Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.immer sonst ein Götterbild stand, ausländische und ungewöhnliche Opfer gebracht wurden, durch die man die erzürnten Götter versöhnen wollte. 11 Es wurde also den Ädilen zur Pflicht gemacht, darauf zu achten, dass keine anderen als römische Götter und nur nach vaterländischer Weise verehrt würden.
12 Die Züchtigung der Vejenter wurde auf das folgende Jahr verschoben, welches den Cajus Servilius Ahala und Lucius Papirius Mugillanus zu Konsuln hatte. 13 Und auch jetzt noch trug man Bedenken, ihnen sogleich den Krieg anzukündigen oder Heere gegen sie auszusenden, sondern hielt es für besser, zuvor durch Fetialen Genugtuung zu fordern. 14 Man hatte vor Kurzem den Vejentern bei Nomentum und Fidenae Schlachten geliefert, nachher keinen Frieden, sondern nur Waffenstillstand geschlossen, und dieser war teils schon abgelaufen, teils hatten sie ihn noch vor dem Ablauf gebrochen. Gleichwohl schickte man Fetialen hin, welche nach der Sitte der Väter die Genugtuung nach abgelegtem Eid verlangten, aber kein Gehör fanden. 15 Nun entstand die Streitfrage, ob das Volk den Krieg genehmigt haben müsse, oder ob ein Senatsbeschluss genüge. Die Tribunen bewirkten durch die angedrohte Verhinderung einer Werbung, dass die Konsuln bei dem Volk auf diesen Krieg antragen müssten, und alle Zenturien genehmigten ihn. 16 Auch gelang es dem Bürgerstand, seinen Willen durchzusetzen, dass auf das nächste Jahr keine Konsuln gewählt wurden.
(31) Es wurden vier Kriegstribunen mit konsularischer Gewalt ernannt: Titus Quinctius Pennus, früher Konsul, Caius Furius, Marcus Postumius und Aulus Cornelius Cossus. 2 Von diesen behielt Cossus die Aufsicht über die Stadt; drei zogen nach abgehaltener Werbung gegen Veji und gaben den Beweis, dass der Oberbefehl im Krieg in den Händen Mehrerer schlecht aufgehoben ist. Dadurch, dass jeder seinen Plan befolgt wissen wollte, und doch der eine dies, der andere jenes für gut hielt, gaben sie dem Feind Gelegenheit, ihnen beizukommen. 3 Da die römische Linie ohne Halt war, weil der eine zum Rückzuge, der andere zur Schlacht blasen ließ, benutzten die Vejenter diesen Augenblick zum Angriff; doch ereilten die in Unordnung gebrachten und fliehenden Römer ihr nahes Lager. Die Schande war also größer als der Verlust. 4 Die Bürger, ungewohnt, ihre Heere besiegt zu wissen, waren betrübt, hassten die Tribunen und verlangten die Wahl eines Diktators; auf dem beruhe die ganze Hoffnung des Staates. Und da auch hier das Bedenken obwaltete, dass ein Diktator nur von einem Konsul ernannt werden könne, so benahmen ihnen die darum befragten Augurn diesen Zweifel.
5 Aulus Cornelius ernannte den Mamercus Aemilius zum Diktator und wurde selbst von ihm zum Magister Equitum ernannt. So wenig ließ man sich, sobald die Lage des Staates den wahren Tüchtigen nötig hatte, durch die von den Zensoren verhängte Strafe abhalten, den Herrscher des Staates aus einem als unwürdig beschimpften55 Haus zu nehmen. 6 Obwohl die Vejenter, stolz auf ihr Glück, durch umhergeschickte Gesandte allen Völkern Etruriens kundtun ließen, dass sie drei römische Feldherren in einer Schlacht besiegt hätten, konnten sie doch keinen zur Teilnahme an ihren Plänen bewegen; doch zogen sie durch die Hoffnung auf Beute allenthalben Freiwillige an sich. 7 Das einzige Volk der Fidenaten ließ sich auf Empörung ein, und gleich, als sei es ihnen verboten, den Krieg anders als mit einer Freveltat zu eröffnen, vereinigten sie sich nicht eher mit den Vejentern, bis sie ihre Waffen, wie vormals mit dem Blut der Gesandten, so jetzt mit dem der neuen Siedler geweiht hatten. 8 Nun berieten die Häupter beider Völker, ob sie Veji oder Fidenae zum Mittelpunkt des Krieges machen sollten. Fidenae schien ihnen gelegener. Also gingen die Vejenter über die Tiber und verlegten den Krieg nach Fidenae. 9 In Rom herrschte großer Schrecken. Nach Einberufung des Heeres von Veji, das noch dazu durch die verlorene Schlacht mutlos geworden war, wurde ein Lager vor dem Collinischen Tor aufgeschlagen, auf den Stadtmauern Bewaffnete aufgestellt, die Gerichte auf dem Markt und die Kaufläden geschlossen, und alles sah einem Lager ähnlicher als einer Stadt.
