Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays - Rudolf Stratz


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wohl vorkommt, hereinschliddern. Wenn Sie irgendeinem Mann in der Mittel- oder Blücherstraße Ihr Autogramm auf einem Streifen Papier dediziert haben, dann trinken Sie jetzt bei Tische ordentlich von dem alten Bordeaux! Damit schädigen Sie Ihren wahren Gläubiger!«

      »Darf ich bitten, Herr Leutnant?« Cilli trat mit anmutig erhobenem Arm, um sich von ihm zu Tische führen zu lassen, auf ihn zu, und man ging in das Speisezimmer, wo ein korrekter Diener und ein sauberes Hausmädchen, der Gäste harrend, am Kredenztisch standen.

      »Auch nach Ihnen, wie nach jeder verkrachten Existenz, wird die Halbwelt ihre Fänge ausstrecken!« die Worte des alten Bankherrn kamen Georg beim Tafeln in den Sinn.

      Ja, wahrhaftig ... da war er mitten drin.

      Diese Menschen, die um den geschmackvoll arrangierten, von Silberzeug strahlenden Tisch saßen, benahmen sich tadellos. Wehe, wer hier das Brot geschnitten, den Fisch mit dem Messer gestochen hätte.

      Sie waren alle gut und modisch gekleidet. Sie sprachen – mit Ausnahme der unmöglichen Mama Spiegel – halblaut, und was sie sagten, war auch nicht anders, als man es sonst wohl hörte ... Kulissengeschwätz, Turfgesimpel, Börsengezänke und dergleichen.

      Und doch war es eine ganze Skala zweifelhafter Existenzen – von der in ihrer Art naiven Cilli und dem auf Pump lebenden kurischen Baron bis herab zu diesem unheimlichen Heinlein, der in rosigster Laune scherzend und lachend den Ton angab und gar nicht auf den Gedanken zu kommen schien, daß ihn einer der Anwesenden nach Grunäus' Rezept schlecht behandeln könne.

      Im Gegenteil ... sie hatten Furcht vor ihm! Der dicke blonde Brillenträger auch! Das merkte Georg an dem Eifer, mit dem jener seine Bosheit von vorhin wieder gut zu machen und Cilli zu versöhnen suchte.

      Jawohl. Das war die Halbwelt.

      Der einzige, möglicherweise anständige Mensch im Zimmer war der junge, geräuschlos seines Amtes waltende Diener, den Heinlein auf dem Kutschbock mitgebracht.

      Offenbar ein früherer Offiziersbursche. »Ich möchte wohl wissen, was der Kerl von den Leuten denkt, denen er stumm die Platten serviert!« ging es Georg durch den Kopf, und es war ihm nicht sehr behaglich dabei zumute.

      Das Mahl war beendet. Der Champagner perlte. Cilli braute geschäftig den Kaffee und goß ihren Hausfreunden die wunderlichsten Likörmischungen in die Gläser. Sie war ungeduldig. »Ich weiß gar nicht, wo Lulu bleibt!« klagte sie.

      Mama Spiegel, die einen puterroten Kopf hatte, tröstete sie: »Wird schon kommen, Kind!«

      »Da ist sie!« schrie Cilli, als draußen die Klingel klang, und riß die Türe auf ...»...'rin, mein Puttchen!«

      Ein hübsches junges Mädchen, beinahe noch ein Backfisch, fegte wie ein Wirbelwind herein. »Uff, Kinder!« rief sie und warf Hut, Handschuhe und Jackett irgendwohin zur Seite ...»...Tag, Papa Heinlein ... mein Herr ...« sie verbeugte: sich würdevoll gegen Georg ... und dann wieder zu den andern: »...so 'ne Nachmittagsvorstellung ... diese Vereine ... na ... nun ist's überstanden ... und gemimt hab' ich ... einfach schneidig!«

      »Wieviel Worte?« erkundigte sich Grunäus.

      Sie überlegte. »Elf! ... aber fein! ... du, Cilli ...« ... ihr Gesicht wurde traurig ... »...wenn du mir nicht was Schönes zu essen aufgehoben hast ... dann fang' ich an zu weinen ...«

      »Du kriegst ein kaltes Rebhuhn, Goldchen!« tröstete sie Cilli ... »...und unterdes backen wir dir was Süßes! ... und Trauben kriegt Lulu auch, wenn sie lieb ist ...«

      »Danke schön!« Die beiden Mädchen küßten sich so leidenschaftlich, als hätten sie sich seit Wochen nicht gesehen. Die Herren lachten und protestierten. Es herrschte ein ziemliches Getümmel im Zimmer, durch das Lenski durchdringend den Gigerlmarsch pfiff.

      Georg sah erstaunt auf Lulu und Cilli. Er wußte noch nicht, daß solche leidenschaftliche Bühnen-Freundschaften in Berlin häufig seien. Da fühlte er sich in dem Lärm am Arm berührt.

      Herr Heinlein stand neben ihm.

