Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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sie in kunstlosen Versen ertönen lassen, mit nicht unverdientem Lob einen Romulus, einen Vater des Vaterlandes und zweiten Gründer der Stadt. 8 Und später erhielt er die im Krieg gerettete Vaterstadt unstreitig zum zweiten Mal im Frieden dadurch, dass er die Auswanderung nach Veji vereitelte, obgleich die Tribunen nach Einäscherung der Stadt diesen Vorschlag noch eifriger betrieben, und die Bürger von selbst zu dem Entschluss weit geneigter waren. 9 Dies war auch der Grund, warum er nach dem Triumph die Diktatur nicht niederlegte, denn der Senat bat ihn, den Staat nicht in dieser unsicheren Lage zu verlassen.

      (50) Vor allen Dingen brachte er, wie er selbst ein sehr gewissenhafter Beobachter der Gottesverehrung war, die in Hinsicht auf die unsterblichen Götter nötigen Verfügungen zum Vortrag und bewirkte den Senatsbeschluss, 2 dass alle heiligen Stätten, weil sie der Feind besetzt gehabt habe, wiederhergestellt, abgegrenzt und gesühnt und über die Art ihrer Reinigung die Heiligen Bücher von den Zweimännern befragt werden sollten. 3 Mit den Einwohnern von Caere sollte der Staat den Bund des Gastrechtes eingehen, weil sie die Heiligtümer des römischen Volkes und seine Priester aufgenommen hätten und man die Weiterführung der den unsterblichen Göttern gebührenden Verehrung der Wohltat dieses Volkes zu verdanken habe. 4 Ferner sollten Kapitolinische Spiele dem allmächtigen Jupiter zu Ehren gefeiert werden, weil er seinen Sitz und die Burg des römischen Volkes in der Not geschützt habe; und der Diktator Marcus Furius sollte hierzu einen Ausschuss von Männern ernennen, die auf dem Kapitol und der Burg wohnten. 5 Auch wurde in Erinnerung gebracht, dass man die nächtliche Stimme, die sich vor dem Gallischen Krieg als Künderin des Unglückes habe hören lassen und nicht beachtet sei, zu versöhnen habe, und der Befehl gegeben, am Neuen Weg dem Aius Locutius einen Tempel zu bauen. 6 Sowohl das den Galliern abgenommene als auch das übrige Gold, das man aus anderen Tempeln in der Eile in Jupiters Allerheiligstes gebracht hatte, wurde auf Befehl, weil man sich nicht entsinnen konnte, in welche Tempel es zurückzuliefern sei, zusammen für Tempelgut erklärt und unter Jupiters Thronsessel niedergelegt. 7 Die Frömmigkeit der Bürger hatte sich schon früher dadurch zu erkennen gegeben, dass man, weil im Schatze nicht Gold genug vorrätig war, um die Summe des den Galliern versprochenen Kaufgeldes vollzumachen, bloß in der Absicht, sich an dem heiligen Golde nicht zu vergreifen, die Frauen das ihrige hergeben ließ. Dafür wurde den Frauen Dank gesagt und außerdem die Ehre zugestanden, dass ihnen, wie den Männern, nach dem Tod eine Lobrede zukommen sollte.

      8 Nachdem er so alles, was die Götter betraf und durch den Senat besorgt werden konnte, ausgerichtet hatte, trat er nun auch, weil die Volkstribunen in ihren fortgesetzten Versammlungen bei dem Volke darauf drangen, dass es mit Hinterlassung der Trümmer in die bereit stehende Stadt Veji hinüberziehen möchte, im Gefolge des ganzen Senates vor der Versammlung auf und hielt folgende Rede:

