Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays - Rudolf Stratz


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stand die Cilli, eine zierliche, mittelgroße Gestalt mit krausgelocktem Schelmenkopf, und lächelte, den Freund erkennend, kühl und liebenswürdig.

      Sie schritt ihm schleppenrauschend mit der Würde einer Bühnenherzogin entgegen und reichte ihm die schmale Hand. »Willkommen, Herr Leutnant!« sagte sie, während er die Hand an die Lippen zog... »welch ein unverhofftes Vergnügen ...«

      Ganz Weltdame! So glatt und sicher, als sei sie nicht unzählige Male lachend und tollend auf seinem Schoß gesessen!

      »Ich fürchte, allzu unverhofft, gnädiges Fräulein!«

      Einen Augenblick spielte ein geheimnisvoll lächelndes Zucken der Erinnerung über ihr hübsches, keckes Gesicht. Dann neigte sie verbindlich das Köpfchen: »Bitte... treten Sie näher, Herr Leutnant!... meine Herrschaften... Herr Leutnant Textor... der berühmte Herrenreiter!«

      Eine Anzahl Herren erhoben sich...

      »Herr Doktor Grunäus«, fuhr Cilli mit der Sicherheit der Dame des Hauses fort und wies auf einen großen, wohlbeleibten Mann in den Vierzigern mit vollbärtigem Faungesicht und goldener Brille... »Herr von Lenski« – ein kleiner, magerer, schnauzbärtiger Herr – »Herr Ali Pascha ...« ein verlebt aussehender Mensch mit einem roten Fez auf dem Kopf .. »Baron Konstantin Silverband aus Kurland ...«

      Der Kurländer, ein knochiger, langer Geselle mit wüstem Gesicht, setzte sich wieder und schlug die Beine übereinander. »Ich habe Hunger!« erklärte er in hartklingendem Deutsch.

      »Wann kommt denn Papachen endlich?« erkundigte sich der kleine Lenski aus der Ecke.

      Die andern lachten.

      Cilli zuckte die schmalen Schultern und ließ Georg neben sich sitzen. »Laßt mir das Papachen in Ruhe«, sagte sie. »Er muß noch Geld verdienen!«

      Das schien also der Hausherr zu sein!

      »Ich schlage vor, wir behandeln den Gastgeber heute zur Strafe ganz miserabel!« brummte der Doktor Grunäus.

      »Aehnlich säh' es euch schon!« sprach Cilli vorwurfsvoll ... »der kleine Pascha ist noch der einzige Anständige ...«

      Das ärgerte den dicken Brillenträger. »Heda ... Sie verbummelter Jungtürke!« schrie er ... »wann werden Sie denn endlich an das goldene Horn eingeheimst?«

      Der schlaffe hübsche Mensch machte eine abwehrende Bewegung mit der Hand und schloß die Augen.

      Grunäus wandte sich zu Textor. »Haben Sie nicht auch so einen Kümmeltürken im Regiment?« fragte er ... »zwanzig hat die hohe Pforte neulich wieder, um den preußischen Kulturschliff zu gewinnen, nach Berlin geschickt. Neunzehn sind eingeschlagen ... aber der da ist hoffnungslos verlottert ... die Weiber ... wissen Sie...«

      »Hören Sie mit Ihrem Getuschel auf, Sie russisches Reptil!« sprach der kurische Edelmann langsam ... »Sie erzählen doch nur wieder Schlechtes von irgend einem von uns!«

      »Ich erzähle dem Herrn Leutnant, daß Sie vorige Woche die letzten Tannenbäume auf Ihrem Gütchen haben fällen lassen, um Ihr Lasterleben in Berlin noch einige Zeit zu fristen ...«

      Darauf erwiderte der finstere, lange Geselle nichts, sondern drehte sich nachdenklich eine Zigarette.

      »Sie haben doch erst neulich den großen Schlag in Hoppegarten gemacht!« rief Lenski aufgeregt.

      »Bei Ihnen, Lenski, hat Silverband gewonnen?« Der dicke Grunäus sah den hageren, gelblichen Herrn erstaunt an, ... »ja ... seit wann zahlen Sie denn Ihren Kunden wirklich einen großen Schlag aus?«

      Der Buchmacher fuhr auf und wollte etwas Zorniges erwidern. Da legte sich Cilli ins Mittel: »Wenn Sie so sind, Grunäus!« sagte sie scharf ... »Dann ... bitte... gehen Sie lieber! ... Die ganze Zeit sitzen Sie stumm beiseite, und kaum ist der Herr Leutnant da, so...« sie brach ab und beugte sich zu Georg ... »das ist die reine Bosheit von dem Kerl!« flüsterte sie, und ihre Augen waren feucht vor Zorn ... »kaum kommt einmal ein anständiger Mensch in meinen Salon, so ekelt er ihn weg ... bloß aus Tücke ... und nie direkt ... immer so von hinten 'rum!«

      »Werfen Sie ihn doch hinaus!« entschied Textor.

