Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz
Читать онлайн книгу.gemacht, auf allerhand Skandale und Szenen ... und statt dessen versteht ihn der Alte schon beim leisesten, eigentlich ganz unmerkbaren Wink, nimmt Hut und Stock und überläßt es seiner Tochter, den einflußreichen Gast zu empfangen ...
Und wie geschickt die Kleine sich anstellt, als ob sie ihn nicht sähe. Herr Heinlein lachte bei sich und trat in rosigster Laune quer durch das Zimmer auf Thea zu, die bei dem Knarren seiner Stiefel erschreckt emporfuhr. Die Verlegenheit von gestern war bei ihm sofort geschwunden. Wenn die Dinge so lagen, so fühlte er ja den altvertrauten Grund unter den Füßen.
»...Guten Morgen, mein gnädigstes Fräulein ... welch angenehme Ueberraschung ... hätte ich geahnt, Sie hier allein zu treffen ... nicht einmal eine Rose kann ich Ihnen zum Morgengruß überreichen! ...«
Ein Schatten des Unmuts war über Theas feine Züge geglitten. Aber man durfte Herrn Heinlein, den Brotherrn, nicht reizen.
»Bitte, wollen Sie Platz nehmen!« sagte sie liebenswürdig ... »...mein Vater erwartete Sie, glaub' ich, erst in einer Stunde ... und darum gingen er und Herr Textor ...«
Herr Heinlein setzte sich und lachte vergnügt ... »...ich kann's erwarten, mein Fräulein ... wegen mir können die Herren noch 'nen halben Tag ausbleiben, das heißt« ... er blinzelte zu ihr hinauf ... »...wenn Sie mir inzwischen Gesellschaft leisten.«
Thea war stehen geblieben und wandte sich jetzt von ihm ab. Der rundliche, kleine Herr flößte ihr durchaus keine Angst, aber ein Gefühl des Widerwillens ein. Und wie kam er dazu, sie einfach »mein Fräulein« zu nennen?
»Erlauben Sie?« Herr Heinlein zündete sich eine Zigarre an und begann eifrig zu rauchen. Etwas unbehaglich war es ihm doch ein paar Sekunden zumut, als er Theas Augen jetzt wieder so ernst und kühl auf sich gerichtet sah.
Ach was ... die glaubte eben, das müsse zum Anfang so sein! Sie hatte sich eben! Das tun die meisten! Ein Esel, wer die Gelegenheit nicht ausnützt.
»Wollen Sie sich nicht zu mir setzen?« fragte Herr Heinlein freundlich, mit den kleinen Augen zwinkernd ... »...nehmen Sie sich meiner doch ein bißchen an! Sehen Sie, da sitz' ich, ein armer Junggeselle, der in 'ner halben Stunde zur Börse muß, um sich dort von schlechten Menschen ausbeuteln zu lassen ... den ganzen Tag muß ich mich plagen ... und habe keinen Menschen, der mich tröstet oder gern hat ...«
»Das glaub' ich schon!« dachte Thea. Aber sie verschwieg ihre Empfindungen, seufzte unhörbar und nahm ihm gegenüber am Tisch Platz.
»Na ... also!« rief der Besucher erfreut ... »...nur munter! ... ich fresse Sie nicht. Ich bin ein guter Kerl ... ganz Berlin kennt mich dafür! ... Wenn man mich 'n bißchen lieb hat, dann bin ich ein Mensch wie'n Kind ... dann kann man mit mir machen, was man will. Namentlich die Damen! ... Glauben Sie's oder glauben Sie's nicht?« fragte er und neigte vertraulich den Kopf zu ihr herüber.
Sie schwieg. Was war das für ein unangenehmer Geselle!
Der aber schien nichts von dem Eindruck zu merken, den er hervorbrachte. »Versuchen Sie's mal!« fuhr er leise fort ... »...ob Sie mich nicht um den Finger wickeln können ... Wahrhaftig ... ich glaub', Sie können's ... Sie haben so was ... so ... so Apartes ... na ... mit einem Wort: Sie brauchen nur zu befehlen und ich gehorche!«
»Danke!« Thea stand, den Stuhl zurückstoßend, auf und trat ein paar Schritte zum Fenster.
Der Gast wiegte sich wohlgefällig auf seinem Sessel hin und her.
»Brillant!« lobte er ... »...wie Sie da eben aufstanden ... stolz wie eine Prinzessin! Ich glaube, Sie haben Talent zum Theater!« Er sprang wie von einer plötzlichen Idee erfaßt empor und näherte sich ihr ... »...Wollen Sie zur Bühne gehen?« fragte er vertraulich ... »...ich bring' Sie durch ... ich habe meine Verbindungen überall ... Sie machen Karriere ... mein Wort darauf ... ich weiß schon, was Sie sagen wollen ... Talent oder nicht! ... ist ganz Nebensache! ... wer so schön ist wie Sie ...«
»Wollen Sie jetzt einen anderen Gesprächsstoff wählen ...« unterbrach sie ihn mit zornbebender Stimme ...
