Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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Die Kriegstribunen kündigten, ohne eine Konsulwahl auch nur zu erwähnen – ich glaube, aus Zorn wegen der Wahl des Diktators –, einen Versammlungstag zur Wahl von Kriegstribunen an. 10 Umso größer war die Sorge, welche die Väter ergriff, da sie ihre Sache von ihren eigenen Mitgliedern verraten sahen. 11 So wie sie nun im vorigen Jahr durch die unwürdigsten bürgerlichen Bewerber einen Ekel auch vor den würdigen zu erregen gewusst hatten, so verschafften sie sich diesmal dadurch, dass sie die Adligen von großem Ansehen und Einfluss zur Bewerbung aufboten, alle Plätze, so dass kein Bürgerlicher dazu gelangte. 12 Es wurden vier gewählt, welche sämtlich diese Stelle schon bekleidet hatten: Lucius Furius Medullinus, Caius Valerius Potitus, Numerius Fabius Vibulanus und Caius Servilius Ahala. Diesen ließ man als wiedergewählten sein Amt behalten, teils wegen seiner übrigen trefflichen Eigenschaften, teils aber, weil er sich kürzlich durch seine einzigartige Mäßigung beliebt gemacht hatte.

      (58) Weil in diesem Jahr die Zeit des Waffenstillstandes mit den Vejentern abgelaufen war, verlangte man durch Gesandte und Fetialen Genugtuung, denen aber bei ihrer Ankunft an der Grenze eine Gesandtschaft der Vejenter mit der Bitte entgegenkam, 2 nicht eher nach Veji zu gehen, bis sie selbst bei dem römischen Senat vorgelassen sei. Und vom Senat erhielt sie es, dass die Genugtuung jetzt nicht gefordert werden solle, weil die Vejenter durch innere Unruhen litten; so weit war man davon entfernt, von dem Unglück anderer für sich selbst Gebrauch zu machen.

      3 Im Volskerland hingegen erlitt man einen Verlust durch die eingebüßte Besatzung von Verrugo. Hier hing alles so sehr von der Zeit ab, dass das Hilfsheer, welches die dort von den Volskern belagerten Krieger auf ihre Bitte um Entsatz hätte retten können, wenn man es eiliger abgeschickt hätte, bloß dazu anlangte, die Feinde, als sie sich vom frischen Gemetzel auf Plünderung zerstreuten, zu überfallen. 4 Die Schuld des Zögerns lag nicht so sehr an den Kriegstribunen als vielmehr am Senat, welcher bei der Nachricht, dass sich die Besatzung aufs Äußerste verteidige, zu bedenken vergaß, dass auch die höchste Tapferkeit das Maß menschlicher Kräfte nicht übersteigen könne. 5 Doch hatten jene Tapferen nicht allein ihr Leben teuer verkauft, sondern auch ihr Tod blieb nicht ohne Rache. 6 Im folgenden Jahr, in welchem die beiden Cornelii Cossi, der eine mit Vornamen Publius, der andere Cnaeus, Numerius Fabius Ambustus und Lucius Valerius Potitus Kriegstribunen mit Konsulgewalt waren, kam der vejentische Krieg zum Ausbruch, weil der vejentische Senat den Genugtuung fordernden Gesandten die hochmütige Antwort geben ließ, 7 wenn sie nicht sogleich Stadt und Land räumten, wolle man ihnen dasselbe geben, was Lar Tolumnius60 gegeben habe.

      8 Die Väter, hierüber unwillig, befahlen den Kriegstribunen, auf eine Kriegserklärung gegen die Vejenter je eher je lieber beim Volk anzutragen. 9 Kaum wurde dies bekannt gemacht, da riefen die Dienstfähigen laut, der Krieg mit den Volskern sei noch nicht beendet; noch kürzlich wären zwei Besatzungen zusammengehauen worden, und die Behauptung jener Plätze sei nicht ohne Gefahr. 10 Kein Jahr gehe ohne Schlacht vorüber; und gleich als habe man noch nicht Not genug, schaffe man sich einen Krieg mit einem benachbarten sehr mächtigen Volk, das ganz Etrurien aufwiegeln werde. 11 Dergleichen Reden, welche schon von selber geführt wurden, steigern noch die Volkstribunen, indem sie sagen, den größten Krieg führten die Väter mit dem Bürgerstand; 12 diesen stellten sie geflissentlich gegen den Feind, um ihn im Kriegsdienst zu plagen und niederhauen zu lassen: Sie hielten ihn weit von der Stadt und schickten ihn in die Ferne, damit er nie zu Hause in Ruhe, seiner Freiheit und der Aussendungen in Kolonien eingedenk, weder den Besitz der Staatsländereien noch eine freie Stimmenabgabe einleiten könne. 13 Und wenn sie dann den Veteranen die Hände drückten, zählten sie jedem seine Dienstjahre, Wunden und Narben auf und fragten, wie viel wundenfreie Stellen sie zum Empfang neuer Wunden an ihrem Körper aufweisen könnten, wie viel Blut sie noch übrig hätten, um es dem Staat zu opfern. 14 Als sie durch diese in Gesprächen und öffentlichen Reden wiederholten Vorstellungen den Bürgerstand zur Übernahme des Krieges unwillig gemacht hatten, setzten die Väter den Zeitpunkt, mit dem Vorschlag aufzutreten, weiter aus, weil er, wie sie offenbar sahen, verworfen worden wäre, wenn man ihn dieser widrigen Stimmung preisgegeben hätte.