      »Kommen Sie mal da herein, Herr Textor!« sagte er halblaut und vertraulich, auf das Nebenzimmer deutend ... »da können wir ungestört ein paar Worte miteinander reden ...«

      Und da saßen sie auch schon nebeneinander auf dem Diwan in dem halbdämmerigen Raum, in den vom Speisegemach her Kerzenglanz, Lärm und Gelächter drang. Georg wußte selbst nicht, wie er dazu kam, diesem aufdringlichen und so seltsam gönnerhaften Menschen zu folgen. Der Kerl war ihm unheimlich. Aber vielleicht eben darum fühlte er sich ihm gegenüber so willenlos.

      »Na ... was werden Sie nu eigentlich beginnen, Herr Textor!« Der andere zündete sich bedächtig eine Zigarre an.

      Georg raffte seinen ganzen Hochmut zusammen.

      »Sagen Sie mal, Verehrtester!« erwiderte er in dem näselnden Kavalleristenton des Kasinos ... »...Sie scheinen sich ja sehr für meine Angelegenheiten zu interessieren!«

      »Weil ich Ihnen einen Vorschlag machen will! ... Sie haben den Abschied bekommen ... oder bekommen ihn dieser Tage ... aber reden Sie doch nicht! ... Ihr Name steht in allen Zeitungen mit unter der schwarzen Liste von Hannover ... da frag' ich Sie also still und vertraulich: Was nun?«

      Der Sportsman bemühte sich, ein möglichst gleichgültiges Gesicht zu machen. »Zunächst«, sagte er und streifte die Asche von seiner Zigarette ... »...werde ich den Staatsanwalt auf einige dunkle Ehrenmänner aufmerksam machen, die leider das Schicksal des alten ehrlichen Seemann noch nicht teilen, sondern noch frei herumlaufen!«

      »Tun Sie das nicht!« Herr Heinlein legte vertraulich seine Hand, die klein und glatt war wie die einer Frau, auf den Arm des Husaren ...»...zu verdienen gibt's da nichts, sondern nur Zeit und Mühe zu verlieren ... und was haben Ihnen die armen Teufel getan? Den wirklichen Geldmann kriegen Sie ja doch nicht zu fassen!«

      Der kleine Herrenreiter drehte sich rasch zu ihm und sah ihm scharf ins Auge. »Kennen Sie ihn etwa?« fragte er leise und drohend.

      Herr Heinlein lächelte gutmütig. »Bin ich 'n Gedankenleser? Aber nu' zum Geschäft! ... Da sehen Sie mal« ... er reichte dem andern ein Zeitungsblatt herüber. Es schien, soweit Georg in der Dämmerung erkennen konnte, ein illustriertes Witzblatt zu sein. Die Buchstaben: »Paprika« glänzten fettgedruckt darüber.

      »Das hab' ich gegründet,« sprach der rundliche kleine Herr ...»...so in der Art vom Gil-Blas illustré ... wissen Sie ... so etwas fehlt uns ... was ordentlich Pikantes, das in allen Barbiersalons und den Wiener Cafés aufliegt und in breitem Streifband ins Haus geschickt wird. Dann kommen auch die Annoncen ... Sie wissen schon ... und 's ist ein Haufen Geld zu machen! Aber vorderhand geht's ganz flau damit...«

      »Das wundert mich nicht!« meinte der Sportsman trocken.

      »Und warum geht's flau?« fuhr der andere eifrig fort ... »...weil der Redakteur nichts taugt. Du lieber Gott... ja ... der Mann tut's billig ... aber 's ist auch danach ... da brauch' ich einen fixen Menschen ... sehen Sie ... einen eleganten Kerl, der immer unterwegs ist ... jetzt sitzt er draußen in Hoppegarten und läßt sich bei 'nem Glase Punsch von irgendeinem grünen Reitburschen die Stallgeheimnisse ausschwatzen, und da ist er schon wieder im Boudoir des Fräulein Lulu oder der Cilli drinnen oder so einer ... und interviewt sie, wie sie als Künstlerin über das Heiraten, die Puffärmel, die moderne Richtung und den Kuß auf der Bühne denkt ... hastenichtgesehen, ist unser Mann schon wieder weiter. Im Foyer des Reichstags fällt er einen Abgeordneten mit gespitztem Bleistift an: »Herr Doktor ... wie steht's mit den neuesten Enthüllungen des »Vorwärts«?« ... und gleich darauf ist er wieder im Spezialitäten-Theater ... kleine Vormittagsprobe vor geladenem Publikum mit kaltem Büfett und 'ner Reklamenotiz hinterher ... sehen Sie ... das ist ein Leben ... das wär' was für Sie ...!«

      »Für mich?«

      »Freilich ... Sie sind jung ... mit der ganzen Lebewelt vertraut ... Es kommt mir auf 50 ... 75 Taler im Monat nicht an, wenn Sie sich gut hineinarbeiten! Sie können's! Hingegen ... der Baron ... ich meine den Mann, der die Sache jetzt fingert ... ja ... lieber Himmel ... außer dem feudalen


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