Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz
Читать онлайн книгу.ab essen wir zu Hause. Es wird schon gehen mit meinen Kochkünsten. Die ersten Tage mußt du eben Nachsicht haben, Papa! Und Sie, Herr Textor ...« sie wandte sich ernst an Georg ... »Sie täten besser, auch mit uns zu speisen! Ich rechne dann aus, was auf Ihren Anteil kommt – und Sie werden sehen, es wird viel billiger, als wenn Sie in die schlechten Kneipen gehen!«
»Aber gewiß, Fräulein Thea!« erwiderte der Sportsman fröhlich ... »befehlen Sie nur immerzu! ... ich gehorche!«
»Also abgemacht!« Sie klatschte vergnügt in die Hände ... »Paß auf, Papa: jetzt fängt das neue Leben an! Also morgens stehen wir recht zeitig auf und frühstücken. Dann kommt Herr Texter, und ihr geht an die Arbeit. Ich mach' mich unterdessen im Haushalt nützlich, und vielleicht kann ich euch auch helfen. Dann, wenn das größte Tagewerk getan ist, geht's zum Essen ... dann gegen Abend ein Spaziergang im Tiergarten ... und dann lesen wir bei der Lampe zusammen ein Buch oder die Zeitung ... denn zum Theatergehen ... da langt's ja nicht ... na ...« sie schaute hoffnungsfreudig vor sich hin ... »es wird schon werden!«
»Ja ... mein Goldkind ... ja ...« sprach der alte Herr. Seine Augen waren feucht.
Georg räusperte sich: »Heute nehmen wir also gewissermaßen Abschied von der Vergangenheit, Fräulein Thea! ... Das muß denn doch gefeiert werden ... und da möcht' ich mir den Vorschlag erlauben...um die Sache würdig zu gestalten ... wenn die Herrschaften ein Glas Sekt ... ein letztes Glas Sekt mit mir trinken wollten ...«
Thea sah ihn starr an. »Sie sind doch wirklich unverbesserlich!« rief sie entrüstet.
»Ein letztes Glas Sekt!« flehte er...»einen Satteltrunk, ehe wir ins Philisterland einreiten! ... das müssen Sie mir erlauben!« und das verräterische Zucken ihrer Mundwinkel bemerkend, ersah er seinen Vorteil... »Sie sind ja selbst kein Philister ... und Sekt trinken Sie gewiß auch gern! ...«
»Ja!« sagte sie betrübt.
»Na ... also!« Er rief dem Kellner und bestellte. Bald perlte und prickelte es vor ihnen in den geschliffenen Glasbechern, die klingend aneinanderstießen.
»Sind wir leichtsinnig!« seufzte Thea und wischte sich den roten Mund ... »die reinen Eintagsfliegen! Ich merke schon: Wir geben heute wieder zwanzig Mark aus!«
»Aber dafür ist's doch nett!«
»Nett ist's schon!« sagte sie träumerisch ... »ich wollt', es wäre immer so!... ich hab' eigentlich gar keine Lust zu arbeiten! Ich bin der geborene Faulpelz! Aber wie gesagt, es muß sein! Und morgen geht's los!«
»Jawohl, mein Kind!« Auf dem gedunsenen Gesicht des Freiherrn erschien ein kampfbereiter Zug ... »Morgen!«
»Morgen!« wiederholte der Husar und lächelte verwegen. »Morgen fordern wir unser Jahrhundert in die Schranken!«
»Ja ... und richtig,« Thea war etwas Neues eingefallen ... »jetzt wollen wir einmal sehen, wieviel Geld wir beisammen haben! ... sonst ist ja gar keine Ordnung möglich. Also du, Papa? ... von gestern müssen doch noch hundert Mark mindestens übrig sein!«
Der alte Herr schluckte ein paarmal und sah schuldbewußt zur Seite.
»Eigentlich ... Thea ... mein Herz ...« sprach er endlich stockend ... »du darfst nicht böse sein ... es ist nichts Rechtes mehr davon da! Weil ... weißt du ... ich wollte doch das Armband wieder einlösen. Und da hab' ich heute selbst am Totalisator gesetzt und ... und es war eben ein Pechtag ...«
»Aber ... Papa!«
Sie sagte nichts weiter, sondern beherrscht sich. »Und Sie, Herr Textor!« wandte sie sich mit zückenden Lippen und halb erstickter Stimme zu dem andern ... »Sie haben mir erzählt, daß Sie fünfhundert Mark haben ...«
»Ich hatte sie ...« der kleine Sportsman räusperte sich schuldbewußt ... »ungefähr hundert davon hat der verfl ... dieser angenehme Totalisator heute auch verschluckt!«
Jetzt aber warf Thea zornig den Kopf zurück, und ihre Augen sprühten.
