Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.seinem Wagen dem Jupiter und dem Sonnengott gleichstellen dürfe, hielt man sogar für eine Gewissenssache, und des einzigen Umstandes wegen erregte der Triumph mehr Aufsehen als Zufriedenheit. 7 Darauf bestellte er auf dem Aventin den Tempel für die Königin Juno, und den der Mutter Matuta weihte er ein. Und nach Verrichtung dieser göttlichen und menschlichen Geschäfte legte er seine Diktatur nieder.
8 Nun dachte man auch an das Geschenk für Apollo. Da Camillus sagte, er habe ihm den zehnten Teil der Beute gelobt, und die Oberpriester erklärten, das Volk müsse sich dieser heiligen Schuld entledigen, 9 fand man es doch so leicht nicht, dem Volk die Rücklieferung der Beute anzubefehlen, um den gebührenden Teil zur heiligen Bestimmung abzusondern. 10 Endlich wählte man das Mittel, welches das leichteste zu sein schien, dass jeder, der sich und sein Haus der heiligen Verbindlichkeit entledigen wolle, nach eigener Schätzung seiner Beute den Wert des zehnten Teiles dem Staat einliefern solle, 11 wovon man ein goldenes Geschenk verfertigen lassen wollte, wie es der Würde des römischen Volkes angemessen in einen so berühmten Tempel und einem so mächtigen Gott geliefert werden müsse. Auch diese Steuer entfremdete die Gemüter des Volkes dem Camillus.
12 Unterdessen kamen Gesandte von den Volskern und Aequern mit der Bitte um Frieden, und sie erlangten ihn, mehr, weil man der durch einen so langen Krieg ermüdeten Bürgerschaft Ruhe gönnen wollte, als dass sie die Gewährung ihrer Bitte verdient hätten.
(24) Das auf die Eroberung von Veji folgende Jahr hatte sechs Kriegstribunen mit konsularischer Gewalt, zwei Cornelier, beide mit Vornamen Publius, einer mit dem Zunamen Cossus, der andere Scipio; den Marcus Valerius Maximus zum zweiten Mal, den Kaeso Fabius Ambustus zum dritten, Lucius Furius Medullinus zum fünften und Nuintus Servilius zum dritten Mal.
2 Den Corneliern beschied das Los den Faliskerkrieg, dem Valerius und Servilius den Capenatischen. Die Letzteren machten keinen Versuch auf die Städte, weder durch Sturm noch durch Belagerung; sie verheerten das Gebiet und nahmen den Landleuten das Ihrige; kein Fruchtbaum, keine Feldfrucht wurde verschont. Dieser Schade machte die Capenaten mutlos. 3 Auf ihre Bitte wurde ihnen ein Friede bewilligt. Im Faliskerland dauerte der Krieg fort.
4 Zu Rom herrschten indessen vielfache Unruhen. Als ein Linderungsmittel hatte man die Ausführung von Siedlern in das volskische Gebiet befohlen, zu welcher 3000 römische Bürger angenommen werden sollten, und die dazu ernannten Dreimänner hatten auf jeden Kopf drei Morgen und sieben Zwölftel angewiesen. 5 Diese Wohltat nahmen die Leute mit Verachtung auf, weil sie dieselbe als ein Schmerzensgeld ansahen, wofür man ihnen eine größere Hoffnung vernichten wolle. Denn warum würden sonst die Bürger ins Volskerland verwiesen, da man Veji, eine der schönsten Städte, und die Landschaft von Veji vor Augen habe, welche fruchtbarer und größer sei als die römische? 6 Selbst der Stadt gaben sie in der Lage, in der Pracht der öffentlichen und Privatgebäude und Plätze den Vorzug vor der Stadt Rom. 7 Ja ein Vorschlag kam in Anregung, der vollends nach der Eroberung Roms von den Galliern noch größeren Beifall fand, nach Veji hinüberzuziehen. 8 Übrigens bestimmten einige Veji dem Bürgerstand, andere dem Senat zum Sitz, so dass das römische Volk in zwei Städten eines gemeinschaftlichen Staates wohnen sollte. 9 Da sich nun die Vornehmen dagegen mit solchem Nachdruck erklärten, dass sie beteuerten, sie würden vor den Augen des römischen Volkes eher sterben, als einen von diesen Vorschlägen durchgehen lassen; 10 denn es gebe ja in der einen Stadt Misshelligkeiten genug, wie es vollends in zweien aussehen werde? Ob wohl jemand einer siegreichen Vaterstadt die besiegte vorziehen und es geschehen lassen möchte, dass Veji nach der Eroberung ein größeres Glück erlange, als es in seinem Wohlstand gelebt habe, 11 und endlich versicherten, sie könnten freilich von ihren Mitbürgern in der Vaterstadt zurückgelassen werden, allein keine Gewalt solle je sie zwingen können, ihre Vaterstadt und Mitbürger hier zu lassen und einem Titus Sicinius – denn dieser hatte von den Volkstribunen den Antrag gestellt – mit Hintansetzung des Gottes Romulus, dieses Gottessohnes, dieses Vaters und Stifters der Stadt Rom, als dem neuen Erbauer nach Veji zu folgen.