      »Das kann ich nicht! Er hat zu viel Verbindungen ... und kommt überall hin ... und für die kleinen Zeitungen schreibt er. Wenn man so jemand beleidigt, dann kommen plötzlich hier und in Wien die Schmähartikel rechts und links in diese bösen kleinen Blättchen... man weiß nicht wie und von wem!«

      »Nette Gesellschaft!« dachte der frühere Leutnant und lehnte sich zurück.

      Eine peinliche Pause trat ein.

      Da klingelte es draußen. Herr Heinlein, der lang Erwartete, kam!

      Ein kleiner runder, beweglicher Herr zu Ende der Vierzig, eine dicke goldene Uhrkette über der blütenweißen Weste. Ein behäbiges Lächeln zog beim Anblick des Fremden über sein glattes, mit einem aufgedrehten Schnurrbärtchen geschmücktes Gesicht.

      Cilli wollte vorstellen.

      »Nicht nötig!« rief er und faßte mit seiner kleinen, weichen Hand die Rechte des Husaren... »...ist mir eine Freude, Herr Textor! ... Ihr Name ist ein Programm ... sozusagen ... Noch voriges Jahr gewann ich auf Sie siebenfaches Geld, als Sie Alpenkönig mit einer Länge gegen den Captain Black herausritten. Sie erinnern sich? Ja ... das war so ein rechter Außenseitertag ...«

      Er wandte sich zu den andern, sie zu begrüßen.

      Wie genau ihn dieser Mann kannte! Und wie seltsam, daß er ihn, als wisse er schon alles, mit »Herr Textor« statt »Herr Leutnant« anredete.

      Immerhin fühlte sich Georg geschmeichelt.

      »Herr Heinlein scheint viel auf dem Rennplatz zu sein!« bemerkte er zu Grunäus.

      Der strich – noch mißmutig von vorhin – den blonden Vollbart.

      »Und ob!« sprach er trocken... » ... das bringt sein Geschäft so mit sich!«

      »Sein Geschäft?« ... Aber da war der behende kleine Herr wieder neben Georg.

      »Reiten Sie dieser Tage ...?« fragte er vertraulich ... »oder haben Sie's aufgesteckt?«

      Der Ex-Husar zog – verblüfft und ärgerlich zugleich – die Augenbrauen hoch ... »...Wie kommen Sie darauf, Herr... Herr Heinlein?«

      »Na ... ich meinte nur!« erwiderte der harmlos ... »manche der Herren ziehen sich doch auch ins Privatleben zurück. Und gerade in diesen Tagen mehr wie sonst ...«

      Kein Zweifel ... er wußte, wie es mit Georg Textor stand. Aber das konnte doch noch nicht allgemein bekannt sein!

      Der Sportsman sah dem kleinen Herrn ganz verblüfft nach, der jetzt in einer Ecke mit Lenski verhandelte.

      »Das ist komisch,« sagte er zu Grunäus ... »...ich habe keine Ahnung, wer Herr Heinlein ist ... und der tut so, als ob er mich von Kindsbeinen an kennte.«

      Der Dicke konnte seine Bosheit nicht unterdrücken, das sah man ihm an.

      »Es gibt eine sehr einfache Erklärung dafür,« sprach er ... »...ich habe nicht das Vergnügen, über Ihre persönlichen Verhältnisse unterrichtet zu sein. Aber es soll ja zuweilen vorkommen, daß Husarenleutnants Schulden machen ...«

      »Na... und?«

      »Nun ... haben Sie noch nie einen Geldmann gesehen?« Herr Grunäus lächelte spöttisch ... »...dann schauen Sie sich Herrn Heinlein recht genau an!«

      Der Sportsman schüttelte den Kopf. »Ich kenne die Hunde,« murmelte er grimmig ... »...die sehen anders aus ...«

      Grunäus faltete mitleidig die Hände. Ein Lächeln lief über sein bärtiges Faungesicht.

      »Sie sind noch naiv, Herr Leutnant!« sprach er langsam ... »Sie meinen, ein Mann wie Heinlein reist selbst in der Welt herum, um sich von, Husarenoffizieren etwas querschreiben zu lassen! Er ist doch nur der Hintermann, der nur bei ganz großen Geschäften,


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