Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.der mit Rauch gemischt sich erhob, entzog den Augen der Soldaten wie den Pferden das Licht, mochte aber den Männern der Anblick schreckhaft sein, die Pferde schreckte er nicht. Wo also die Reiterei durchbrach, da schien alles vor ihr zusammenzustürzen.
9 Da erscholl ein neues Geschrei, und als sich beide Heere in Verwunderung dorthin wandten, rief der Diktator laut, der Unterfeldherr Quinctius habe mit seiner Schar den Feind im Rücken angegriffen, und nun hieß er auch die Seinigen mit erneutem Geschrei um so schneller vorrücken. 10 Da also zwei Schlachtreihen, zwei Treffen von entgegengesetzten Seiten die umzingelten Etrusker von vorn und von hinten bedrängten, und der Weg zur Flucht rückwärts ins Lager weniger möglich war als zu den Gebirgen hin, von denen herab der neue Feind sich ihnen entgegengeworfen hatte, auch die zügellosen Rosse die Reiterei über das ganze Feld verbreitet hatten, stürzte der größte Teil der Vejenter in vollem Lauf dem Tiber zu, 11 und die Fidenaten, so viele ihrer übrig waren, suchten ihre Stadt Fidenae zu erreichen. In der Bestürzung führte sie die Flucht mitten in das Blutbad hinein. Sie wurden an den Ufern niedergehauen, andere in das Wasser getrieben und von Strudeln verschlungen, vor Ermattung, Wunden und Bestürzung sanken auch die, welche schwimmen konnten; nur wenige von der Menge retteten sich durch Schwimmen. Der andere Schwarm rannte durch das Lager in die Stadt. Ebendahin treibt auch das Ungestüm die verfolgenden Römer, 12 namentlich den Quinctius und die mit ihm soeben vom Gebirge Herabgekommenen; sie waren die Kampfeifrigsten von allen, weil sie erst gegen Ende der Schlacht eingetroffen waren.
(34) Nachdem sie mit den Feinden in das Tor eingedrungen waren, gewannen sie die Mauer und gaben den Ihrigen von der Mauer herab das Zeichen, dass die Stadt erobert sei. 2 Kaum merkte dies der Diktator ‒ denn auch er war schon in das verlassene feindliche Lager eingerückt ‒, da bewog er seine Soldaten, so gern sie sich hier zum Plündern verteilt hätten, durch die Hoffnung auf eine noch größere Beute in der Stadt, ihm an das Tor zu folgen, und als er eingelassen war, zog er zur Burg, wohin er die Scharen der Flüchtigen stürzen sah. 3 Das Gemetzel war in der Stadt ebenso groß wie in der Schlacht, bis endlich die Feinde die Waffen wegwarfen, nur um ihr Leben baten und sich dem Diktator ergaben. Stadt und Lager wurden geplündert. 4 Am folgenden Tag bekam jeder, vom Reiter hinauf bis zum Hauptmann, einen Gefangenen, so wie er durch das Los ihm zufiel, und wer sich durch Tapferkeit ausgezeichnet hatte, zwei. Nachdem der Diktator die übrigen versteigert hatte, führte er sein siegreiches, mit Beute beladenes Heer im Triumph nach Rom, 5 ließ den Magister Equitum sein Amt niederlegen und dankte gleichfalls ab, so dass er binnen sechzehn Tagen die Regierung im Frieden wieder abgab, die er im Krieg und in der Zeit der Not übernommen hatte.
6 Einige Jahrbücher erwähnen auch eine Flotte, die sich bei Fidenae mit den Vejentern geschlagen habe. Dies ist ebenso unglaublich, als es untunlich war, da der Strom hierzu auch jetzt nicht breit genug ist, und er damals nach alten Berichten weit schmaler war, 7 es müsste denn sein, dass man das Zusammentreffen einiger Schiffe, als man dem Feind den Übergang über den Strom wehren wollte, wie es so leicht geschieht, zu hoch gepriesen und darin den unbegründeten Anspruch auf einen zu Wasser erfochtenen Sieg gefunden hat.
(35) Das folgende Jahr hatte Kriegstribunen mit konsularischer Gewalt, den Aulus Sempronius Atratinus, Lucius Quinctius Cincinnatus, Lucius Furius Medullinus und Lucius Horatius Barbatus. 2 Den Vejentern wurde ein Waffenstillstand auf zwanzig, den Aequern auf drei Jahre bewilligt, obgleich sie ihn auf mehrere Jahre beantragt hatten. Vor unruhigen Bewegungen hatte man in der Stadt Ruhe.
3 Dem folgenden Jahr gaben weder ein auswärtiger Krieg noch innere Unruhen eine Auszeichnung, wohl aber die im Krieg verheißenen Spiele eine Feierlichkeit, zu welcher teils die Anstalten der Kriegstribunen, teils der Zusammenfluss der Nachbarn beitrugen. 4 Tribunen mit Konsulgewalt waren Appius Claudius Crassus, Spurius Nautius Rutilus, Lucius Sergius Fidenas und Sextus Julius Jules. Das Schauspiel bereitete den Fremden, abgesehen davon, dass sie auf öffentliche Einladung erschienen waren, durch die Freundlichkeit ihrer Wirte noch größeres Vergnügen.