(25) So gab es bei allen unanständigen Auftritten in diesem Streit, in welchem die Väter auch einen Teil der Volkstribunen auf ihre Seite gezogen hatten, kein kräftigeres Mittel, die Bürger von Gewalttätigkeiten gegen die Väter abzuhalten, 2 als dies, dass gerade die Vornehmsten des Senates, sobald sich das Geschrei einer beginnenden Schlägerei erhob, sich selbst dem Haufen entgegenwarfen und ihn aufforderten, er möge nur auf sie losschlagen, auf sie einhauen und sie töten. 3 Weil man sich nun der Entehrung ihres Alters, ihrer Würde und Ämter enthielt und auch bei den übrigen ähnlichen Unternehmungen die Ehrfurcht dem Zorn in den Weg trat, 4 sagte Camillus an allen Orten zu wiederholten Malen in öffentlichen Reden, es sei kein Wunder, dass diese Wut den Staat treffe, an den die Götter die Erfüllung seines Gelübdes zu fordern hätten und der doch für alles andere eifriger sorge als dafür, sich seiner heiligen Zusage zu entledigen. 5 Er wolle nichts von dem Beitrag sagen, der mehr einem Almosen als dem Zehntel gleich ausfalle, und für den das Volk, seitdem diese Verbindlichkeit jedem Einzeln obliege, unverantwortlich sei. 6 Dazu aber lasse sein Gewissen ihn nicht stillschweigen, dass man das Zehntel nur von derjenigen Beute bestimme, welche in beweglichem Gut bestehe, allein der eroberten Stadt samt ihrem Gebiet, auf welche sich das Gelübde doch ebenfalls erstrecke, gar keine Erwähnung tue.
7 Da die Entscheidung darüber dem Senat zweifelhaft schien und an die Oberpriester verwiesen wurde, gab dieses Kollegium mit Zuziehung des Camillus sein Gutachten dahin ab, dass von allem, was vor Ablegung des Gelübdes vejentisches Eigentum gewesen und nach dem Gelübde dem römischen Volk zugefallen sei, der zehnte Teil dem Apollo heilig sein müsse. 8 Und so machte man einen Anschlag vom Wert der Stadt Veji und ihres Gebietes. Das Geld gab die Schatzkammer her, und die konsularischen Kriegstribunen bekamen den Auftrag, Gold dafür zu kaufen. Weil es aber daran fehlte, berieten die Frauen in eigens zu diesem Zweck veranstalteten Versammlungen die Sache, versprachen durch einen gemeinschaftlichen Entschluss ihr Gold und sämtliches Geschmeide den Kriegstribunen und lieferten es in die Schatzkammer. 9 War dem Senat je etwas erfreulich gewesen, so war es dies, und den Frauen soll für diese Bereitwilligkeit die ehrenvolle Erlaubnis erteilt worden sein, zu den Feierlichkeiten des Gottesdienstes und der Spiele in vierrädrigen und sonst an Fest- und Werktagen in zweirädrigen Wagen zu fahren. 10 Man ließ sich von einer jeden das Gold zuwägen, setzte es auf den zu zahlenden Geldwert und beschloss, einen goldenen Mischkrug anfertigen zu lassen, der dem Apollo als Geschenk nach Delphi gebracht werden sollte.
11 Kaum erholte man sich von der Gewissenssorge, da erregten die Volkstribunen neue Unruhen. Sie wiegelten die Menge gegen alle Vornehmen auf, vor allen gegen Camillus. 12 Er habe die vejentische Beute dadurch, dass er den Staat und den Gott daran habe teilnehmen lassen, auf nichts heruntergebracht. Mit dieser Dreistigkeit schalten sie auf die Abwesenden; waren aber die Väter gegenwärtig und boten sich willig dem zürnenden Volk dar, so bewies man ihnen alle Achtung. 13 Als sie nun sahen, dass man die Sache aus diesem Jahr in das folgende hinüberziehen wollte, wählten sie diejenigen Volkstribunen, welche den Vorschlag gemacht hatten, auf ein Jahr wieder, und die Väter gaben sich dieselbe Mühe für die, welche Einspruch erhoben hatten. So wurden größtenteils dieselben Volkstribunen wiedergewählt.
(26) Am Wahltag der Kriegstribunen bewirkten es die Väter, die alle ihre Kraft aufboten, dass Marcus Furius Camillus gewählt wurde. Der Angabe nach wünschten sie ihn wegen der Kriege zum Feldherrn; eigentlich suchten sie für die tribunizischen Schenkungsvorschläge einen Gegner. 2 Mit Camillus wurden zu Kriegstribunen mit konsularischer Gewalt gewählt: Lucius Furius Medullinus zum sechsten Mal, Caius Aemilius, Lucius Valerius Publicola, Spurius Postumius und Publius Cornelius zum zweiten Mal.
3 Im Anfang des Jahres unternahmen die Volkstribunen nichts, bis Marcus Furius Camillus gegen die Falisker in den Krieg zog, den man ihm übertragen hatte. Durch diesen Aufschub verlor ihr Vorschlag seine Kraft, und Camillus, ihr gefürchtetster Gegner, erwarb sich im Faliskerland noch größeren Ruhm, 4 denn da sich die Feinde anfangs hinter ihren Mauern hielten, weil ihnen dies das Sicherste schien, zwang er sie durch Verheerung ihres Gebietes und Niederbrennung ihrer Landhäuser, aus der Stadt zu rücken; allein aus Furcht gingen sie nicht weit. 5 Etwa tausend Schritte von der Stadt schlugen sie ihr Lager auf, welches sie durch weiter nichts gesichert hielten als durch die Schwierigkeit des Zuganges, weil die Gegend rau und felsig, die Wege hier eng, dort steil waren. 6 Camillus indes, der einen gefangenen Landmann zum Wegweiser nahm, brach in tiefer Nacht mit seinem Lager auf