Aber Herr Heinlein blieb fest: »Und die Reklame!« träumte er ... »...die großartige Reklame ganz umsonst! ... Fräulein Thea! ...« – wahrhaftig! ... er sagte Fräulein Thea! ... sie wagte kaum ihren Ohren zu trauen – »...denken Sie nur: eine junge Dame von uraltem Adel, die sich aus reinster Begeisterung die dornenvolle Künstlerlaufbahn erwählt ... umsonst die Tränen des greisen Vaters ... umsonst die Drohungen der ahnenstolzen Verwandten ... sie bleibt fest und unterzeichnet den Kontrakt ... wird gemacht ...« er verfiel wieder in seinen Geschäftston ... »...wird fein gemacht! Was meinen Sie, Fräulein Thea?«
Sie stand am Fenster und erwiderte nichts vor ratloser Wut. Am liebsten hätte sie den Kerl geohrfeigt.
Da hörte sie seine Stimme dicht neben ihrem Ohr. »Aber ein bißchen dankbar müssen Sie sein ...« flüsterte er ... »...mich ein klein bißchen lieb haben, wenn ich das alles für Sie tue! Nicht wahr, Thea ...« er legte vorsichtig den Arm um ihre Taille ... »...ein ganz bißchen lieb ...«
Sie riß sich von ihm los und ballte wie zum Schlage die Faust. »Sie unverschämter Mensch!« stieß sie atemlos mit wutblitzenden Augen hervor.
»Nanu ...« stotterte Herr Heinlein ... »...nu aber Spaß beiseite ... was ist denn ...«
Da hörte er hinter sich, von der Türe her, zwei, drei elastische Sprünge und fühlte sich am Kragen zu Boden gerissen. Gleich darauf kniete ein Mensch auf ihm, preßte ihm mit der linken Hand die Gurgel zusammen und hämmerte ihm mit der Rechten blitzschnell und unaufhörlich ins Gesicht.
Während dieser Beschäftigung empfand Georg Textor das Gefühl einer wesentlichen Erleichterung. »Gott sei Dank!« dachte er ... »jetzt komme ich doch noch dazu, den Lumpen durchzuprügeln« ... und unverdrossen schlug er los.
Der kleine, feiste Körper unter ihm versuchte sich zwar zu wehren. Aber was vermochten seine quallenweichen Muskeln gegen den katzenzähen, sehnigen Sportsman, der auf ihm kauerte.
»Georg ... Sie bringen ihn ja um!« schrie Thea.
»Natürlich!« Ihr Freund boxte aus Leibeskräften weiter ... »...jetzt zertret' ich diese Wanze! ... höchste Zeit ... Er wollte ja 'nen rüstigen Totschläger auf die Redaktion! ... Sind Sie mit mir zufrieden ... Herr Heinlein ... ja?«
Herrn Heinlein lief das Blut über das blaurote Gesicht. Die Aussicht, von dem wütenden Herrenreiter erwürgt zu werden, gab ihm verzweifelte Kräfte. Er benutzte eine Pause, wo jener abwehrend den Kopf gegen Thea wandte, und schnellte empor. Im nächsten Augenblick zwar hätte ihn Georg wieder gefaßt gehabt, aber Thea umklammerte von rückwärts dessen Arme. Diese Sekunde rettete Herrn Heinlein. Mit einem ungeheuren Satz gewann er die Türe und taumelte die krachenden Treppen hinab zum Toreingang, wo sein Wagen, den er bei der Ankunft, der Ueberraschung wegen, etwas abseits hatte halten lassen, seiner harrte.
Er sprang hinein. »Nach Haus!« lallte er dem verblüfften Kutscher zu, und die Equipage donnerte eilfertig durch die stille Gasse dahin.
»Nun kann er sich seine Zähne numerieren.« brummte Georg ... »...Im Nasenbein knackste auch etwas ... aber sonst ...« er blickte die junge Dame vorwurfsvoll an ... »...sonst lebt der Halunke noch und Sie, Thea, sind daran schuld.«
»Gott sei Dank, daß Sie ihn nicht umgebracht haben ... Ihretwegen natürlich ...« sagte Thea, vor Aufregung zitternd, »...mein Gott ... wie entsetzlich sahen Sie aus in Ihrer Wut!«
Georg brachte, immer noch voll ärgerlicher Kampflust, seine Toilette wieder in Ordnung. »Ich glaube nicht, daß er mich noch länger als Redakteur des »Paprika« behalten wird!« sprach er endlich tiefsinnig.
»Ja ... ich auch nicht!« Thea lachte hell auf und er stimmte in ihre Heiterkeit ein.
»Es ist ganz gut so!« entschied er ... »...das war hier eine unwürdige Geschichte, und der alte Papa verbummelte dabei völlig. Ein Segen, daß wir ihn auf die Weise mit Anstand herausgerissen und Herrn Heinlein schonend zu erkennen gegeben haben, daß wir uns zu verändern wünschen!«
»Die