Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.Schlacht bereit. Als hier die Feinde die Arbeit hindern wollten, schlug es sie in die Flucht, und die Falisker gerieten so in Schrecken, dass sie im flüchtigen Lauf vor ihrem Lager, obgleich es näher war, vorbei der Stadt zueilten. 8 Ehe sie sich in dieser Bestürzung in die Tore werfen konnten, wurden viele getötet und verwundet. Das Lager wurde erobert, die Beute an die Schatzmeister abgeliefert, zum größten Zorn der Soldaten; allein durch die Strenge des Oberbefehls niedergehalten, bewunderten sie dieselbe Festigkeit des Mannes, die sie an ihm hassten. 9 Nun folgte die Einschließung der Stadt, die Anlegung von Werken und zuweilen gelegentliche Ausfälle der Belagerten auf die römischen Posten und andere kleine Gefechte; man brachte die Zeit hin, ohne dass sich die Hoffnung auf eine von beiden Seiten neigte, weil die Belagerten mit Getreide und anderen früher zusammengefahrenen Vorräten reichlicher als die Belagerer versehen waren. 10 Auch schien die Arbeit hier ebenso langwierig werden zu wollen, als sie vor Veji gewesen war, hätte nicht das Glück dem römischen Heerführer Beistand verliehen – Gelegenheit einer Probe jener Heldengröße, welche man aus seinen Kriegen kannte, und frühzeitigen Sieg.
(27) Bei den Faliskern war es Sitte, ihre Söhne von ihrem Lehrer auch begleiten zu lassen, und mehrere Knaben zugleich wurden, wie es auch jetzt noch in Griechenland üblich ist, der Aufsicht eines einzigen übergeben. Die Kinder der Vornehmen unterrichtete, wie das gewöhnlich der Fall ist, der, welcher sich durch Wissen auszuzeichnen schien.
2 Da es sich dieser Mensch in Friedenszeiten zur Gewohnheit gemacht hatte, die Kinder zu Spielen und Übungen zur Stadt hinauszuführen, entfernte er sich mit ihnen auch jetzt, ohne diese Sitte im Krieg zu unterlassen, bald auf kürzere, bald auf längere Strecken vom Tor, und als sich ihm unter abwechselnden Spielen und Gesprächen die Gelegenheit bot, noch weiter als sonst zu gehen, führte er sie durch die feindlichen Posten und dann durch das römische Lager in das Feldherrnzelt zu Camillus. 3 Hier begleitete er seine schändliche Tat mit noch schändlicheren Worten. 4 Er habe Falerii in der Römer Hände geliefert, weil er diese Knaben, deren Väter dort die Häupter der Regierung seien, in ihre Gewalt gegeben habe.
5 Camillus hörte dies an und sprach: Weder das Volk noch der Feldherr, zu dem du Schurke mit deinem gottlosen Geschenk kamst, sind Deinesgleichen. 6 Wir stehen mit den Faliskern nicht in einem Bündnis, das auf einem menschlichen Vertrag beruht. Aber ein Bündnis, das die Natur eingepflanzt hat, besteht und wird bestehen. Auch der Krieg hat seine Rechte wie der Friede, und diese verstehen wir ebenso wohl mit Gerechtigkeit als mit Tapferkeit zu üben. 7 Die Waffen führen wir nicht gegen das Alter, dessen man auch bei Eroberung der Städte schont, sondern gegen Bewaffnete, die weder von uns gekränkt noch gereizt ein römisches Lager vor Veji bestürmten. 8 An ihnen bist du, soweit es dir möglich war, durch einen unerhörten Frevel zum Sieger geworden, ich aber will sie durch römische Mittel, durch Tapferkeit, Belagerungswerke und Waffen, wie bei Veji, besiegen.
9 Darauf lieferte er ihn entkleidet und mit auf den Rücken gebundenen Händen den Knaben aus, ihn nach Falerii zurückzubringen, und ließ ihnen Ruten geben, den Verräter in die Stadt zu peitschen.
10 Als zu diesem Schauspiel zuerst das Volk zusammenlief, dann die Obrigkeiten über den nie gesehenen Auftritt den Senat beriefen, erfolgte in der Stimmung der Gemüter eine solche Umwandlung, dass dieselbe Bürgerschaft, die kurz vorher noch vor Hass und Erbitterung außer sich fast lieber wie Veji endigen als wie Capena Frieden schließen wollte, jetzt einstimmig Frieden verlangte. 11 Die Redlichkeit der Römer, die Gerechtigkeitsliebe des Feldherrn wurden auf dem Markt, auf dem Rathaus laut gepriesen, und unter allgemeiner Übereinstimmung gingen Gesandte zu Camillus ins Lager und von da mit seiner Bewilligung nach Rom an den Senat, um Falerii zu übergeben.
In den Senat eingeführt, sollen sie so gesprochen haben: 12 Von euch, ihr versammelten Väter, und von eurem Feldherrn durch einen Sieg bezwungen, der weder Göttern noch Menschen missfallen kann, ergeben wir uns euch in der Überzeugung, die für den Sieger nicht schmeichelhafter sein kann, dass wir unter eurem Oberbefehl glücklicher als unter unseren eigenen Gesetzen leben werden. 13 Durch den Ausgang dieses Krieges sind dem menschlichen Geschlecht zwei heilsame Beispiele vor Augen gestellt. Ihr habt im Krieg Redlichkeit dem unausbleiblichen Sieg vorgezogen, wir, durch diese Redlichkeit aufgefordert, haben euch den Sieg freiwillig überbracht, 14 wir sind eure Untertanen. Sendet, wenn ihr wollt, unsere Waffen, Geiseln und die Stadt bei offenen Toren zu übernehmen. Ihr werdet nie mit unserer Treue noch wir mit eurer Oberherrschaft unzufrieden sein.
