Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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auf seine Bitte, sie möchten ihn, von Beschwerden und Wunden ermüdet, nicht länger aufhalten, mit großem Lob nicht weniger seiner Tapferkeit als seiner Mäßigung wegen entlassen worden sein.

      8 Während dies verhandelt wurde, war der Konsul schon auf der Lavicanischen Heerstraße beim Tempel der Göttin Quies (Ruhe). Dahin schickte man Wagen und mehrere Lasttiere von der Stadt aus, welche das von Wunden und dem nächtlichen Marsch angegriffene Heer aufnahmen. 9 Bald darauf zog auch der Konsul in die Stadt, nicht so sehr bemüht, die Schuld von sich abzuwälzen, als vielmehr den Tempanius mit verdientem Lob erhebend.

      10 Den über die verlorene Schlacht trauernden und auf die Feldherren erzürnten Bürgern wurde Marcus Postumius, der bei Veji Kriegstribun mit Prokonsulargewalt gewesen war, als Beklagter preisgegeben und zu einer Strafe von zehntausend As verurteilt. 11 Seinen Amtsgenossen Titus Quinctius sprachen alle Bezirke frei, weil er teils im Volskerland als Konsul unter dem Oberbefehl des Diktators Postumius Tubertus, teils bei Fidenae als Unterfeldherr des andern Diktators Mamercus Aemilius glücklich gekämpft hatte und die ganze Schuld jenes Unglücks seinem schon verurteilten Amtsgenossen aufbürdete. 12 Man sagt, es sei ihm das Andenken des ehrwürdigen Cincinnatus, seines Vaters, zustatten gekommen, auch der seinem Ende so nahe Quinctius Capitolinus, der die Bürger flehentlich bat, sie möchten ihn, da er noch so wenig Zeit zu leben habe, keine so traurige Nachricht an Cincinnatus mitnehmen lassen.

      (42) Der Bürgerstand ernannte den Sextus Tempanius, Aulus Sellius, Sextus Antistius und Spurius Icilius, welche auch von den Rittern dem Wunsch des Tempanius gemäß zu ihren Hauptleuten57 gewählt waren, zu Volkstribunen. 2 Da der Hass gegen Sempronius auch den Namen der Konsuln anstößig machte, verordnete der Senat, dass Kriegstribunen mit konsularischer Gewalt gewählt werden sollten. Man wählte den Lucius Manlius Capitolinus, Quintus Antonius Merenda und Lucius Papirius Mugillanus.

      3 Gleich im Anfang des Jahres lud der Volkstribun Lucius Hortensius den vorjährigen Konsul Caius Sempronius vor Gericht. Da ihn nun vier seiner Amtsgenossen im Angesicht des römischen Volkes baten, er möchte ihren unschuldigen Feldherrn, an dem man außer seinem Missgeschick nichts tadeln könne, nicht verfolgen, 4 nahm dies Hortensius übel, weil er glaubte, man wolle bloß seine Beharrlichkeit prüfen, und der Beklagte verlasse sich nicht so sehr auf die Fürbitten der Tribunen, die nur zum Schein vorgebracht würden, als auf ihren Beistand. 5 Also wandte er sich bald an ihn selbst und fragte ihn, wo jener adlige Hochsinn, wo der auf Schuldlosigkeit sich stützende und vertrauensvolle Mut geblieben sei. Der Konsular habe sich in den Schatten der tribunizischen Hilfe verkrochen. Bald richtete er seine Fragen so an seine Amtsgenossen: 6 Wie aber, wenn ich nun mit meiner Klage gegen ihn fortfahre, was werdet ihr dann tun? Etwa dem Volk sein Recht entreißen und die tribunizische Gewalt vernichten? 7 Als jene erwiderten, dem römischen Volk stehe über Sempronius, wie über alle, die höchste Gewalt zu, und sie wollten und könnten des Volkes Urteil nicht aufheben; wenn aber ihre Bitten für ihren Feldherrn, der ihnen Vaterstelle vertrete, nichts vermöchten, dann würden sie mit ihm sich in die Hülle der Trauer werfen, da sprach Hortensius: 8 Nein, seine Tribunen soll das römische Volk nicht in Trauerkleidern sehen. Hat es Caius Sempronius bei seiner Feldherrnstelle dahin bringen können, seinen Kriegern so lieb zu werden, so habe ich weiter nichts an ihm auszusetzen. 9 Und die vier Tribunen ernteten von ihrer versöhnlichen Gesinnung bei Bürgerlichen und Vätern keinen größeren Beifall als Hortensius von seinem auf gerechte Verwendung so versöhnlichen Herzen. 10 Gegen die Aequer, welche den zweifelhaften Sieg der Volsker als den ihrigen benutzt hatten, war das Glück nicht länger nachsichtig.

      (43) Deswegen fiel auch im nächsten Jahr, in welchem Numerius Fabius Vibulanus und Titus Quinctius Capitolinus, des Capitolinus Sohn, Konsuln waren, unter der Anführung des Fabius, dem das Los diesen Krieg bestimmte, nichts Merkwürdiges vor. 2 Denn da sich die Aequer in ihrer zagenden Schlachtordnung kaum sehen ließen, wurden sie, ohne dass der Sieg dem Konsul große Ehre machte, schimpflich in die Flucht geschlagen. Deswegen wurde ihm auch der Triumph verweigert. Weil er indes den Schimpf der Sempronischen Niederlage gemildert hatte, gestattete man ihm, im kleinen Triumph zu Pferd in die Stadt einzuziehen.

