Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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übermütigen Konsuln, noch das furchtbare Machtgebot eines Diktators, so weit hätten die frechen Dezemvirn die Sklaverei nicht getrieben, dass sie einen ewigen Kriegsdienst eingeführt hätten, eine Tyrannei, welche bloße Kriegstribunen gegen den römischen Bürgerstand ausübten. 9 Wie würden wohl die als Konsuln oder Diktatoren verfahren, die sich unter dem Schattenbild einer konsularischen Stellvertretung so viel Härte und Grausamkeit erlaubt hätten? Allein dem Volk geschehe hierin gerade recht. Denn nicht einmal unter acht Kriegstribunen habe ein einziger Bürgerlicher seinen Platz gefunden, 10 vorher hätten die Patrizier alle Kräfte aufbieten müssen, nur die gewöhnlichen drei Stellen zu besetzen. Jetzt aber kämen sie schon als ein achtspänniger Zug in die zu besetzenden Staatsämter, und in einem solchen Schwarm finde sich nicht einmal als Anhang ein einziger Bürgerlicher, der, wenn er auch zu nichts weiter tauge, doch seine Amtsgenossen daran erinnern könne, 11 dass ihre Soldaten freie Männer und Mitbürger, nicht aber Sklaven wären, dass man sie wenigstens im Winter unter Dach und Fach zurückbringen 12 und ihnen doch eine Zeit im Jahr gestatten müsse, Eltern, Kinder und Gattinnen wiederzusehen, ihre Freiheit zu genießen und Beamte zu wählen. 13 Mit diesen und ähnlichen ungestümen Äußerungen trafen sie auf einen Gegner, der ihnen gewachsen war, den von seinen Amtsgenossen zur Dämpfung tribunizischer Unruhen zurückgelassenen Appius Claudius, einen Mann, dem die Lust zum Kampf mit den Bürgerlichen in früher Jugend eingeflößt worden war, 14 der vor mehreren Jahren, wie ich schon erwähnt habe,62 den Rat gab, die tribunizische Gewalt durch die Einsprache ihrer eigenen Mitglieder zu entkräften.

      (3) Jetzt hielt er, nicht bloß ein fähiger Kopf, sondern auch ein geübter Gegner, folgende Rede: 2 Hat es je darüber Zweifel gegeben, ihr Quiriten, ob die Volkstribunen eures oder ihres eigenen Vorteiles wegen die beständigen Stifter der Unruhen waren, so weiß ich gewiss, dass dies seit diesem Jahr nicht länger zweifelhaft sein kann. 3 Ich freue mich allerdings, dass endlich einmal eurem langen Irrtum ein Ziel gesetzt ist, namentlich aber wünsche ich euch und euretwegen dem Staat Glück, dass ihr gerade unter günstigen Umständen diesen Irrtum beseitigt seht. 4 Sollte es einen Menschen geben, dem es zweifelhaft sein könnte, ob die Volkstribunen je über euch zugefügte Beleidigungen, wenn es deren einst gegeben hat, so erbittert und aufgebracht gewesen sind als über die dem Bürgerstand von den Vätern erzeigte Wohltat, da sie den Kriegern einen Sold festsetzten? 5 Was glaubt ihr, was sonst haben sie damals gefürchtet, was sonst möchten sie heute lieber stören als die Eintracht der Stände, die sie für das wirksamste Mittel halten, ihre tribunizische Gewalt aufzulösen? 6 Wahrhaftig beim Herkules, wie schlechte Handwerker, die Arbeit suchen, so wünschen sie immer am Staat etwas schadhaft zu finden, damit es nie an etwas fehle, zu dessen Heilung sie von euch herangezogen werden müssten. Denn sagt, ihr Tribunen:7 Verteidigt oder bekämpft ihr den Bürgerstand? Seid ihr die Gegner der im Feld Stehenden oder führt ihr ihre Sache? Es müsste denn sein, dass ihr sagtet: Die Väter mögen tun, was sie wollen, so missfällt es uns, mag es zum Besten des Bürgerstandes oder zu dessen Nachteil sein. 8 Und sowie ein Hausherr seinen Sklaven gebietet, mit anderen Leuten keinen Verkehr zu haben, und von diesen billig verlangt, dass sie jenen weder Gutes noch Böses antun, so untersagt ihr den Vätern alle Annäherung zum Bürgerstand; wir sollen ihn weder durch Güte und Freigebigkeit von unserer Seite auffordern, noch der Bürgerstand uns Folgsamkeit und Gehorsam beweisen. 9 Ich bitte euch, wäre es nicht weit eher eure Pflicht – wenn nämlich bei euch noch das Mindeste, ich will nicht sagen, von Bürgersinn, sondern von Menschlichkeit zu finden wäre –, dieser Milde der Väter und dieser Gefälligkeit der Bürger euch zu freuen und sie nach euren besten Kräften zu befördern? 10 Denn wer möchte nicht, wenn diese Eintracht dauernd wäre, die Bürgschaft dafür übernehmen, dass unser Staat binnen Kurzem unter allen benachbarten der größte werden müsse?

