Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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Frage der Römer, was für ein Recht sie hätten, Eigentümern ihr Land abzufordern oder mit den Waffen zu drohen, und, was in Etrurien Gallier zu suchen hätten, trotzig erwiderten, sie trügen ihr Recht in den Waffen und tapferen Männern gehöre alles, lief man mit gegenseitiger Erbitterung zu den Waffen, und die Schlacht begann.

      6 Hier griffen die Gesandten, so wollte es das über die Stadt Rom hereinbrechende Verhängnis, gegen das Völkerrecht zu den Waffen, und dies konnte nicht verborgen bleiben, da drei der edelsten und tapfersten jungen Männer Roms vor den Fahnen der Etrusker kämpften, und die Tapferkeit dieser Fremden so sehr sich auszeichnete. 7 Ja Quintus Fabius, der mit seinem Pferd vor die Linie sprengte, durchbohrte einem Anführer der Gallier, der zu keck auf die Reihen der Etrusker einbrach, mit seinem Speer die Seite und tötete ihn, und als er ihm die Rüstung abzog, erkannten ihn die Gallier und machten ihrem ganzen Heer die Meldung, dass dies ein römischer Gesandter sei. 8 Sie gaben ihren Zorn gegen die Clusiner auf, ließen zum Rückzug blasen und drohten den Römern. Einige rieten, sogleich auf Rom loszugehen. Allein die Älteren drangen durch, dass man vorher Gesandte abschickte, welche über das Unrecht sich beschweren und wegen des verletzten Völkerrechts auf die Auslieferung der Fabier antragen sollten.

      9 Als die Gesandten der Gallier sich ihrer Aufträge entledigt hatten, missbilligte der Senat die Handlungsweise der Fabier allerdings und hielt die Forderung der Barbaren für gerecht; allein gegen Männer von so hohem Adel den Beschluss so abzufassen, wie man ihn für recht hielt, ließ die Gunstbuhlerei nicht zu. 10 Um also die Schuld nicht selbst zu tragen, wenn sich im Krieg gegen die Gallier ein Unglück ereignen sollte, verwies der Senat die Untersuchung der gallischen Forderungen an das Volk. Und hier waren Einfluss und Macht noch so viel geltender, dass man eben die, über deren Bestrafung jetzt erkannt werden sollte, für das nächste Jahr zu Kriegstribunen mit konsularischer Gewalt wählte. 11 Hierüber billigerweise aufgebracht, kehrten die gallischen Gesandten unter lauter Androhung des Krieges zu den Ihrigen zurück. 12 Mit den drei Fabiern wurden zu Kriegstribunen erwählt Quintus Sulpicius Longus, Quintus Servilius zum vierten Mal und Servius Cornelius Maluginensis.

      (37) Bei dieser so großen drohenden Gefahr sah sich eben der Staat, der so manches Mal in den Kriegen gegen die Fidenaten, Vejenter und andere benachbarte Völker mit Aufbietung der äußersten Mittel einen Diktator ernannt hatte, 2 jetzt, da vom Ozean und den entlegensten Küsten der Erde ein nie gesehener, nie genannter Feind zum Kampf heranzog – so sehr blendet das Schicksal die Menschen, wenn es seine hereinbrechende Allgewalt nicht hemmen lassen will –, auch nicht im Geringsten nach einem außerordentlichen Befehlshaber oder Hilfsmittel um. 3 Die Kriegstribunen, deren Unbesonnenheit den Krieg heraufbeschworen hatte, hatten den Oberbefehl und wandten auf die Werbung nicht die geringste Sorgfalt mehr an, wie gewöhnlich bei unbedeutenden Kriegen, ja sie ließen den Krieg noch durch die verbreiteten Gerüchte gering erscheinen.

      4 Unterdessen rissen die Gallier auf die Nachricht, dass man den Frevlern am Völkerrecht noch dazu Ehre erwiesen und so ihre Gesandtschaft gehöhnt habe, glühend vor Zorn, den dieses Volk nicht zu beherrschen weiß, sogleich ihre Fahnen aus der Erde und machten sich in Eilmärschen auf den Weg. 5 Als, durch das Getümmel ihres im Flug vorüberziehenden Heeres geschreckt, die Städte zu den Waffen eilten und die Landleute flüchteten, gaben sie mit lautem Geschrei zu verstehen, sie zögen auf Rom los, und wohin sie kamen, nahmen sie mit Ross und Mann in einem sich in die Länge und Breite dehnenden Zug einen ungeheuren Flächenraum ein. 6 Über Rom, wohin der Ruf und dann die Anzeigen der Clusiner und der übrigen der Reihe nach folgenden Völker vorangingen, verbreitete den meisten Schrecken die Schnelligkeit der Feinde; 7 denn obgleich man mit einem fast nur zusammengerafften Heer sich schleunig aufmachte, so konnte man doch, ohne ihnen zu begegnen, kaum noch den elften Meilenstein erreichen, da wo der Fluss Allia, der vom Crustuminischen Gebirge in sehr tiefem Bett hinfließt, nicht weit unterhalb der Heerstraße mit dem Tiberstrom sich vereinigt. 8 Schon hatte man überall vor sich und auf beiden Seiten Feinde, und bei der diesem Volk eigenen Stimmung für leeres Getöse erfüllten sie alles umher mit schrecklichem und grauenerregendem Gesang und verworrenem Geschrei.