      3 Als nun der Krieg mit geringerer Anstrengung als man vermutet hatte, beendet war, kam auf die Ruhe in der Stadt unerwartet eine ungeheure Zwietracht zwischen Bürgern und Vätern zum Ausbruch, welche die zu verdoppelnde Zahl der Quästoren veranlasste. 4 Da die Väter dem von den Konsuln gestellten Antrag, dass außer den beiden Stadtquästoren noch zwei für die Kriegsgeschäfte der Konsuln da sein müssten, ihren ganzen Beifall gegeben hatten, so machten die Volkstribunen den Konsuln die Sache in der Absicht streitig, dass ein Teil der Quästoren – denn bisher hatte man nur Adlige dazu genommen – aus dem Bürgerstand gewählt werden sollte. 5 Anfangs widersetzten sich dieser Forderung Konsuln und Väter mit allen Kräften; und als dann ihre nachgiebige Einwilligung – dass man ebenso bei den Quästoren dem Volk freie Wahl lassen solle, wie sie es bisher bei Ernennung der Tribunen mit konsularischer Gewalt geübt habe –, nicht den gewünschten Erfolg hatte, gaben sie den die Vermehrung der Quästoren betreffenden Vorschlag ganz auf. 6 Sogleich machten die Tribunen die aufgegebene Sache zu der ihrigen, und es folgte ein aufrührerischer Antrag nach dem andern, wozu auch der über die Landverteilungen gehörte. Da nun der Senat dieser Gärungen wegen lieber Konsuln als Kriegstribunen gewählt wissen wollte, die Tribunen aber durch ihre Einsprachen keinen Senatsbeschluss Zustande kommen ließen, 7 ging die Verwaltung des Staats von den Konsuln auf eine Zwischenregierung über, und auch das nicht ohne einen sehr heftigen Streit, weil die Tribunen die dazu nötige Zusammenkunft der Patrizier untersagten.

      8 Da der größere Teil des folgenden Jahres unter neuen Volkstribunen und mehreren Zwischenregierungen bei fortgesetzten Streitigkeiten verflossen war – indem die Tribunen bald den Patriziern verboten, zur Aufstellung eines Zwischenkönigs (interrex) zusammenzutreten, bald durch ihre Einsprache den Senatsbeschluss umstürzten, den der Zwischenkönig zur Ansetzung einer Konsulnwahl bewirken wollte –, 9 so beteuerte endlich der zuletzt aufgestellte Zwischenkönig Lucius Papirius Mugillanus unter Vorwürfen, die er bald den Vätern, bald den Volkstribunen machte, dass sich, von Menschen verlassen und aufgegeben, der Staat, weil sich statt ihrer die Vorsehung und Fürsorge der Götter seiner annähmen, bloß durch den Waffenstillstand mit den Vejentern und durch die Unentschlossenheit der Aequer erhalte. 10 Wie aber, wenn von dieser Seite irgendein Schrecken drohe? Ob sie dann willens wären, den Staat ohne patrizische Obrigkeit überfallen zu lassen? Kein Heer zu haben? Keinen Feldherrn zur Aushebung eines Heeres? Ob sie etwa den Krieg von außen durch inneren Krieg abzuwehren dächten? 11 Wenn dies alles zusammenträfe, würde kaum die Allmacht der Götter verhindern können, dass der römische Staat darunter erliege. Sie sollten lieber beide etwas von der Strenge des Rechts nachlassen und durch Mittelwege die Eintracht befestigen: 12 die Väter, indem sie zugäben, dass statt der Konsuln Kriegstribunen gewählt würden, die Volkstribunen, wenn sie nichts dagegen einwendeten, dass das Volk die vier Quästoren gemeinschaftlich aus Bürgerlichen und Adligen durch freie Stimmenwahl ernennen dürfe.

      (44) Zuerst schritt man zur Wahl der Tribunen. Zu Kriegstribunen mit Konsulgewalt wurden lauter Patrizier gewählt, Lucius Quinctius Cincinnatus zum dritten Mal, Lucius Furius Medullinus zum zweiten Mal, Marcus Manlius und Aulus Sempronius Atratinus. 2 Als unter dem Vorsitz dieses Tribuns bei der Quästorwahl unter mehreren Bürgerlichen auch der Sohn des Volkstribuns Antistius und der Bruder eines andern Volkstribuns, des Sextus Pompilius, sich meldeten, konnten doch diese sowenig durch ihr Amt als durch ihre Empfehlung die Leute abhalten, diejenigen ihres Adels wegen vorzuziehen, in deren Vätern und Großvätern sie Konsuln gesehen hatten.

      3 Alle Volkstribunen waren wütend, vor allen Pompilius und Antistius, aufgebracht über die Zurücksetzung der Ihrigen. 4 Das sei doch unbegreiflich, sagten sie. Weder ihre Wohltaten noch die Kränkungen von den Vätern, noch endlich die Freude, von ihrem Recht einmal Gebrauch zu machen – da ihnen doch jetzt freistehe, was früher nicht erlaubt gewesen sei –, hätten die Bürger veranlassen können, einen einzigen Bürgerlichen, wenn auch nicht zum Kriegstribun, so doch wenigstens zum Quästor zu machen. 5 Fruchtlos wären die Bitten gewesen, des Vaters für seinen Sohn, des Bruders für seinen Bruder, zweier Volkstribunen von heiligem zum Schutz der Freiheit gestifteten Amt. Sicher stecke ein Betrug dahinter, und Aulus Sempronius sei bei der Wahl mehr listig als ehrlich zu Werke gegangen. Seine Widerrechtlichkeit sei es – so klagten sie –, welche die Ihrigen von dem


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