verdacht hatte, als hätten sie sich für ihr aufrührerisches Tribunat mit einem Konsulat belohnen lassen wollen.

      Nun hielt man Werbung und stellte unter Zustimmung aller Stände Kriegsrüstungen an. 8 Ob beide Konsuln gegen die Burg von Carventum auszögen, oder ob der eine zur Haltung des Wahltages zurückgeblieben sei, machen die verschiedenen Berichte zweifelhaft. Als gewiss kann man annehmen, worin sie nicht voneinander abweichen, dass man von der Burg von Carventum nach langer vergeblicher Belagerung abzog, dass ebendies Heer Verrugo im Volskerland wiedereroberte,59 das Aequer- und Volskergebiet verheerte und große Beute machte.

      (56) Zu Rom gab der Erfolg des Wahltages, sowie die Bürger darin siegten, dass der ihnen wünschenswerte Wahltag gehalten werden musste, den Vätern den Sieg, 2 denn gegen alle Erwartung wurden als Kriegstribunen mit konsularischer Gewalt lauter Patrizier, Caius Julius Julus, Publius Cornelius Cossus und Caius Servilius Ahala gewählt. 3 Man sagt den Patriziern einen angewandten Kunstgriff nach, dessen auch damals die Icilier sie beschuldigten: Sie hätten nämlich mit den Würdigen einen Schwarm unwürdiger Bewerber auftreten lassen und durch die bei einigen auffallende Unrechtlichkeit die bürgerlichen alle dem Volk verhasst gemacht.

      4 Darauf ging das Gerücht, die Volsker und Aequer, welche entweder die Behauptung der Burg von Carventum mit Hoffnung oder der Verlust der Besatzung von Verrugo mit Rache beseelt habe, hätten sich mit ihrer ganzen Macht zum Krieg erhoben; 5 an der Spitze des Ganzen stünden die Antiaten; ihre Gesandten hätten die Stämme beider Hauptvölker besucht und ihnen ihre Feigheit vorgeworfen, weil sie im vorigen Jahr hinter ihren Mauern versteckt die plündernden Römer in ihrem Land hätten umherstreifen und die Besatzung von Verrugo überfallen lassen; 6 nicht bloß bewaffnete Heere, sogar Kolonisten würden ihnen schon ins Land geschickt, und die Römer teilten sich nicht nur selbst in ihr Eigentum, sondern hätten auch das ihnen abgenommene Ferentinum den Hernikern geschenkt. 7 Da sie auf diese Weise zum Unwillen entflammt wurden, ließ sich, wohin sie kamen, eine Menge Dienstfähiger anwerben. Die Mannschaft aller Völkerstämme zog sich nach Antium zusammen, schlug dort ein Lager auf und erwartete den Feind. 8 Als man dies mit beunruhigenden Übertreibungen in Rom meldete, befahl der Senat sogleich – was sonst nur in der Bedrängnis das letzte Mittel war –, einen Diktator zu ernennen. 9 Dadurch sollen sich Julius und Cornelius beleidigt gefunden und die Sache selbst einen hitzigen Streit veranlasst haben; 10 denn die Häupter der Väter, die sich vergeblich darüber beklagten, dass sich die Kriegstribunen dem Gutachten des Senates nicht fügen wollten, sprachen zuletzt sogar die Hilfe der Volkstribunen an und beriefen sich auf Beispiele, wo diese Macht in einem ähnlichen Fall auch gegen Konsuln zwangsweise verfahren sei, die Volkstribunen hingegen, denen die Uneinigkeit der Väter Freude machte, versicherten, 11 Leute, die nicht als Bürger, ja nicht einmal als Menschen angesehen würden, wären auch außerstande zu helfen. 12 Wenn einmal die Ämter mit Gliedern beider Stände besetzt und ihnen an der Regierung Anteil gestattet sein würde, dann würden sie darauf achten, dass nie ein Senatsbeschluss durch den Übermut der Beamten vereitelt werde; 13 bis dahin möchten die Patrizier, die sich über alle Achtung vor Gesetzen und Obrigkeiten hinwegsetzten, dem Geschäft des Tribunats sich selbst unterziehen.

      (57) Dieser ganz unzeitige Streit beschäftigte die Aufmerksamkeit der Väter, wo solch ein wichtiger Krieg unmittelbar bevorstand, 2 bis der Kriegstribun Servilius Ahala, als Julius und Cornelius einer um den andern in langen Reden auseinandergesetzt hatten, wie unbillig es sei, das vom Volk ihnen übertragene Amt ihnen zu entreißen, da sie doch selbst zu Feldherren in diesem Krieg vollkommen tauglich wären, sich endlich so erklärte: 3 Er habe bis jetzt geschwiegen, nicht weil er unschlüssig gewesen sei – denn welcher redliche Bürger schließe sich mit seinen eigenen Maßregeln von den das Staatswohl Bezweckenden aus? –, sondern weil er gewünscht habe, seine Amtsgenossen möchten sich lieber aus eigenem Entschluss dem Gutachten des Senats unterwerfen, als das Tribunat gegen sich in Anspruch nehmen lassen. 4 Sogar jetzt hätte er ihnen, wenn es die Umstände erlaubten, gern Zeit gelassen, ihre zu hartnäckige Erklärung zurückzunehmen, da aber der Drang des Krieges nicht so lange warte, bis Menschen sich besonnen, so solle ihm das allgemeine Beste mehr als das Wohlwollen seiner Amtsgenossen gelten; 5 und wenn der Senat bei seiner Meinung beharre, wolle er in der nächsten Nacht den Diktator ernennen, und, falls etwa eine Einsprache keinen Senatsbefehl zustande kommen ließe, sich durch das bloße Gutachten für hinlänglich berechtigt halten.

      6 Da er dadurch verdiente Lobeserhebungen und Danksagungen von allen erntete, gewährte er nach Ernennung des Publius Cornelius zum Diktator, von dem er selbst wieder zum Magister Equitum gewählt wurde, wenn man ihn mit seinen Amtsgenossen verglich, den Beweis, dass Ehre und Gunst nicht selten dem zufallen, der sie am wenigsten sucht.

      7 Der Krieg war nicht bedeutend. Bei Antium wurden die Feinde in einem einzigen, noch dazu leichten Treffen geschlagen. Das siegreiche Heer plünderte das Land der Volsker aus. Eine kleine Festung am See Fucinus wurde mit Sturm erobert und 3000 zu Gefangenen gemacht, denn die übrigen Volsker waren in ihre Städte zurückgetrieben und ließen ihr Land unverteidigt. 8 Der Diktator, der den Krieg so geführt hatte, dass man nur nicht sagen konnte, er


Скачать книгу