15 Von Feinden und Mitbürgern empfing Camillus Danksagungen. Den Faliskern wurde die diesjährige Löhnung der Soldaten auferlegt, um das römische Volk mit dieser Abgabe zu verschonen. Man gab ihnen Frieden, und das Heer wurde nach Rom zurückgeführt.
(28) Da Camillus, verherrlicht durch einen weit edleren Ruhm als da, wo ihn die weißen Rosse im Triumph durch die Stadt zogen, ausgezeichnet durch Gerechtigkeit und den Sieg der Redlichkeit über die Feinde, nach Rom zurückgekehrt war, gab der Senat seine Achtung für ihn dadurch laut zu erkennen, dass er sogleich befahl, ihn seines Gelübdes zu entledigen; 2 und man schickte Lucius Valerius, Lucius Sergius und Aulus Manlius auf einem Kriegsschiff nach Delphi als Gesandte ab, dem Apollo den goldenen Mischkrug als Geschenk zu überbringen; sie wurden aber nicht weit von der Siculer Meerenge von liparischen Seeräubern aufgebracht und nach der Insel geführt.
3 Hier war es Sitte, sich in den Raub, den die Kaperei zu einem Eigentum aller machte, zu teilen. Zum Glück bekleidete in diesem Jahr ein gewisser Timasitheus das höchste Staatsamt, ein Mann, der mehr den Römern als den Seinigen glich. 4 Selbst nicht ohne Achtung vor dem Namen der Gesandtschaft, vor dem Geschenk und dem Gott, dem es bestimmt war, sowie vor dem Zweck dieser Sendung, flößte er auch der Menge, die sich fast immer nach ihrem Oberhaupt richtet, die gebührende Ehrfurcht ein, begleitete die Gesandten, die er im Namen des Staates aufgenommen und bewirtet hatte, unter einer Bedeckung von mehreren Schiffen nach Delphi und schickte sie wohlbehalten nach Rom zurück. 5 Nach einem Senatsbeschluss stiftete man Gastfreundschaft mit ihm und beschenkte ihn im Namen des Staates.
In demselben Jahr hatte man im Krieg gegen die Aequer abwechselndes Glück, so dass man, wie bei den Heeren selbst, auch in Rom ungewiss war, ob man Sieger oder Besiegter sei. 6 Von den Kriegstribunen waren Caius Aemilius und Spurius Postumius Feldherren der Römer. Anfangs führten sie den Krieg gemeinschaftlich; nach einem erfochtenen Sieg verglichen sie sich, Aemilius sollte mit seinem Heer Verrugo decken, Postumius das feindliche Gebiet verheeren. 7 Hier griffen ihn, wie er, nach dem gelungenen Sieg weniger auf seiner Hut, mit einem ungeordneten Haufen heranzog, die Aequer an, erfüllten das Heer mit Bestürzung und jagten es auf die nächsten Anhöhen; ja der Schrecken verbreitete sich bis zu dem andern Heer nach Verrugo.
8 Als Postumius den in Sicherheit gebrachten Seinigen vor einer Versammlung ihre Bestürzung und Flucht vorwarf – hätten sie sich doch von dem feigsten und flüchtigsten Feind schlagen lassen –, da rief das ganze Heer, dies zu hören hätten sie verdient, sie geständen ihr schimpfliches Betragen, sie wollten es aber wieder gutmachen, und der Feind solle die Freude nicht lange genießen. 9 Sie verlangten, sogleich gegen das feindliche Lager geführt zu werden – es lag ihnen in der Ebene vor Augen –, und unterwarfen sich jeder Strafe, wenn sie es nicht noch vor Nacht eroberten. 10 Er lobte sie, hieß sie sich pflegen und um die vierte Nachtwache bereit sein. Als die Feinde den Römern eine nächtliche Flucht vom Hügel durch Besetzung des Weges nach Verrugo versperren wollten, stießen sie aufeinander, und die Schlacht begann vor Tagesanbruch; allein der Mond schien, und man konnte mit derselben Zuversicht wie in einer Schlacht bei Tag kämpfen. 11 Doch das Geschrei, das nach Verrugo erscholl, setzte dort, wo man die Bestürmung des römischen Lagers zu hören glaubte, die Soldaten so in Schrecken, dass sie gegen alles Zurückhalten und Bitten des Aemilius in zerstreuten Scharen nach Tuskulum flohen. 12 Und von hier verbreitete sich das Gerücht nach Rom, Postumius sei mit seinem Heer verloren.
Allein sobald der anbrechende Tag die Römer keinen Hinterhalt fürchten ließ, wenn sie den Geschlagenen nachstürzten, befeuerte sie Postumius, der die Heeresreihen durchritt und ihr Versprechen einforderte, mit einem solchen Eifer, dass die Aequer den Angriff nicht länger aushielten. 13 Das Blutbad unter den Fliehenden dauerte, wie zu erwarten, wenn mehr Erbitterung als Tapferkeit das Schwert führt, bis zur Vertilgung der Feinde, und auf die traurige Botschaft von Tuskulum, die der Stadt einen unnötigen Schrecken bereitet hatte, folgte