Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays - Rudolf Stratz


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werde doch nicht müßig sitzen, wenn ihr hier arbeitet!« sagte sie erstaunt ... »...die Hände in den Schoß legen ... das fehlte noch! ... »Jetzt wird für den Heinlein geschuftet!« ... hat Herr Textor gestern selbst gesagt ... und ich helfe mit!«

      Dabei sah sie triumphierend auf die beiden Männer, die ganz verdutzt dasaßen.

      »Ich helfe mit an der Zeitung!« wiederholte sie und klatschte ungeduldig in die Hände ... »...rasch ... gebt mir was zu tun!«

      Ihr Vater wandte den greisen Kopf zur Seite: »Davon verstehst du ja nichts, mein gutes Kind .. das sind Dinge, die ...«

      »Oh, Papa!« unterbrach sie ihn empört ... »...nützlich machen kann ich mich ganz gewiß ... da ... zum Beispiel ...« sie wandte sich an Textor ... »...so gut wie Sie kann ich das doch auch abschreiben! Das ist doch wahrlich keine Kunst ...«

      Und ihm den Zettel aus der Hand nehmend, las sie halblaut: »Herrn Doktor Sch., Charlottenburg. Sie fragen nach Hypothekenschiebungen des Zentralbauvereins, die in letzter Zeit im Grundstückverkehr viel von sich reden machten? Es gibt keine Baugesellschaft obigen Namens in Berlin. Sollten Ihre so präzisen und eingehenden Angaben auf eine andere Gesellschaft ähnlichen Namens passen, so würden wir es selbstverständlich für unsere Pflicht erachten, der unsauberen Ungelegenheit näher zu treten. Besten Gruß ...«

      Thea setzte sich und rüstete sich eifrig zum Abschreiben, als ihr Freund die Hand auf das Papier legte und es leise wegzog. »Lassen Sie das!« murmelte er verstört ... »...das ist eine Sache ... das wird nicht so einfach abgeschrieben. Es kommen noch einige Zusätze hinzu ... ein paar geschäftliche Bemerkungen, die Sie nicht abfassen können! ...«

      »So?« Thea wandte sich zu ihrem Vater. »Und du, Papa? ... ich glaube gar, du übersetzt aus dem Französischen! ... Na ... weißt du ... das kann ich auch ... vielleicht sogar besser ... das hat man mir wahrhaftig im Pensionat eingedrillt, wo wir eine Woche um die andere überhaupt nur französisch schwatzen durften ... also gib nur her... das mach' ich dir fein!«

      Sie streckte den Arm aus, um die Zeitung zu nehmen, die der alte Herr hastig zusammenballte und in den Papierkorb warf.

      »Das ist nichts für dich, Thea!« Er beugte sich mit rotem Kopf über den Rand des Papierkorbs ... »...das darfst du nicht lesen!«

      Sie machte große Augen: »Ihr macht eine Zeitung, die ich nicht lesen darf?«

      »Nein ... Thea ... das ist nichts für junge Mädchen!«

      Sie schwieg eine Weile.

      »Und so etwas schreibst du?« fragte sie dann ernst. »Und Sie, Herr Textor?«

      Georg senkte stumm den Blick auf den Tisch. Der alte Herr aber bemühte sich, eine möglichst unbefangene und gewichtige Miene aufzusetzen.

      »Es gibt eine Menge an sich ganz achtbare und einwandfreie Dinge, mein Kind ...« sprach er ... »die aber nur für gereifte Menschen und nicht für halbe Kinder wie du bestimmt sind!«

      »Und dazu gehört auch das Blatt »Paprika«?« forschte Thea.

      Ihr Vater nickte. Etwas zu antworten wagte er nicht, und ebensowenig, sein Gegenüber anzusehen.

      »Nun ...« ... Thea lehnte sich resigniert in den Stuhl zurück ... »...dann seh' ich euch eben zu! Daß ich allein da drüben sitz' und auf den häßlichen Hof hinausschaue, das könnt ihr nicht verlangen. Ich werde ganz still sein und euch gar nicht stören!«

      »...Aber so fangt doch an!« ermunterte sie nach einer ungeduldigen Pause wieder. »Ihr tut ja gerade, als ob ihr euch vor mir geniert! ... Was wird denn Herr Heinlein sagen, wenn er mittags kommt und sieht, daß ihr gar nichts vor euch gebracht habt?«

      Der alte Herr seufzte tief auf, beugte sich über das Pariser Kokottenblatt, das er wieder aus dem Korbe geholt, und begann in großen, zitterigen Zügen, lautlos die Lippen bewegend, zu schreiben.

      Auch Georg griff nach dem Bleistift. Aber er hielt ihn finster und reglos in der Hand, und die Notiz an den Doktor Sch. in Charlottenburg gedieh nicht weiter.

