Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays - Rudolf Stratz


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Bengel lachte verschmitzt.

      »Na ... die Frau Dubberke, wat doch bisher Ihre Haushälterin war. Nu is sie doch jestern, weil sie von ihrem Mann nischt wissen will, zu uns jezogen, ... Schneidermeister Pfeiffer in der Kanonierstraße.«

      »Schön!« entschied der alte Herr ... »...Gruß! Sie soll nur dort bis auf weiteres bleiben!«

      Der Junge widersprach. »Det paßt ihr nich ... läßt sie Ihnen sagen ... weil sie doch ihre eigene Wirtschaft bei Ihnen hätt' ... und das hätt' sie nicht um Ihnen verdient, läßt sie Ihnen sagen ...«

      »Das soll sie mir schreiben!« brummte der Freiherr, immer verlegener werdend ... »...statt daß sie mir da 'nen jungen Menschen auf den Hals schickt ...«

      »Sie meint: Wenn sie schreibt, kriegt sie keine Antwort! Und Antwort will sie haben ... heute vormittag noch. Ihr wär's jleich ... läßt sie sagen ... sie risse sich nich mehr drum, noch länger bei Ihnen Hungerpoten zu saugen, wenn man ihr so kommt ... Und sie könne auf der Stelle zu 'nem Doktor in der Brunnenstraße, der nich plötzlich Töchters ... oder sonst was ... zu Besuch bekäme ...«

      »Genug jetzt!« fuhr der alte Herr auf. Aber sofort mäßigte er wieder wie erschrocken seine Stimme.

      »Gehe nur, mein, Sohn«, sprach er väterlich ... »...und sage, ich käme selbst im Laufe des Vormittags zu ihr 'ran, und sie solle doch ja bis dahin nichts weiter unternehmen ... sondern ruhig abwarten ...«

      »...Sagen will ich's ...« meinte der Bengel ... »...aber ob sie's tut! ...«

      Damit schob er sich zur Tür hinaus, und eine unbehagliche Stille trat ein. Nur aus der Küche hörte man über den Flur das leise Klappern und Stühlerücken, mit dem Thea, halblaut ein Lied trällernd, herumhantierte.

      Ihr Vater warf einen scharfen Blick nach dieser Richtung, räusperte sich und knipste, hilflos das graue Haupt hin und her wiegend, die Spitze einer neuen Import-Zigarre ab. »Die hab' ich gestern geschenkt bekommen,« murmelte er, auf das Bündel weisend ... »...ich muß sie aufrauchen, ehe der Bandit mit den blauen Siegeln wiederkommt ...«

      Georg ging darauf nicht ein.

      »Sie sagten vorhin: Strohmänner ...« Er schaute den Alten forschend an ... »...wieso sollen wir Strohmänner sein ...?«

      »Ich bin's ...« seufzte der andere ... »wozu wollen wir uns denn hier 'ne Komödie vorspielen? ... ich sitze eben da und schreibe meinen Namen ... meinen schönen, alten Namen unter das Schandblatt! ... na ... und Sie ... Gott ... es ist ja möglich, daß Sie bei irgend 'nem Theatermädchen oder Winkelbuchmacher mal irgend 'ne Kleinigkeit erfahren, aber die Hauptsache ist: Wir brauchen hier in der Redaktion einen rüstigen, verwegenen Kerl ... einen jungen Menschen, der zur Not kunstgerecht boxen kann. Denn das hab' ich dem Heinlein gleich gesagt: »Ich bin ein alter Mann! Ich bin hilflos, wenn uns die Leute mit Reitpeitschen und Bullenbeißern oder gar mit Revolvern auf die Bude rücken«

      Georg Textor ließ den Bleistift sinken und starrte den anderen mit offenem Munde an.