      (38) Hier stellten nun die Kriegstribunen, ohne vorher einen Platz zum Lager zu wählen oder eine Verschanzung anzulegen, in die sie sich zurückziehen könnten, selbst der Götter – wie viel mehr der Menschen! – uneingedenk, ohne Vögel und Opfer um ihre Zustimmung zu fragen, ihre Schlachtreihe so, dass sie dieselbe auf die Flügel ausbreiteten, um nicht von der Menge der Feinde umzingelt zu werden. 2 Und dennoch wurden die Fronten einander nicht gleich, so sehr auch das römische Mitteltreffen durch die Ausdehnung geschwächt und beinahe ohne Zusammenhang war. Zur Rechten war eine mäßige Anhöhe; diese beschloss man mit einem Rückhalt zu besetzen, und gerade dieser Umstand, der den ersten Anlass zur Unordnung und Flucht gab, wurde die einzige Rettung der Fliehenden. 3 Denn Brennus, der Fürst der Gallier, den vorzüglich die geringe Anzahl der Feinde eine List besorgen ließ, wandte sich in der Voraussetzung, dass die Höhe nur dazu besetzt sei, um seine Gallier, sobald sich ihr Vordertreffen mit den Legionen eingelassen habe, durch jenen Rückhalt von hinten und in der Seite anzugreifen, gleich zuerst gegen diesen Rückhalt, 4 da er seiner so sehr überlegenen Menge, wenn er diesen geworfen hatte, in der Ebene einen leichten Sieg versprechen durfte; so sehr stand nicht allein das Glück, sondern auch die richtige Berechnung auf der Seite der Feinde.

      5 Auf der Linie gegenüber sah es gar nicht römisch aus, weder bei den Feldherren noch bei den Soldaten. Bestürzung und Flucht hatten die Gemüter ergriffen und eine solche Vergessenheit aller Dinge, dass ein weit größerer Teil nach Veji, dieser feindlichen Stadt, flüchtete, von der sie doch die Tiber schied, als geradeswegs nach Rom zu ihren Frauen und Kindern. 6 Auf kurze Zeit deckte den Rückhalt die Anhöhe, die übrige Linie ergriff, sobald die, welche zunächst standen, das Geschrei auf der Seite und die Entferntesten es im Rücken hörten, ohne den Kampf nur zu versuchen, ja ohne das Geschrei zu beantworten, mit heiler Haut und unangegriffen die Flucht. 7 Es kam nicht zum Blutvergießen eines Gefechtes, nur im Kampf mit denen, die ihnen im Gewühl am Fliehen hinderlich waren, hieben sie ihren eigenen Leuten in den Rücken. 8 Am Ufer des Tibers aber, wohin sich mit Wegwerfung seiner Waffen der ganze linke Flügel zog, erhob sich ein großes Gemetzel, und viele, die nicht schwimmen konnten oder vom Panzer und der übrigen Rüstung beschwert ermatteten, verschlang die Tiefe; 9 doch rettete sich der größte Teil wohlbehalten nach Veji, sandte aber von da keine Unterstützung, nicht einmal die Nachricht von ihrer Niederlage nach Rom. 10 Vom rechten Flügel, welcher weiter ab vom Fluss, mehr unten am Berg gestanden hatte, liefen alle nach Rom und flüchteten, ohne auch nur die Stadttore zu schließen, auf die Burg.

      (39) Auch die Gallier waren durch das Wunder eines so plötzlich errungenen Sieges in einen Zustand der Betäubung versetzt. Bestürzung auch auf ihrer Seite ließ sie anfangs wie angebannt stillstehen, als wüssten sie nicht, was vorgefallen war, dann fürchteten sie einen Hinterhalt; zuletzt sammelten sie den Raub von den Erschlagenen und türmten nach ihrer Sitte Haufen von Waffen auf. 2 Nun endlich, als sich nirgends etwas Feindliches zeigte, machten sie sich auf den Weg und kamen nicht lange vor Sonnenuntergang vor Rom an. Als ihnen hier die vorausgegangenen Reiter meldeten, kein Tor sei geschlossen, kein Posten stehe vor den Toren auf Wache, kein Bewaffneter sei auf den Mauern zu sehen, da standen sie über dies neue, dem vorigen ähnliche Wunder abermals still, 3 und weil sie es bedenklich fanden, sich bei Nacht an eine Stadt zu wagen, deren Lage sie nicht kannten, ließen sie sich zwischen Rom und dem Anio nieder und schickten Kundschafter an die Mauern und an mehrere Tore, um sich über die Maßregeln, die der Feind in seiner traurigen Lage getroffen habe, zu belehren.

      4 Bei den Römern erfüllte, weil der größere Teil nach Veji statt nach Rom geflohen war, und niemand glaubte, dass außer denen, die nach Rom zurückgeflüchtet waren, noch jemand übrig sei, die Wehklage um die Lebenden wie um die Toten fast die ganze Stadt. 5 Dann aber, als man die Ankunft des Feindes erfuhr, betäubte der Schrecken der allgemeinen Not die Trauer der Einzelnen. Gleich darauf hörte man auch, als die Barbaren in Geschwadern die Stadt umschwärmten, die Misstöne ihres Geheules und Gesanges. 6 Und die ganze folgende Zeit erhielt die Bürger bis zum andern Tage in einer solchen Ungewissheit, dass sie mit jedem Augenblick den Einbruch in die Stadt erwarteten. Zuerst glaubten sie dies gleich bei der Ankunft des Feindes, weil er gegen die Stadt anrückte, denn er wäre ja an der Allia geblieben, wenn dies nicht seine Absicht sei; 7 dann, gegen Sonnenuntergang, ebendarum, weil nicht viel vom Tag übrig war, er werde noch


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