Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.Endlich, als er seinem Zorn keine Schranken setzte, und auf das Geschrei derer, die auf seinen Befehl unter aufgelegten Hürden ersäuft werden sollten, ein Auflauf entstand, lief er selbst in Wut zu denen, die der Vollziehung wehren wollten, von der Richterbühne hinab. 5 Da nun hier die allenthalben dreinschlagenden Liktoren und Hauptleute dem Haufen übel zusetzten, kam der Unwille zu einem so heftigen Ausbruch, dass der Kriegstribun von seinem Heer gesteinigt wurde.
6 Als diese grässliche Tat nach Rom gemeldet wurde und die Kriegstribunen durch den Senat Untersuchungen über den Tod ihres Amtsgenossen anstellen wollten, erhoben die Volkstribunen Einspruch. 7 Dieser Zwist aber hing von einem anderen Streit ab, nämlich dem, dass die Väter befürchteten, die Bürger möchten aus Furcht vor Untersuchungen und aus Erbitterung Kriegstribunen vom Bürgerstand wählen, und sie gaben sich alle Mühe, eine Konsulwahl zu bewirken. 8 Da aber die Volkstribunen keinen Senatsbeschluss zustande kommen ließen und zugleich durch ihren Einspruch jeden konsularischen Wahltag hintertrieben, kam man wieder auf eine Zwischenregierung zurück. Am Ende siegten die Väter.
(51) Als der Zwischenkönig Quintus Fabius Vibulanus den Wahltag abhielt, wurden Aulus Cornelius Cossus und Lucius Furius Medullinus zu Konsuln gewählt. 2 Unter diesen Konsuln wurde im Anfang des Jahres ein Senatsbeschluss abgefasst, dass die Tribunen je eher je lieber auf eine Untersuchung des an Postumius verübten Mordes bei dem Bürgerstand antragen und ihm überlassen sollten, wem er die Leitung derselben übertragen wolle. 3 Der Bürgerstand übergab dieses Amt mit Zustimmung des Volkes den Konsuln, welche mit der äußersten Mäßigung und Milde, indem sie die Sache durch die Hinrichtung einiger wenigen abtaten, von denen man fast allgemein glaubte, dass sie sich selbst das Leben genommen hätten, es dennoch nicht erlangen konnten, dass nicht die Bürger darüber sehr unzufrieden geworden wären. 4 Verordnungen, die zu ihrem Besten vorgeschlagen würden, lägen nun schon so lange ohne Wirkung, während ein Befehl, mit welchem es gegen sie auf Blut und Todesstrafen abgesehen sei, sogleich in Wirksamkeit trete und so große Kraft habe.
5 Jetzt wäre es die geeignetste Zeit gewesen, nach Bestrafung der Aufrührer den Gemütern durch die Verteilung der Botanischen Ländereien entgegenzukommen, und dadurch würde man die Sehnsucht nach einem Vorschlag der Landverteilung, der die Väter aus dem unrechtmäßigen Besitz der Staatsländereien vertrieb, gemildert haben. 6 So aber verdross die Bürger gerade das am meisten, dass der Adel nicht nur die Staatsländereien, die er gewaltsam im Besitz hatte, hartnäckig festhielt, sondern auch nicht einmal ein herrenloses, erst kürzlich dem Feind abgenommenes Stück Land, das demnächst wie alle übrigen die Beute einiger Weniger werden musste, an den Bürgerstand verteilen lassen wollte.
7 In demselben Jahr eroberten die unter dem Konsul Furius gegen die Verheerungen der Volsker ins Gebiet der Herniker ausgerückten Legionen, weil sie dort den Feind nicht mehr fanden, die Stadt Ferentinum, in der sich eine große Menge Volsker gesammelt hatte. 8 Die Beute war unter ihrer Erwartung, weil die Volsker, als ihre Hoffnung, die Stadt behaupten zu können, sank, in der Nacht alles fortschafften und die Stadt verließen. Beinahe menschenleer wurde sie am folgenden Tag erobert. Das Gebiet selbst wurde den Hernikern geschenkt.
(52) An die Stelle der Tribunen, durch deren Mäßigung dies Jahr so ruhig gewesen war, trat nun der Volkstribun Lucius Icilius, unter den Konsuln Quintus Fabius Ambustus und Caius Furius Pacilus. 2 Da dieser gleich im Anfang des Jahres, als ruhte auf seinem Namen und Geschlecht diese Bestimmung, durch Ankündigung von Ackergesetzen Unruhen erregte, 3 zog eine ausbrechende Seuche, die indes mehr furchtbar als tödlich war, die Gedanken der Einwohner vom Markt und den öffentlichen Streitigkeiten ab auf ihr Haus und auf die Sorge der körperlichen Pflege, und man glaubt, sie sei weniger verderblich gewesen, als der Aufruhr gewesen wäre.