»Hört mich an!« sagte sie leise und drohend ... »wenn ihr so seid ... wenn alles vergebens ist ... mein heiligster Wille ... und meine Bitten und Tränen ... dann braucht ihr mich ja nicht ... dann ...« ihre helle Stimme schwankte, als glaubte sie selbst nicht an das, was sie nun sagen wollte, und verklang in Schluchzen ... »dann geh' ich auf und davon! Zu den Verwandten! Dann könnt ihr allein hier fertig werden! ... Aber ich weiß, was dann geschieht ...« sie legt den Kopf auf den Tisch und weinte ... »verbummeln werdet ihr ... ohne Rettung ... wenn ich euch nicht halte ... Und statt mir ein bißchen dankbar zu sein, vergeudet ihr so recht unsinnig das schöne Geld ... und lacht mich womöglich noch aus ... da geh' ich lieber weg!«
»Aber Kind!«
Aber Fräulein Thea!«
Die beiden verlorenen Männer tauschten einen stummen, angstvollen Blick und sahen dann wieder auf den schluchzenden Lockenkopf zwischen ihnen.
»Bleiben Sie bei uns, Fräulein Thea ...« sagte Georg leise ...»ich schwör' Ihnen: das war das letzte Mal!«
Und der alte Herr legte ihr zögernd und furchtsam die Fingerspitzen auf die Schulter: »Bleib' bei mir, Kind! Du bist mein Glück und Sonnenschein!«
Da hob sie den Kopf und lächelte unter den Tränen, die sie sich von den langen Wimpern trocknete.
»Also das war das letzte Mal!« sagte sie rasch ... »ich halte euch beim Wort! Und nun wollen wir also rechnen: Sie haben noch vierhundert Mark, Papa hat nichts, mein Schmuck ist noch mindestens fünfhundert Mark wert. Da können wir also für den Anfang ganz gut leben!«
Georg hob sein Glas: »Also auf einen guten Anfang!«
»Und auf ein gutes Ende!« ergänzte sie.
»Von morgen ab wird ordentlich gearbeitet!« Der greise Freiherr ballte energisch die Fäuste.
»Geschuftet wird! ... für diesen Heinlein! ...« rief der Sportsman finster ... »aber heute sind wir noch freie Männer beim letzten Glase Sekt!«
Die Gläser klirrten, und durch ihr Schwingen klang Theas helle Stimme:
»Beim letzten Glase Sekt! ...«
IX.
»Na ... nun können wir also anfangen ...« sagte Georg, spitzte einen Bleistift und warf über den großen Redaktionstisch herüber einen zweifelnden Blick auf den Freiherrn, der, würdevoll in einen alten Schlafrock gewickelt, den Fez schief auf dem Kopf, ausgetretene Pantoffeln an den Füßen, in dem Lehnstuhl thronte.
Eine verrückte Situation – das hatte sich der kleine Sportsman schon gedacht, während er zeitig sein Frühstück im Hotel einnahm. Es kam ihm ganz komisch vor, daß er in diesem vornehmen, teppichbelegten und spiegelglänzenden Raum sich dazu stärken sollte, das Witzblatt »Paprika« herauszugeben!
Eigentlich mußte man doch dazu Journalist sein! Er begriff das nicht.
Schon dreimal hatte er, da der alte Herr beharrlich schwieg und verdrießlich in seiner Kaffeetasse rührte, den tiefsinnigen Satz: »Es herrschte gestern trübes Wetter in Karlshorst und war der Besuch daher mäßig« niedergeschrieben und kam sich dabei ziemlich töricht vor.
Endlich schien sich Herr von Hoffäcker zu ermannen. Er blies eine Rauchwolke in die Luft und stieß einen schweren Seufzer aus.
»Ja ... da sitzen wir nun, mein lieber Textor ...« sprach er wehmütig ... »...zwei arme Strohmänner! ... Strohmänner ...« wiederholte er nach einer Pause und qualmte immer heftiger.
»Wieso Strohmänner?« fragte Georg verblüfft.
Der Alte kam nicht dazu, ihm zu antworten. Es klopfte, und ein halbwüchsiger Junge trat ein.
»...'n scheenen Gruß ooch von meiner Tante!« sagte er.
Der