      (51) Die Streitigkeiten mit den Volkstribunen sind mir so widerwärtig, ihr Quiriten, dass mir teils meine höchst traurige Verbannung, solange ich in Ardea lebte, doch wenigstens den Trost gewährte, mich weit genug von diesen Zwistigkeiten entfernt zu wissen, teils dass ich gerade in Rücksicht auf diese entschlossen war, wenn ihr mich auch durch Senatsbeschluss und Volksbefehl zurückrufen lassen solltet, dennoch nie zurückzukommen. 2 Auch jetzt hat mich zur Rückkehr nicht meine Sinnesänderung bewogen, sondern euer Schicksal, denn jetzt kam es darauf an, dass die Vaterstadt auf ihrer Stelle stehen blieb, nicht darauf, dass gerade ich in der Vaterstadt lebte. Und so würde ich mich auch jetzt von Herzen gern ruhig und schweigend verhalten, wenn nicht auch dieser Kampf der Vaterstadt gälte, und ihr sich entziehen, solange man noch etwas Leben übrig hat, ist für andere eine Schande, für einen Camillus sogar Todsünde. 3 Denn wozu haben wir sie wiedererobert? Wozu die Belagerte den Händen der Feinde entrissen, wenn wir die Wiedergewonnene selbst verlassen, wenn jetzt – obgleich mitten im Sieg der Gallier, als sie die ganze Stadt besetzt hatten, dennoch römische Götter und römische Männer das Kapitol behaupteten und bewohnten –, jetzt, nach dem Sieg der Römer, nach Wiedererwerbung der Stadt, selbst auch die Burg und das Kapitol verlassen werden soll, wenn unser Glück eine größere Verwüstung über diese Stadt bringen soll, als unser Unglück ihr brachte? 4 Hätten wir keine Gottesverehrung, die zugleich mit unserer Stadt gegründet und uns erblich überliefert wäre, so begleitete dennoch das Schicksal Roms eine höhere Macht so augenscheinlich, dass ich wenigstens glauben würde, alle Nachlässigkeit gegen Gottesverehrung sei bei den Leuten vertilgt. 5 Bedenkt nur, entweder die günstigen oder die unglücklichen Schickungen dieser Jahre der Reihe nach, ihr werdet finden, dass uns alles gelang, wenn wir auf die Götter hörten, alles misslang, wenn wir sie verachteten. 6 Gleich zuerst der Vejentische Krieg – wie viele Jahre, mit welcher Mühseligkeit führten wir ihn! – wurde nicht eher beendet, bis wir nach der Mahnung der Götter aus dem Albanersee das Wasser ableiteten. 7 Und nun vollends dies letzte Unglück unserer Stadt, erhob es sich eher, als bis wir jene Stimme, die vom Himmel herab die Ankunft der Gallier verkündete, missachteten, bis unsere Gesandten das Völkerrecht verletzten, bis mir diese Verletzung, die wir bestrafen mussten, aus gleicher Achtlosigkeit gegen die Götter unbestraft ließen? 8 So haben wir denn als Besiegte, als Eroberte, als Losgekaufte bei Göttern und Menschen so gebüßt, dass wir der Welt ein Beispiel wurden. 9 Da erinnerte uns unser Unglück an die Verehrung der Götter. Wir nahmen unsere Zuflucht auf das Kapitol zu den Göttern, zum Sitz des allmächtigen Jupiter; wir bargen, obgleich der Staat über uns zusammenstürzte, die Heiligtümer zum Teil in der Erde, zum Teil verwahrten wir sie, in die benachbarten Städte entführt, vor den Blicken der Feinde; und von Göttern und Menschen verlassen, unterließen wir doch den Dienst der Götter nicht. 10 Da gaben sie uns unsere Vaterstadt, den Sieg und die alte verlorene Kriegsehre wieder und wandten Schrecken, Flucht und verderben auf den Feind, der, von Habsucht geblendet, bei Abwägung des Goldes Bündnis und Wort brach.

      (52) Wenn ihr nun diese über Achtung und Nichtachtung der Gottheit so belehrenden Denkmale in den Begebenheiten der Welt vor Augen seht, wird es euch dann nicht klar, ihr Quiriten, zu welchem neuen Frevel wir, die wir soeben aus dem Schiffbruch unserer früheren Verschuldung und Niederlage erst wieder auftauchen, uns anschicken? 2 Wir haben eine Stadt, die durch göttliche Zustimmung und Weihe gegründet wurde; jeder Platz in derselben hat seine Heiligtümer, seine Götter, zu den eingeführten Opfern sind die Tage ebenso wie die Plätze, an denen sie dargebracht werden sollen, festgesetzt. 3 Und alle diese Götter, des Staates sowohl als eurer Häupter, ihr Quiriten, wollt ihr verlassen? Wie wenig stimmt eure Handlungsweise mit dem überein, das neulich in der Belagerung an dem ausgezeichneten Jüngling, dem Caius Fabius, zu nicht geringerer Bewunderung der Feinde als der eurigen so sehr in die Augen fiel, als er unter den Pfeilen der Gallier von der Burg herabkam und das dem Fabischen Geschlecht gewöhnliche Opfer auf dem Quirinalischen Hügel ausrichtete! 4 Oder wollt ihr nur die Familienopfer auch im Krieg nicht unterbrechen lassen, und die Opfer des Staates und die Götter Roms auch im Frieden aufgeben? Und sollen die Oberpriester und Eigenpriester in den öffentlichen Religionsgebräuchen nachlässiger sein dürfen, als es ein Privatmann gegen eine Gewohnheit seines Geschlechtes war?

      5 Vielleicht möchte jemand einwenden: Entweder können wir das alles zu Veji verrichten, oder aber von dort unsere Priester zur Ausrichtung hierher senden. – Keines von beiden kann geschehen, ohne den Gottesdienst aufzuheben. 6 Um nicht jede Art von Opfern und alle Götter anzuführen, kann beim Gottesmahl Jupiters die Tafel anderswo als auf dem Kapitol bereitet werden? 7 Soll ich das ewige Feuer der Vesta und ihr Bild erwähnen, das als Unterpfand unserer Oberherrschaft Anspruch auf Verwahrung in diesem Tempel macht? Oder eure heiligen Schilde,68 Schreitender Mars und du, Vater Quirinus? Das alles sollen wir hier auf entweihter Stätte lassen? Heiligtümer, die so alt sind wie die Stadt, zum Teil noch über den Ursprung der Stadt hinausgehen?

      8 Und nun beherzigt den Unterschied zwischen uns und unseren Vorfahren. Sie haben uns bestimmte Opfer zur Ausrichtung auf dem Albanerberg und zu Lavinium hinterlassen. Machten sie sich ein Gewissen daraus, Opfer aus den Städten der Feinde hierher nach Rom zu verlegen, und wir sollten ohne Versündigung die unsrigen nach Veji, in eine Stadt der Feinde, verlegen können? 9 Erinnert euch doch, ich bitte euch, wie oft gottesdienstliche Feiern von Neuem beginnen müssen, weil durch Unachtsamkeit oder Zufall in den väterlichen Gebräuchen etwas verabsäumt war. Was wurde noch neulich, nächst der Hindeutung auf den Albanersee, für unseren am Vejenterkrieg leidenden Staat das Heilmittel, als die wiederholte Weihe des Opferdienstes und die Erneuerung


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