Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.neue aufgestellt. Wie merkwürdig und feierlich wurde nicht neulich durch die rühmliche Bemühung der ersten Römerinnen der Tag, an dem wir der von Veji herübergefahrenen Königin Juno die ihr geweihte Stelle auf dem Aventin gaben? 11 Dem Aius Locutius ließen wir wegen der vom Himmel vernommenen Stimme am Neuen Weg einen Tempel bauen, unsere feierlichen Gebräuche vermehrten wir durch die Kapitolinischen Spiele, und auf Veranlassung des Senats bildeten wir dafür einen neuen Ausschuss. 12 Wozu war eine einzige von diesen Anstalten nötig, wenn wir mit den Galliern zugleich die Stadt der Römer verlassen wollten, wenn wir während der Belagerung von so vielen Monaten auf dem Kapitol nicht aus eigener Wahl geblieben sind, sondern uns dort nur die Furcht vor den Feinden festhielt? 13 Wir reden von den Opfern, von den Tempeln, was soll ich aber von den Priestern sagen? Fällt euch nicht ein, welch eine Sünde begangen werden würde? Für die Vestalinnen ist ja nur der Wohnsitz der einzige, aus dem sie nie etwas als die Eroberung der Stadt entfernen kann. Für den Priester Jupiters ist es eine Todsünde, eine einzige Nacht außerhalb der Stadt zu bleiben. 14 Wollt ihr diese aus Priestern Roms zu Vejentern machen? Und sollen deine Vestalinnen dich, Vesta, verlassen, und der Eigenpriester durch seine Wohnung außerhalb für jede Nacht sich und den Staat mit einer solchen Todsünde beladen? 15 Sollen wir ferner alles das, was wir unter Zustimmung der Vögel meistenteils innerhalb der Ringmauern vollbringen, so der Vergessenheit, so der Verabsäumung preisgeben? 16 An welchem andern Orte können die Vögel zur Wahlversammlung nach Kurien, welche die Angelegenheiten des Kriegswesens bestimmt, oder zu der nach Zenturien, in der ihr eure Konsuln und Kriegstribunen wählt, ihre Zustimmung geben, als da, wo sie immer gehalten werden? 17 Wollen wir sie nach Veji verlegen, oder soll das Volk mit so großer Beschwerlichkeit in dieser von Göttern und Menschen verlassenen Stadt sich zur Wahl einfinden?
(53). Allein die Sache selbst zwingt uns, die durch Brand und Zertrümmerung verwüstete Stadt zu verlassen und in ein unversehrtes Ganzes nach Veji zu ziehen, statt hier den unvermögenden Bürgerstand mit dem Wiederaufbau zu plagen? 2 Dass diese Angabe mehr Vorwand als wahrer Grund sei, muss euch, ihr Quiriten, meiner Meinung nach, ohne dass ich es sage, einleuchten, da ihr euch erinnert, dass schon vor der Ankunft der Gallier, als noch alle öffentlichen und Privatgebäude standen und die Stadt noch nichts gelitten hatte, ebendieser Vorschlag, nach Veji hinüberzuziehen, betrieben wurde. 3 Und hier sollt ihr nun sehen, ihr Tribunen, wie sehr meine Meinung von der eurigen verschieden ist. Ihr glaubt, wenn mir es auch damals nicht hätten tun müssen, so müssten mir es doch durchaus jetzt tun; ich hingegen – und darüber wundert euch nicht, solange ihr das wahre Verhältnis noch nicht gehört habt –, ich würde, wenn man auch damals hätte wegziehen müssen, als die ganze Stadt noch unversehrt stand, mich jetzt dafür erklären, diese Trümmer nicht zu verlassen. 4 Denn damals wäre die Veranlassung, in die eroberte Stadt hinüberzugehen, unser Sieg gewesen, ruhmvoll für uns und unsere Nachkommen, jetzt aber ist die Wanderung für uns traurig und schimpflich, für die Gallier aber ruhmvoll, 5 denn wir haben dann offenbar unsere Vaterstadt nicht als Sieger verlassen, sondern als Besiegte verloren; hierzu durch die Flucht an der Allia, hierzu durch die Eroberung der Stadt, durch die Belagerung des Kapitols gezwungen gewesen zu sein, unsere Schutzgötter zu verlassen, und uns selbst Verbannung und Flucht aus einem Ort aufzuerlegen, den wir nicht hätten behaupten können. Und so sollten die Gallier Rom haben zerstören können, das die Römer, wie der Augenschein lehren würde, nicht wiederherstellen könnten? 6 Es fehlt weiter nichts, als dass ihr, wenn sie jetzt mit neuen Scharen kommen sollten – man weiß ja, dass die Volksmenge kaum glaublich sei – und in dieser von ihnen eroberten, von euch verlassenen Stadt zu wohnen verlangten, dies geschehen ließet. 7 Wie, wenn nicht die Gallier, sondern eure alten Feinde, die Aequer oder Volsker, auf den Gedanken kämen, sich nach Rom zu versetzen, wolltet ihr dann, dass sie die Römer wären und ihr die Vejenter? Oder wollt ihr, ehe es eine Stadt der Feinde sein soll, lieber eine euch gehörende Einöde daraus werden lassen? Ich sehe in der Tat nicht, was von beiden größerer Frevel sein würde. Und könnt ihr, bloß aus Unlust am Bauen, Entschlossenheit genug haben, diese Gräuel, diese Schande auf euch zu nehmen? 8 Ließe sich in der ganzen Stadt kein besseres oder ansehnlicheres Gebäude aufführen, als jene Hütte unseres Gründers ist, wäre es euch dann nicht doch wünschenswerter, in der Mitte eurer Heiligtümer und Schutzgötter in Hütten nach Art der Hirten und Landleute zu wohnen, als mit dem ganzen Staat ins Elend zu wandern? 9 Unsere Vorfahren – Ankömmlinge und Hirten – bauten auf dieser Stelle, wo es nichts als Wald und Sümpfe gab, in ganz kurzer Zeit eine neue Stadt, und wir, die wir das Kapitol, die Burg und die Tempel der Götter unversehrt stehen sehen, sind zu verdrossen, das Niedergebrannte wieder aufzubauen? Und was wir einzeln hätten tun wollen, wenn unsere Häuser abgebrannt wären, das weigern wir uns alle zusammen zu tun bei einem allgemeinen Brand?