      (4) Wie nützlich nun nicht allein, sondern auch wie notwendig die Maßregel meiner Amtsgenossen war, welche sie bestimmte, das Heer nicht unverrichteter Dinge von Veji wegzuführen, werde ich nachher auseinandersetzen, jetzt will ich von der Lage der Diensttuenden selbst reden. 2 Und ich glaube, wenn diese Rede nicht bloß vor euch, sondern sogar im Lager gehalten würde, sie müsste selbst nach dem Ausspruch des Heeres als wahr anerkannt werden können; und fände ich bei meinem Vortrag nicht in mir selbst, was ich sagen wollte, so brauchte ich mich nur an das zu halten, was meine Gegner vorgebracht haben. 3 Sie sagten neulich, den Kriegern müsse kein Sold gegeben werden, weil er ihnen nie gegeben sei. Wie können sie nun darüber empört sein, dass denen, die einen neuen Zuwachs an Vorteilen bekommen, auch eine neue verhältnismäßige Arbeit auferlegt wird? 4 Es gibt nirgends Mühe ohne Ertrag, und ebenso nicht leicht Ertrag ohne aufgewandte Mühe. Arbeit und Vergnügen, ihrer Natur nach miteinander im Widerspruch, sind durch ein gewisses natürliches Band wieder aneinandergeknüpft. 5 Vorher fand es der Soldat schwer, mit eigenem Aufwand dem Staat Dienst zu tun, aber dafür hatte er die Freude, einen Teil des Jahres über sein Land bestellen und sich etwas erwerben zu können, wovon er zu Hause und im Feld sich und die Seinen erhalten konnte. 6 Jetzt ist es ihm willkommen, vom Staat einen Erwerb zu haben, und freudig nimmt er seinen Sold in Empfang. So muss er es sich auch willig gefallen lassen, von seiner Heimat, von seinem Hauswesen, dem jetzt die Kosten nicht zur Last fallen, etwas länger entfernt zu sein. 7 Sollte nicht der Staat, wenn er ihn zur Gegenrechnung aufforderte, mit Recht sagen können: Du hast jährlichen Sold, tue auch jährlichen Dienst. Oder findest du es billig, für halbjährigen Dienst den vollen Sold hinzunehmen? 8 Ungern verweile ich bei diesem Teil meiner Rede, ihr Quiriten, denn so müssen diejenigen handeln, welche Söldner halten, wir aber möchten gern wie zu unseren Mitbürgern reden und finden es billig, dass man mit uns wie mit dem Vaterland spreche. 9 Entweder mussten wir den Krieg nicht anfangen, oder er musste der Würde des römischen Volkes gemäß geführt und möglichst bald beendet werden. 10 Er wird aber beendet werden, wenn wir den Belagerten zusetzen, wenn wir nicht eher abziehen, bis wir unsere Hoffnung durch die Eroberung von Veji gekrönt sehen. Wahrhaftig, wenn auch weiter nichts, so muss uns schon die Scham Beharrlichkeit auferlegen. 11 Zehn Jahre lang belagerte einst das gesamte Griechenland eine Stadt einer einzigen Frau wegen, und in welcher Entfernung von der Heimat, durch wie viele Länder und Meere geschieden! 12 Und wir fänden es schon unbequem, diesseits des zwanzigsten Meilensteines, beinahe im Angesicht unserer Vaterstadt eine Belagerung nur ein Jahr fortzusetzen? Etwa, weil die Ursache zum Krieg nicht bedeutend genug ist, und wir nicht den geringsten gerechten Schmerz empfinden, der unsere Beharrlichkeit spornen könnte? 13 Siebenmal haben sie den Frieden gebrochen; nie haben sie ihn so gehalten, dass wir ihnen trauen konnten; tausendmal haben sie unser Land verheert, die Fidenaten zum Abfall von uns gezwungen, unsere dortigen Ansiedler ermordet; 14 sie waren es, die gegen alles Völkerrecht die frevelhafte Ermordung unserer Gesandten anstifteten; schon längst war es ihre Absicht, ganz Etrurien gegen uns aufzuhetzen, und noch jetzt denken sie daran. Wie viel fehlte noch, dass sie sich an unseren Gesandten vergriffen hätten, als sie Genugtuung forderten?

      (5) Und mit einem solchen Volk sollen wir schonend und aufschubweise Krieg führen? Wenn ein so gerechter Hass nichts über uns vermag, ich bitte euch, vermögen denn auch folgende Gründe nichts: 2 Die Stadt ist mit ungeheuren Werken umschanzt, durch welche der Feind in seine Mauern eingeschlossen ist. Sein Land hat er nicht bestellt, und was bestellt war, ist durch den Krieg verwüstet worden. 3 Ziehen wir nun unser Heer zurück, wer kann denn noch daran zweifeln, dass sie nicht bloß aus Rachsucht, sondern auch durch Not gezwungen, auf fremdem Boden zu plündern, weil sie das Ihrige eingebüßt haben, in unser Land einfallen werden? Folglich wird der Krieg durch diese Maßregel nicht etwa verschoben, sondern in unseren eigenen Grenzen aufgenommen.

      4 Wie aber – und dies betrifft eigentlich die Soldaten selbst, für deren Bestes die guten Volkstribunen, die ihnen neulich den Sold entziehen wollten, jetzt auf einmal so besorgt sind –, wie steht es um diese? 5 Sie haben ihren Wall und Graben, beides Werke von ungeheurer Arbeit, in einer so weiten Ausdehnung vollendet, haben Schanzen, anfangs in geringerer Anzahl, dann, nach Vermehrung des Heeres, in Menge angelegt, haben Werke, welche nicht bloß der Stadt, sondern auch Etrurien die Stirn bieten, wenn etwa von dort ein Entsatz kommen sollte, aufgeführt. 6 Soll ich die Türme, die Schanzhütten, Sturmdächer und die übrigen bei einer Belagerung nötigen Anstalten erwähnen? Da sie so viel Arbeit überstanden haben und nun endlich zur Vollendung des Werkes gediehen sind, was meint ihr, sollten sie nun


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