      Derlei zu schreiben, während diese träumerischen Kinderaugen vertrauensvoll auf ihm ruhten ... nein ... es war unmöglich. Er schob den Bogen zur Seite und starrte mit einem Gefühl bitterer Beschämung ins Leere.

      Und da trafen sich seine Blicke mit denen des alten Freiherrn. Auch der hatte nach den ersten Worten zu schreiben aufgehört. Ein verzweifeltes Lächeln spielte um seinen Mund.

      Ein schweres Stillschweigen brütete über den drei Menschen.

      »Ja ... was habt ihr denn nur?« wunderte sich Thea... »...bin ich euch denn wirklich so zur Last?«

      Georg faßte einen Entschluß, Er stand jäh auf und stieß den Stuhl zurück.

      »Das geht nicht!« sprach er kurz und rauh zu den andern ... »...Das ist eine Schmach! ... das ist nichts für mich ... und für Sie auch nicht!«

      Auch der Freiherr hatte sich erhoben und neigte trübe das greise Haupt.

      Thea begriff davon nichts. Sie war sitzen geblieben und schaute auf die beiden verstörten Männer ... »...Was habt ihr denn nur?« fragte sie leise.

      »O ... nichts Besonderes!« erwiderte Georg gleichmütig ... »...wir sind nur im Zweifel über einige Artikel in dem Blatt und wollen warten, bis Herr Heinlein um zwölf Uhr kommt! Dann können wir mit ihm darüber reden! Bis dahin,« ... er sah auf die Uhr ... »...könnte ich mir gerade meine Sachen aus dem teuren Hotel holen lassen und mir hier irgendwo ein möbliertes Zimmer in der Nachbarschaft mieten?«

      »Tun Sie das, Textor!« pflichtete ihm der alte Herr eifrig bei und trottete in das Nebenzimmer, um Rock und Weste anzuziehen und den grauen Zylinder auszubürsten ... »...und ich ... ich gehe inzwischen ...« er stockte und Georg dachte unwillkürlich, welchen Vorwand er nun nehmen würde, um den angesagten Versöhnungsbesuch bei seiner Haushälterin in der Kanonierstraße zu bemänteln ... »...ich gehe zu meinen Kunden hier herum und bringe ihnen die Totalisator-Tickets, auf die sie verloren haben. Als Zeichen, daß es bei mir reell zugeht! Ich mach es nicht wie die andern, die gar nicht für die Pferde ihrer Kunden setzen, sondern auf eigene Gefahr am Totalisator spielen. Da kann man böse abschneiden, wenn dann mal ein Außenseiter, den man für einen Kunden hätte belegen sollen, den anderen die Eisen zeigt. Woher dann das Geld nehmen und nicht stehlen ...?«

      »...Und was mache ich, wenn ihr beide fortgeht?« unterbrach Thea betrübt das Geschwätz des alten Herrn.

      Ihr Vater tätschelte sie sanft auf die Schulter. »Ein Stündchen nur, mein Goldkind ... dann sind wir beide wieder bei dir! ... Wir könnten uns ja unterwegs treffen, Textor ... was meinen Sie ... in der American-Bar an der Passage. Da hört man um die Zeit immer was Neues vom Turf ...«

      »Jawohl!« Georg nahm seinen Hut.. ».. also auf Wiedersehen, Fräulein Thea!«

      »Auf Wiedersehen.« Sie sah ihm traurig ins Gesicht und umfaßte mit ihren beiden schmalen Händen seine Rechte ... »...ich hab' eigentlich Angst, hier allein in der Wohnung zu bleiben!«

      »Hoho!« Der alte Herr lachte etwas gezwungen, während er die verfänglichen Papiere vom Tisch weg in ein Schubfach schloß ... »...Dir passiert nichts!... Sei nur ein tapferes, kleines Mädchen! ... Kommen Sie, Textor!«

      Und beide stiegen die Treppe hinab.

      »Schau! ... schau!« Herr Heinlein blieb ganz überrascht stehen, und ein Lächeln angenehmer Enttäuschung überzog sein glattes Gesicht.

      Er war absichtlich beinahe eine halbe Stunde früher, als er dem Freiherrn in Aussicht gestellt, in das Geschäftszimmer des »Paprika« gekommen, um den alten Gauner einmal gründlich in seiner Nebenbeschäftigung als Wettagent zu ertappen, und hatte zu dem Zwecke auch, ohne anzuklopfen, vorsichtig die Türe aufgedrückt.

      Und nun war der Redaktionsraum leer. Die beiden Herren Gottweißwohin verschwunden. Und dort drinnen im Nebenzimmer saß allein die junge Dame von gestern und schaute sehnsüchtig, als ob sie auf etwas wartete, durch die Scheiben.


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