4 Als der Staat dieses Seuchejahr, in dem zwar viele erkrankten, aber nur sehr wenige starben, überstanden hatte, folgte auf das ungesunde Jahr, wie gewöhnlich, unter den Konsuln Marcus Papirius Atratinus und Caius Nautius Rutilus Getreidemangel, weil der Ackerbau vernachlässigt worden war. 5 Fast wäre die Hungersnot drückender als die Seuche geworden, wenn man nicht durch Gesandtschaften, welche zum Ankauf von Getreide bei allen am Etruskermeer und am Tiber wohnenden Völkern umhergeschickt wurden, für Lebensmittel gesorgt hätte. 6 Mit Härte wurde den Gesandten von den Samniten, welche Capua und Cumae innehatten, der Einkauf untersagt, dagegen waren die Alleinherrscher58 Siziliens gern bereit, sie zu unterstützen, und die reichsten Ladungen führten ihnen bei der größten Bereitwilligkeit die Etrusker auf dem Tiber zu. 7 Die Menschenleere in der kranken Stadt machte sich den Konsuln auch dadurch fühlbar, dass sie sich genötigt sahen, weil sich zu den verschiedenen Gesandtschaften nur immer ein Ratsherr fand, noch zwei Ritter zuzugesellen. 8 Krankheit und Teuerung ausgenommen, gab es in diesen zwei Jahren keine weiteren Störungen, weder im Innern noch von außen. Sobald aber diese Sorgen verschwunden waren, erwachten alle die Übel, die den Staat zu beunruhigen pflegten: innere Zwietracht und Krieg nach außen.
(53) Unter den Konsuln Manius Aemilius und Caius Valerius Patitus rüsteten sich die Aequer zum Krieg, während die Volsker, wenn sie schon nicht nach einem Beschluss des Staates die Waffen ergriffen, freiwillig für Sold Dienste nahmen. 2 Da dem Konsul Valerius, der auf die Nachricht von ihren Feindseligkeiten – denn sie waren schon in das Gebiet der Latiner und Herniker eingerückt – eine Werbung hielt, der Volkstribun Marcus Maenius, um die vorgeschlagene Landverteilung zu erzwingen, sich widersetzte, und im Vertrauen auf den Schutz des Tribuns sich niemand wider Willen den Soldateneid aufdrängen ließ, 3 kam plötzlich die Nachricht, die Feinde hätten schon die Burg von Carventum besetzt. 4 Diese Schmach gereichte teils dem Maenius bei den Vätern zum Vorwurf, teils gab sie den übrigen Tribunen, mit denen die Einsprache gegen die vorgeschlagene Landverteilung schon verabredet war, einen um so gerechteren Vorwand, sich ihrem Amtsgenossen zu widersetzen. 5 Da also diese Streitigkeiten die Sache lange aufhielten, und die Konsuln Götter und Menschen zu Zeugen riefen, dass die ganze Schuld an jedem von den Feinden schon erlittenen oder noch zu befürchtenden Unglück und Schimpf auf Maenius falle, weil er die Werbung verhindere, und Maenius dagegen schrie: 6 Wenn die unrechtmäßigen Eigentümer vom Besitz der Staatsländereien abträten, so wolle er der Werbung weiter nicht hinderlich sein – da machte der dazwischen tretende Beschluss von neun Tribunen dem Streit ein Ende, und sie erklärten im Namen ihres Kollegiums: 7 Wenn der Konsul Valerius zur Forderung der Werbung gegen die sich Weigernden Strafen oder Zwangsmittel anwendete, so würden sie gegen die Einsprache ihres Amtsgenossen auf seiner Seite sein. 8 Mit diesem Beschluss gewappnet ließ der Konsul einige wenige, welche den Tribun zur Hilfe aufriefen, mit dem Strick um den Hals wegführen, und aus Furcht leisteten die Übrigen den Eid. 9 Das vor die Burg von Carventum geführte Heer, vom Konsul gehasst und erbittert auf ihn, warf dennoch voll Mut gleich bei seiner Ankunft die darin liegende Besatzung herab und gewann die Burg wieder. Die Sorglosigkeit, mit der sich ein Teil der Besatzung auf Plünderung verlaufen hatte, erleichterte den Stürmenden die Arbeit, 10 weil die Feinde bei ihren fortdauernden Verheerungen alles in dem festen Platz zusammengetragen hatten, war die Beute bedeutend. Der Konsul versteigerte sie öffentlich, ließ die Quästoren den Ertrag in die Staatskasse abliefern und sagte laut, alsdann solle das Heer an der Beute teilnehmen, wenn es sich willig zum Dienst zeigte. 11 Dadurch stieg der Unwille gegen den Konsul bei den Bürgern und bei den Soldaten. Als er nun nach einem Senatsbeschluss im kleinen Triumph in Rom einzog, ließen die Soldaten in den kunstlosen Liedern, welche sie in ihrer Ausgelassenheit sangen, Schmähungen auf den Konsul mit dem laut verkündigten Lob des Maenius abwechseln, 12 und so oft der Tribun erwähnt wurde, wetteiferte die Zuneigung des Volkes durch Beifallklatschen und Einstimmung in das Geschrei der Soldaten. Gerade dies erregte bei den Vätern mehr Besorgnis als der Mutwille der Soldaten gegen den Konsul, der beinahe schon zur Feierlichkeit gehörte. 13 In der Voraussetzung, dass dem Maenius eine Stelle unter den Kriegstribunen, falls er darum anhielte, nicht fehlschlagen könne, machten sie ihm diese durch Aufstellung eines konsularischen Wahltages unmöglich.
(54) Zu Konsuln wurden gewählt Cnaeus Cornelius Cossus und zum zweiten Mal Lucius Furius Medullinus. 2 Noch nie hatte es der Bürgerstand übler empfunden, dass man ihn keine Kriegstribunen hatte wählen lassen, seine Empfindlichkeit zeigte er bei der Quästorwahl und rächte sich zugleich dadurch, dass er jetzt zum ersten Mal bürgerliche Quästoren wählte, 3 so dass unter vier zu Erwählenden nur für einen Adligen, den Kaeso Fabius Ambustus, eine Stelle blieb, und drei vom Bürgerstand, Quintus Silius, Publius Aelius und Publius Pupius den jungen