      (59) Nach einem Beschluss müssten unterdessen die Kriegstribunen mit dem Heer ins Volskische ziehen. Cnaeus Cornelius blieb allein in Rom zurück. 2 Als die drei Tribunen sahen, dass die Volsker nirgends ein Lager hätten und sich auch zur Schlacht nicht stellen würden, zogen sie in drei Abteilungen zur Verheerung des Landes aus. 3 Valerius ging auf Antium, Cornelius gegen Ecetrae; wohin sie kamen, plünderten sie weit und breit Häuser und Felder, um die Volsker zu trennen. Denn Fabius rückte – und das war die Hauptabsicht – zum Angriff auf Anxur ohne alle Plünderung vor. 4 Die ehemalige Stadt Anxur, jetzt Tarracinae, senkt sich von einer Höhe gegen die Sümpfe;61 5 von dieser Seite drohte Fabius anzugreifen. Allein unter Caius Servilius Ahala wurden vier Kohorten herumgeschickt, welche den über die Stadt ragenden Hügel besetzten und von dem höheren Standort mit großem Geschrei und Getümmel die Mauern, die hier unbesetzt waren, erstiegen. 6 Durch dies Getümmel stutzig gemacht, ließen die, welche gegen Fabius die untere Stadt verteidigten, ihm Zeit, Leitern anzubringen, und sofort war alles mit Feinden erfüllt, und ein anhaltendes unmenschliches Gemetzel traf Fliehende und Standhaltende, Bewaffnete und Wehrlose ohne Unterschied. 7 Schon sahen sich also die Besiegten, weil ihnen, wenn sie wichen, keine Hoffnung übrig blieb, zur Erneuerung des Kampfes genötigt, als plötzlich durch den Ausruf, dass man nur gegen Bewaffnete Gewalt brauchen solle, die ganze übrige Menge sich die Waffen freiwillig entwinden ließ und an 2500 Gefangene gemacht wurden. 8 Von der übrigen Beute hielt Fabius die Soldaten so lange zurück, bis seine Amtsgenossen dazu kämen, 9 weil nach seiner Äußerung Anxur auch von jenen Heeren erobert sei, welche die übrigen Volsker von der Behauptung des Platzes abgezogen hätten. 10 Als sie eintrafen, plünderten alle drei Heere die bei langem Wohlstand reich gewordene Stadt, und diese Willfährigkeit von Seiten der Feldherren machte den Anfang zur Versöhnung des Bürgerstandes mit den Vätern. 11 Hiermit verbanden die Großen in einem Zeitpunkt, der nicht erwünschter hätte sein können, die neue Wohltat für das Volk, dass der Senat, ehe noch der Bürgerstand oder seine Tribunen nur ein Wort erwähnten, den Befehl gab, der Krieger solle den Sold aus der Staatskasse empfangen, während bis dahin jeder die Kosten des Dienstes aus eigenen Mitteln bestritten hatte.

      (60) Nie sollen die Bürgerlichen eine Wohltat mit so großer Freude aufgenommen haben. Sie liefen am Rathaus zusammen, drückten den Herausgehenden die Hände, sagten ihnen, sie hießen mit Wahrheit Väter, und gestanden ein, sie hätten dadurch bewirkt, dass niemand, solange er noch irgend Kräfte habe, einem so wohltätigen Vaterland seine Person oder sein Blut versagen werde. 2 Wenn es ihnen schon sehr vorteilhaft war, ihr Vermögen wenigstens so lange unbelastet zu wissen, als ihre Person Eigentum des Staates und für ihn in Arbeit war, machte namentlich dies die Freude vielfach und den wert der Wohltat um so größer, dass man ihnen damit entgegengekommen war, und niemals weder die Volkstribunen darauf angetragen noch sie selbst untereinander diese Forderung mündlich geäußert hatten.

      3 Die Volkstribunen, welche an der gemeinschaftlichen Freude und Eintracht der Stände allein keinen Teil hatten, behaupteten, dies werde weder den Vätern so erfreulich noch für alle so gedeihlich sein, wie sie selbst glaubten. Der Plan sei dem ersten Anschein nach besser gewesen, als er sich in der Anwendung zeigen werde. 4 Woher man dieses Geld zusammenbringen wolle, wenn man nicht dem Volke eine Steuer auflege? Man sei also von fremdem Eigentum freigebig gewesen. Und gesetzt, die Übrigen nähmen diese Last auf sich, so würden sich doch die, deren Dienstjahre schon abgelaufen wären, nicht gefallen lassen, dass andere im Dienst besser stehen sollten, als sie gestanden hätten, und dass sie, nachdem sie die Kosten ihrer eigenen Kriegsdienste getragen hätten, sie nun auch für andere tragen sollten. 5 Auf einen Teil der Bürger machten sie mit diesen Reden Eindruck. Zuletzt, als die Steuer schon angesagt war, erboten sich die Tribunen sogar durch eine öffentliche Bekanntmachung zum Beistand für jeden, der zum Sold der Krieger nicht beitragen würde. 6 Die Väter aber setzten das gut angefangene Werk standhaft fort. Sie selbst lieferten die Beiträge zuerst, und weil man noch kein geprägtes Silber hatte, so erregte der Beitrag von manchen, die ihre Kupferasse auf Wagen zur Schatzkammer fahren ließen, sogar Aufsehen. 7 Nachdem der Senat mit größter Gewissenhaftigkeit nach seinem Vermögen beigetragen hatte, kamen auch die Vornehmsten des Bürgerstandes, als Freunde der Adligen, vermöge ihrer Zusage mit ihren Lieferungen. 8 Und als nun das Volk sah, dass diese von den Vätern gepriesen und vom Soldatenstand als gute Bürger betrachtet wurden,


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