Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.der Vornehmen, welche ihnen die äußerste Not abgedrungen hatte, das Weinen der Frauen und Kinder, die als Begleiter der Auswanderung mitgeschleppt wurden, folgte, sagte Camillus, die Sutriner möchten ihre Klagen einstellen. Die, denen er Trauer und Tränen brächte, seien die Etrusker. 5 Dann ließ er das Gepäck zusammenlegen, befahl den Sutrinern, denen er eine mäßige Bedeckung ließ, sich zu lagern, und seinen Soldaten befiehlt er, bloß die Waffen mitzunehmen. Als er mit diesem schlagfertigen Heer nach Sutrium kam, fand er alles, gerade wie er vermutet hatte, in der beim Glück so gewöhnlichen Sorglosigkeit: keine Posten vor den Mauern, die Tore offen, die Sieger in der Zerstreuung, raubend die Beute aus den Häusern der Feinde herausschaffend.
6 So wurde Sutrium an demselben Tag zum zweiten Mal erobert, die Etrusker in ihrem Sieg allenthalben von dem neuen Feind niedergehauen und ihnen weder Zeit gelassen, sich zu sammeln und zu vereinigen noch zu den Waffen zu greifen. 7 Da sie, jeder auf eigenen Antrieb, nach den Toren eilten, um vielleicht durch eins sich ins Freie zu retten, fanden sie diese, wie der Diktator gleich anfangs befohlen hatte, verschlossen. 8 Nun griffen einige zu den Waffen, andere, die der Überfall gerade in den Waffen getroffen hatte, riefen die Ihrigen zum Beginn der Schlacht zusammen, und diese wäre bei der Verzweiflung der Feinde heftig geworden, wenn nicht die in der Stadt umhergeschickten Herolde geboten hätten, die Waffen niederzulegen, jeden Unbewaffneten zu schonen und sich an keinem, außer an Bewaffneten, zu vergreifen. 9 Da warfen auch die, welche sich in der dringenden Not bis aufs Äußerste zu kämpfen entschlossen hatten, sobald sich Hoffnung zum Leben zeigte, allenthalben die Waffen von sich und gaben sich unbewaffnet, was unter diesen Umständen das Sicherste war, dem Feind hin. 10 Eine große Menge wurde in die Gefängnisse verteilt. Noch vor Einbruch der Nacht wurde den Sutrinern ihre Stadt unbeschädigt und ohne vom Kriegsunglück etwas gelitten zu haben, wiedergegeben, weil sie nicht im Sturm erobert, sondern nach Verhandlungen übergeben worden war.
(4) Camillus’ Triumph bei seiner Rückkehr nach Rom feierte den vereinigten Sieg dreier Kriege. 2 Unter den Gefangenen, die seinem Wagen vorausgingen, waren die Etrusker bei Weitem die meisten. Aus dem öffentlichen Verkauf derselben wurde so viel Geld gewonnen, dass man den Römerinnen den Wert ihres Goldes70 abbezahlen und vom Überschuss drei goldene Opferschalen anfertigen konnte, 3 welche, wie bekannt, mit des Camillus Namen bezeichnet, ehe das Kapitol71 abbrannte, in Jupiters Heiligtum der Juno zu Füßen aufgestellt waren.
4 In diesem Jahr wurden diejenigen Vejenter, Capenaten und Falisker ins Bürgerrecht aufgenommen, welche während dieser Kriege zu den Römern übergegangen waren, und ihnen als neuen Bürgern Land angewiesen. 5 Auch wurden durch einen Senatsbeschluss alle von Veji in die Stadt zurückberufen, die, aus Widerwillen, in Rom zu bauen, die leeren Häuser in Veji bezogen und sich hier niedergelassen hatten. Anfangs zeigten sie gegen den Befehl laute Verachtung, allein die Festsetzung eines Tages und der Todesstrafe für jeden, der dann noch nicht wieder nach Rom gezogen sein würde, machte aus einem widerspenstigen Ganzen lauter Gehorsame. 6 Und nun wuchs Rom nicht bloß an Volkszahl, sondern das Ganze erhob sich auch in seinen Gebäuden mit einem Mal, da teils der Staat die Kosten tragen half, teils die Ädilen das Werk, gleich als vom Staate in Auftrag gegeben, betrieben, teils die Eigentümer selbst, die der Wunsch, Gebrauch davon zu machen, anspornte, zur Beendigung des Werkes eilten; und in Jahresfrist stand die neue Stadt.
7 Am Ende des Jahres wurde ein Wahltag für Kriegstribunen mit konsularischer Macht abgehalten. Gewählt wurden Titus Quinctius Cincinnatus, Quintus Servilius Fidenas zum fünften Mal, Lucius Julius Julus, Lucius Aquilius Corvus, Lucius Lucretius Tricipitinus und Servius Sulpicius Rufus. Ein Heer führten sie gegen die Aequer, 8 nicht zum Krieg, denn diese gaben sich ja für überwunden, sondern aus Hass, um ihnen das Land zu verwüsten, damit ihnen zu neuen Unternehmungen die Kräfte genommen würden; ein zweites in das Gebiet von Tarquinii. 9 Hier wurden die etruskischen Städte Cortuosa und Contenebra mit Sturm erobert und zerstört, und zwar Cortuosa ohne Kampf. Durch einen unvermuteten Überfall eroberten sie die Stadt beim ersten Feldgeschrei und Angriff. Sie wurde geplündert und verbrannt. 10 Contenebra hielt die Bestürmung einige Tage aus und wurde nur durch die fortgesetzte Anstrengung, die Tag und Nacht nicht nachließ, bezwungen. Denn da das römische Heer in sechs Abteilungen nur alle sechs Stunden der Reihe nach wieder zum Kampf auftrat, die Belagerten hingegen ihre geringe Anzahl immer als dieselben Ermüdeten dem sich beständig erneuernden Gefecht bloßstellte, wichen sie endlich, und die Römer fanden Raum, in die Stadt einzudringen. 11 Die Tribunen hatten beschlossen, die Beute in den Schatz zu legen, allein ihr Befehl war langsamer als ihr Entschluss, während sie noch zauderten, war die Beute schon in den Händen der Soldaten und konnte ihnen, ohne sich ihre Unzufriedenheit zuzuziehen, nicht wieder genommen werden.