5 Den Spielen folgten aufrührerische Reden der Volkstribunen, in denen sie dem Bürgerstand Vorwürfe machten, dass er, staunend vor Bewunderung derer, die er hasse, sich selbst in ewiger Sklaverei gebannt halte 6 und nicht nur zu mutlos sei, sich die Hoffnung zu seinem Anteil am Konsulat zu erlauben, sondern sogar bei der Wahl der Kriegstribunen, die doch Adligen und Bürgerlichen gleich offen stände, ebenso wenig an sich selbst wie an die Seinigen denke. 7 Sie möchten also sich fernerhin nicht wundern, wenn niemand von den Vorteilen des Bürgerstandes rede. Mühe und Gefahren wende man nur an zu erwartende Vorteile und Ehre. Wenn denen, die Großes wagten, auch große Preise ausgesetzt würden, so würden sich die Menschen auf alles einlassen. 8 Dass aber irgendeiner von den Volkstribunen mit persönlicher Gefahr und ohne allen Nutzen sich blindlings in Streitigkeiten stürzen solle, bei denen er sicher darauf rechnen könne, dass ihn die Väter, gegen die er sie zu führen habe, mit unauslöschlichem Hass verfolgen würden, während er bei dem Bürgerstand, für welchen er gekämpft habe, um nichts geehrter sein werde, das sei weder zu hoffen noch zu verlangen. 9 Zu großem Mut werde man nur durch große Ehre gespornt. Kein Bürgerlicher werde sich für verächtlich halten, wenn sie selbst sich nicht länger verachten ließen. Man müsse doch endlich einmal mit dem einen oder andern den Versuch machen, ob auch wohl ein Bürgerlicher einem hohen Ehrenamt gewachsen sei, oder ob man es für etwas Unerhörtes und Wunderbares anzusehen habe, wenn einmal ein geborener Bürgerlicher als tüchtiger und verdienstvoller Mann aufträte. 10 Mit der größten Anstrengung habe man das Recht errungen, zu Kriegstribunen mit Konsulgewalt auch Bürgerliche wählen zu dürfen. Da hätten dann im Frieden und Krieg bewährte Männer darum angehalten. Weil sie aber in den ersten Jahren verhöhnt, abgewiesen und den Vätern zum Gelächter preisgegeben wären, hätten sie endlich aufgehört, sich ins Gesicht verhöhnen zu lassen. 11 Auch sähen sie nicht ein, warum nicht auch das Gesetz abgeschafft werde, nach welchem erlaubt wäre, was niemals geschehen würde; denn einer ungerechten Ausschließung würden sie sich weniger zu schämen haben, als wenn sie wegen eigener Unwürdigkeit übergangen würden.
(36) Der Beifall, den derartige Reden fanden, bewog diesen und jenen, sich zum Kriegstribunat zu melden; und der eine versprach, in seinem Amt diese, der andere andere Vorteile des Bürgerstandes beachten zu wollen. 2 Sie machten Hoffnung auf Verteilung der Staatsländereien, auf Ausführung neuer Kolonien, auf eine den Landbesitzern aufzuerlegende Abgabe, von welcher den Kriegern ein Sold gereicht werden könne. 3 Die Kriegstribunen aber ersahen die Zeit, während sich die Einwohner auf das Land begeben hatten, durch geheime Einladungen den Senat auf einen bestimmten Tag hereinzuberufen und den Senatsbeschluss abzufassen, bei dem die Volkstribunen nicht zugegen waren, 4 man solle auf die eingelaufene Nachricht von einem verheerenden Einfall der Volsker in das Gebiet der Herniker die Kriegstribunen hinschicken, um die Sache zu untersuchen und auf dem nächsten Wahltag Konsuln wählen. 5 Bei ihrer Abreise überließen sie die Regierung der Stadt dem Appius Claudius, dem Sohn des Dezemvirs, einem tätigen jungen Mann, dem der Hass gegen die Volkstribunen schon in der Wiege eingeflößt war. So wurde es den Volkstribunen gleich unmöglich gemacht, sich ebenso wenig mit jenen Abwesenden, die den Senatsbeschluss zustande gebracht hatten, als mit Appius, da die Sache schon abgetan war, in einen Streit einzulassen.
(37) Es wurden zu Konsuln Caius Sempronius Atratinus und Quintus Fabius Vibulanus gewählt. Eine fremde, aber denkwürdige Tatsache soll in dieses Jahr fallen: Vulturnum, eine Stadt der Etrusker, das jetzige Capua, soll von den Samniten erobert und nach ihrem Heerführer Capys oder, wie es wahrscheinlicher ist, von dem ebenen Feld Capua genannt sein. 2 Sie eroberten es aber, nachdem sie die Etrusker durch Kriege gezwungen hatten, sie in den Mitbesitz ihrer Stadt und ihres Landes aufzunehmen; und dann erschlugen die neuen Siedler die alten Einwohner in einem nächtlichen Überfall, als diese nach einem Festtag vom Schlaf und Genuss übermannt lagen.
3 Gleich darauf traten am 13. Dezember die genannten Konsuln ihr Amt an. 4 Schon brachten nicht bloß die dazu Abgeordneten die Nachricht, dass ein volskischer Krieg bevorstehe, sondern auch Gesandte von den Latinern und Hernikern meldeten, die Volsker hätten noch nie bei der Wahl ihrer Feldherren und bei der Aushebung eines Heeres so viel Sorgfalt bewiesen. 5 Durchgängig höre man sie unwillig sich äußern, dass sie entweder auf ewig den Waffen und Kriegen entsagen und das Joch auf sich nehmen oder denen, mit welchen sie um die Oberherrschaft stritten, an Tapferkeit, Ausdauer und Manneszucht es gleichtun wollten.
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