(32) Da schickte der Diktator seine Herolde durch die Gassen, ließ die bestürzten Bürger zur Versammlung berufen und verwies es ihnen, 2 dass sie ihren Mut von einem so unbedeutenden Glückswechsel abhängig machten und nach einem kleinen Verlust, den man selbst nicht durch die Tapferkeit der Feinde, nicht durch die Feigheit des römischen Heeres, sondern durch die Zwietracht der Feldherren erlitten habe, den Vejenter als Feind fürchteten, den sie schon sechsmal bezwungen, und Fidenae, das sie beinahe öfter erobert als belagert hatten. 3 Noch wären sowohl die Römer als auch die Feinde dieselben, die sie seit so vielen Jahrhunderten gewesen wären; sie hätten noch denselben Mut, dieselbe Körperkraft, dieselben Waffen. Auch er sei noch eben der Diktator Mamercus Aemilius, der einst die Heere der Vejenter und Fidenaten, als sie sogar durch die Falisker verstärkt waren, bei Nomentum geschlagen habe; 4 und der Magister Equitum Aulus Cornelius werde in der Schlacht derselbe sein, der im vorigen Krieg als Oberster den König der Vejenter, Lar Tolumnius, im Angesicht beider Heere erschlagen habe und mit einer Fürstenbeute zum Tempel des Jupiter Feretrius eingegangen sei. 5 Sie möchten also die Waffen mit dem Bewusstsein ergreifen, dass auf ihrer Seite Triumphe, Beute und Sieg ständen, auf Seiten der Feinde hingegen der Frevel, gegen das Völkerrecht Gesandte gemordet, mitten im Frieden die Siedler zu Fidenae erschlagen, den Waffenstillstand gebrochen und den siebenten unglücklichen Abfall gewagt zu haben. 6 Er sei völlig überzeugt, dass, sobald nur Lager gegen Lager aufgeschlagen dastünde, teils diesem verbrecherischsten aller Feinde die Freude über die Schmach der Römer bald vergehen, 7 teils das römische Volk einsehen werde, wie ungleich mehr der Staat denjenigen verpflichtet sei, die ihn zum dritten Mal zum Diktator ernannt, als denen, die seiner zweiten Diktatur, weil sie die Tyrannei ihrer Zensur zerstörte, einen Schandfleck angehängt hätten.
8 Nachdem er die Gelübde ausgesprochen hatte, rückte er aus und schlug 1500 Schritte diesseits Fidenae sein Lager auf, zur Rechten durch die Gebirge, zur Linken durch den Tiberstrom gedeckt. 9 Dem Unterfeldherrn Titus Quinctius Pennus befahl er, die Berge zu besetzen und sich jener verdeckten Höhe zu versichern, die den Feinden im Rücken sei. 10 Als den Tag darauf die Etrusker voll Mut über ihren neuerlichen ‒ ich möchte lieber sagen, glücklichen Zugriff als ‒ erfochtenen Sieg in Schlachtordnung ausrückten, rückte auch der Diktator, der nur so lange zögerte, bis ihm seine Kundschafter meldeten, Quinctius habe die der Burg von Fidenae nahe gelegene Anhöhe schon erstiegen, zur Schlacht aus, führte die geordnete Linie des Fußvolkes im Sturmschritt auf den Feind 11 und gebot dem Magister Equitum, nicht ohne Befehl von ihm den Kampf zu beginnen. Er wolle ihm, sobald die Mitwirkung der Reiterei nötig sei, das Zeichen geben, dann aber möge der Gedanke an jenen Königskampf, an die dargebrachte Fürstenbeute, an Romulus und Jupiter Feretrius, seine Taten leiten. 12 Das Fußvolk schlug sich mit Ungestüm, von Hass entbrannt, schalt der Römer die Fidenaten Bösewichter, die Vejenter Räuber, Bundbrüchige, mit der unerhörten Blutschuld erschlagener Gesandten beladene, vom Blut der neuen Siedler bespritzte Mörder, treulose Bundesgenossen, feige Feinde, und ließ in Tat und Worten seinen Hass aus.
(33) Er hatte schon durch den ersten Angriff den Feind geworfen, als plötzlich die Tore von Fidenae sich öffneten und ein neues Heer herausbrach, wie man es bis dahin nie gehört, nie gesehen hatte. 2 Eine große Masse, mit Feuerbränden und brennenden Fackeln bewaffnet, rannte, wie von Wahnsinn getrieben, gegen den Feind [die Römer]; und die Erscheinung eines so ungewöhnlichen Kampfes setzte die Römer einen Augenblick in Schrecken. 3 Der Diktator, der den Magister Equitum mit der Reiterei, auch den Quinctius vom Gebirge zu sich befohlen hatte, befeuerte jetzt das Gefecht aufs Neue, eilte in eigener Person auf seinen linken Flügel, der im Schrecken vor den Flammen gewichen war und mehr den Anblick einer Feuersbrunst als einer Schlacht gewährte, und rief mit lauter Stimme:
4 Wollt ihr, durch Rauch besiegt, wie ein Bienenschwarm von eurer Stelle gescheucht, einem wehrlosen Feind weichen? Warum schlagt ihr nicht mit dem Schwert diese Feuer aus? Warum schleudert ihr nicht die Fackeln, wenn denn einmal mit Feuer, nicht mit Waffen gekämpft werden soll, so viele ihnen jeder entreißen kann, in sie selbst hinein? 5 Vorwärts! Des Römernamens, der Tapferkeit eurer Väter und eurer eigenen eingedenk, kehrt diesen Brand gegen die Stadt der Feinde und vertilgt Fidenae mit seinen Flammen, da ihr es durch eure Wohltaten nicht versöhnen konntet. Dies fordert von euch das Blut eurer Gesandten und Siedler und euer verwüstetes Land.
6 Auf den Zuruf des Diktators setzte sich die ganze Linie in Bewegung. Teils fingen sie die ihnen entgegengeworfenen Fackeln auf, andere entrissen sie dem Feind mit Gewalt; und nun waren beide Heere mit Feuer bewaffnet. 7 Auch dem Gefecht der Reiterei gab der Magister Equitum eine neue Wendung. Er befahl ihr, den Pferden die Zügel zu nehmen, und er selbst voran spornte sein entzügeltes Ross mitten