12 In diesem Jahr wurde auch, damit die Stadt sich nicht bloß durch Privatgebäude hebe, das Kapitol mit Quadersteinen untermauert, ein selbst bei der jetzigen Pracht der Stadt noch sehenswürdiges Werk.
(5) Noch war die Bürgerschaft mit dem Bau beschäftigt, als schon die Volkstribunen den Versuch machten, ihren Reden zum Volk durch Vorschläge von Landverteilungen zahlreiche Zuhörer zu verschaffen. 2 Sie krönten die Hoffnungen mit dem Pomptinischen Acker, der jetzt erst, nach Camillus’ vernichtendem Sieg über die Volsker, ein unstreitiges Eigentum der Römer war. 3 Sie beschuldigten den Adel, dass jenes Stück Land von ihm weit mehr als früher von den Volskern zu leiden habe, denn diese hätten es doch nur so lange mit ihren Einfällen überzogen, als sie die Kraft dazu und Waffen gehabt hätten, 4 die Adligen hingegen wären als Räuber darauf erpicht, alle Staatsländereien zu behalten, und kein Bürgerlicher werde dort ein Plätzchen bekommen, wenn man nicht durch eine Verteilung den das Ganze an sich Reißenden zuvorkomme. 5 Sie hatten aber wenig Eindruck auf die Bürger gemacht, weil die Besorgung des Baues nur wenige auf dem Markt erscheinen ließ, und sie sich eben durch diese Ausgaben erschöpft hatten, folglich nicht an Ländereien denken konnten, zu deren Einrichtung ihnen die Kräfte fehlten.
6 Bei den mancherlei Rücksichten der Bürgerschaft auf die Götter, in der jetzt seit dem letzten Unglück selbst die Vornehmeren nicht ohne fromme Ängstlichkeit waren, ließ man, um sich von Neuem der göttlichen Obhut zu versichern, eine Zwischenregierung eintreten. Als Zwischenkönige folgten aufeinander Marcus Manlius Capitolinus, Servius Sulpicius Camerinus und Lucius Valerius Potitus. 7 Dieser erst hielt eine Volksversammlung, um Kriegstribunen mit Konsulgewalt zu ernennen. Unter seinem Vorsitz wählte man den Lucius Papirius, Caius Cornelius, Caius Sergius, Lucius Aemilius zum zweiten Mal, Lucius Menenius, Lucius Valerius Publicola zum dritten Mal. Unmittelbar nach der Zwischenregierung traten sie ihr Amt an.
8 In diesem Jahr wurde der Tempel des Mars, den man ihm im Gallischen Krieg gelobt hatte, von Titus Quinctius als einem der Zweimänner der gottesdienstlichen Geschäfte eingeweiht. Aus den hinzugekommenen Bürgern vermehrte man die Zahl der Stadtbezirke mit vier neuen, dem Stellatinischen, Tromentinischen, Sabatinischen, Arniensischen, und dadurch stieg die Zahl der Bezirke auf 25.
(6) Der Volkstribun Lucius Sicinius brachte den Antrag über den Pomptinischen Acker vor das Volk, das schon zahlreicher erschien und bereits für den Wunsch nach Ländereien empfänglicher als zuvor war. 2 Und die im Senat zur Sprache gebrachte Kriegserklärung gegen die Latiner und Herniker wurde bei der Befürchtung eines größeren Krieges, da Etrurien in den Waffen stand, verschoben. 3 So kam die Führung des Ganzen wieder an Camillus als Kriegstribun mit konsularischer Gewalt. Ihm wurden fünf Amtsgenossen gegeben, Servius Cornelius Maluginensis, Quintus Servilius Fidenas, zum sechsten Mal Tribun, Lucius Quinctius Cincinnatus, Lucius Horatius Pulvillus und Publius Valerius.
4 Im Anfang des Jahres wurden die Gedanken der Leute von dem Etruskischen Krieg abgelenkt, denn ein aus dem Pomptinischen in die Stadt hereinstürzender Zug von Flüchtlingen brachte die Nachricht, die Antiaten stünden unter den Waffen, und die Völkerschaften der Latiner hätten diesen unter der Hand Freiwillige zukommen lassen, 5 obgleich sie sich von aller Teilnahme von Seiten ihres Staates insofern lossagten, als sie nur Freiwilligen nicht hätten hinderlich sein wollen zu dienen, wo sie wollten.
6 Kein Krieg wurde jetzt mehr verachtet. Daher dankte der Senat den Göttern, dass jetzt Camillus im Amt sei, denn man habe ihn, wäre er Privatmann gewesen, zum Diktator ernennen müssen. Und seine Amtsgenossen gestanden, die Leitung des Ganzen beruhe, 7 sobald irgendein Krieg drohe, auf diesem einzigen Mann, und sie hätten sich vorgenommen, ihren eigenen Oberbefehl dem Camillus zu unterwerfen, und würden keine Art