54. Und wie dann, wenn durch Tücke oder Zufall eine Feuersbrunft zu Veji ausbräche, und die Flamme – was doch möglich ist – vom Wind verbreitet einen großen Teil der Stadt verzehrte, wollen wir von dort nach Fidenae, Gabii oder einer andern Stadt uns umsehen, in die mir wandern könnten? 2 Hält euch denn der vaterländische Boden so wenig, nicht diese Erde, die wir Mutter nennen, und trifft unsere ganze Vaterlandsliebe bloß die Oberfläche und die Balken? 3 Mir wenigstens – ich will es euch gestehen, obgleich mir die Erinnerung an euer Unrecht noch unwillkommener ist als die an mein Unglück –, mir traten, so oft ich in meiner Verbannung an meine Vaterstadt dachte, alle diese Dinge vor die Seele, die Hügel, die Gefilde, der Tiber, die Gegend, an die sich mein Auge gewöhnt hatte, und dieser Himmel, unter dem ich geboren und erzogen war, lauter Gegenstände, die euch lieber jetzt, ihr Quiriten, durch die auf ihnen haftende Liebe rühren sollten, als dass ihr euch nachher, wenn ihr sie verlassen haben solltet, durch die Sehnsucht nach ihnen abhärmt.
4 Nicht ohne Ursache haben Götter und Menschen für die anzulegende Stadt diesen Platz gewählt: So äußerst gesunde Hügel, einen Strom, so günstig gelegen, dass er uns aus dem Mittelland die Früchte bringt und die Zufuhr von der See aufnimmt, das Meer für unsere Vorteile nahe genug und doch nicht durch zu große Nähe der Gefahr von fremden Flotten ausgesetzt; einen Platz, der als Mittelpunkt der Landschaften Italiens einzig zum Wachstum einer Stadt geschaffen ist. 5 Zum Beweise dient selbst die Größe dieser so neuen Stadt. Es ist jetzt ihr 365. Jahr, ihr Quiriten; von so vielen uralten Völkern umgeben, führt ihr so lange Krieg, und in dieser ganzen Zeit sind euch – ich mag von einzelnen Städten nichts sagen – weder die mit den Aequern verbundenen Volsker, mit ihren vielen und mächtigen Städten noch das gesamte Etrurien, das zu Lande und zu Wasser so mächtig ist, das die ganze Breite Italiens zwischen zwei Meeren im Besitz hat, im Krieg gleich. 6 Wenn dem nun so ist, wie, zum Henker, geht es zu, dass ihr mit etwas anderem als dem, was euch schon Probe gehalten hat, die Probe machen wollt, da sich doch, wenn auch eure Tapferkeit an einen andern Ort übergehen kann, wenigstens das auf dieser Stätte ruhende Glück nicht verlegen lässt? 7 Hier steht das Kapitol, wo man einst einen Menschenkopf fand und die Erklärung hörte, diese Stätte solle das Haupt der Welt und der Sitz der Oberherrschaft werden. Hier ließen sich, als man mit Genehmigung der Vögel zum Platz für das Kapitol die anderen Tempel wegräumte, zur höchsten Freude unserer Voreltern die Göttin der Jugend und der Gott der Grenzen ihren Platz nicht nehmen. Hier ist das Feuer der Vesta, hier sind die vom Himmel erhaltenen heiligen Schilde, hier die Götter alle, die, wenn ihr bleibt, euch gnädig sind.
(55) Die ganze Rede des Camillus soll auf die Bürger Eindruck gemacht haben, hauptsächlich aber der Teil, der sich auf die Religion bezog. Doch gab eine Äußerung, die hier sehr passend kam, der noch ungewissen Sache den Ausschlag. Denn als kurz darauf über dieselbe Angelegenheit im Hostilischen Rathaus Senat gehalten wurde, traf es sich, dass die Kohorten, die von der Wache zurückkamen, über den Markt zogen und auf dem Versammlungsplatz ein Hauptmann ausrief: 2 Hier, Fähnrich, pflanze die Fahne auf! Hier ist die beste Stelle zum Bleiben! Kaum hörten die Senatoren diese Worte, da kamen sie aus dem Rathaus und riefen alle, sie nähmen die Vorbedeutung an, und das herzuströmende Volk gab seine Zustimmung. Als darauf der Vorschlag verworfen war, fing man allenthalben regellos zu bauen an. Die Ziegel lieferte der Staat, 3 und jedem wurde freigegeben, Steine zu holen und Holz zu hauen, wo er wollte, doch musste er Bürgen stellen, dass er in diesem Jahr den Bau vollenden wolle. 4 Die Eile ließ es nicht zu, auf die Richtung der Gassen zu achten, da jeder ohne Rücksicht auf eigenen oder fremden Boden auf dem