      »...und sie werden kommen ...,« fuhr der bekümmert fort ... »...sie müssen kommen, wenn die nächste Nummer heraus ist. Bisher sind doch nur die drei ersten Nummern erschienen. Die waren harmlos. Die hab' ich gemacht ... so aus alten französischen Zeitungen ... wissen Sie... aber jetzt kommt zum erstenmal der Briefkasten ..«

      »Der Briefkasten?«

      Herr von Hoffäcker seufzte und reichte ihm ein mit flüchtigen Zügen bekritzeltes Blatt Papier. » Solche Wische schickt mir der Halunke jeden Tag ...« sagte er kläglich ... »...schreiben Sie's nachher ab, daß ich es verbrennen kann. Das muß ich immer noch am selben Tag tun.«

      »Und das gibt den Briefkasten?«

      »Der Briefkasten wird diesmal ungeheuer groß! Es sind schon mindestens dreißig Antworten der Redaktion darin ... an erdichtete Leser natürlich. Ein großer Teil davon mag ganz unverfänglich sein. Aber dazwischen stecken die gefährlichen ... die Fußangeln ... wissen Sie ... ich kann sie selbst nicht von den andern unterscheiden ... so geschickt sind sie abgefaßt ... nur dem verständlich, um den es sich handelt ... und daß es sich wohl um einen zahlungsfähigen Menschen handelt, das denke ich mir so! Ich weiß es nicht. Das geht alles hinter meinem Rücken vor. Ich kann nichts tun, als die Wische drucken lassen und mit meinem Namen decken ... mit dem Namen Hoffäcker, und ein Hoffäcker hat einst unter Barbarossas Augen zwei Sarazenen mit einem Hieb gefällt ...«

      »Und von wem kommen die Wische?«

      Der alte Herr neigte trübe das Haupt: »Ich weiß es nicht. Sie kommen mit der Post, und ich erkenne sie an der Schrift, die übrigens auch, wie Sie sehen, raffiniert verstellt ist. Diese Schrift wandert dann sofort in den Ofen – darauf habe ich mein Ehrenwort gegeben ... und sehen Sie, wie die Menschen sind ... Heinlein, der Halunke, der mich ins Unglück gestürzt hat, glaubt doch noch an mein Ehrenwort! ...«

      »Also schreibt der die Zettel?«

      Herr von Hoffäcker sah sich um. »Ich glaube nicht,« flüsterte er geheimnisvoll ... »...wenn ich meinem Gefühl folgen darf, ist es ein gewisser Grunäus!«

      Grunäus! Georg sah den großen, wohlbeleibten Mann vor sich, mit dem bärtigen Faungesicht und dem bösen Lächeln um die wulstigen Lippen.

      »Schließlich bleibt sich's ja auch gleich!« fuhr der alte Herr fort ... »...gibt es ein Unglück, so hält sich die Polizei nur an uns. Die Ausrede, wir hätten die Notizen anonym zugeschickt bekommen und verbrannt, können wir nicht beweisen. Grunäus erklärt, er wisse überhaupt nichts von der Existenz des »Paprika«, Heinlein kann den Beweis antreten, daß er, sich um das Blatt gar nicht kümmert, sondern mir nur aus Gutmütigkeit, weil ich durch ihn verkracht bin, ein paar hundert Mark gegeben hat, um mir eine Existenz zu gründen – und daß er in gleicher Absicht Sie hier angestellt hat. Und wer nun gar bei den Opfern das Geld einkassiert – natürlich ohne das Blatt auch nur zu erwähnen ... Er kommt rein zufällig am selben Morgen, wo die Nummer dem Betreffenden unter Streifband zugegangen ist, und bittet um eine Unterstützung ... als verarmter Edelmann oder dergleichen ... ja ... wer das besorgt, das weiß ich nun gar nicht. Jedenfalls einer, den sie auch an der Strippe haben ... der Herr von Lenski oder so wer. Faßt man den, so tut er sehr verwundert: »Gibt es wirklich ein solches Blatt in Berlin? Das ist ja schändlich!«

      Also ein richtiges Revolverblatt! Georg saß ganz starr da.

      »Ich habe solche Angst vor der nächsten Nummer!« klagte der greise Freiherr weiter ... »...Es sind ja nur dunkle Andeutungen ... aber natürlich ... wenn die Leute nicht reagieren, wird es von Woche zu Woche ärger werden. Und wir fallen dabei schließlich ganz gewiß herein..«

      »Das wäre ja wirklich reizend!« murmelte Georg verstört und wickelte sich eine Zigarette. »Vorderhand müssen wir's abwarten ...« Herr von Hoffäcker seufzte schwer auf ... »...was tut man nicht alles, um nicht Hungers zu sterben! Und jetzt, wo das Kind da ist ... also schreiben Sie jetzt mal da die Notiz über den »Zentralbauverein« und die da ... über den Vorfall in der Querallee des Tiergartens ab ... und ich übersetze da was aus dem »Gil-Blas Illustré« ... 's ist ja ganz gleich, was außer dem »Briefkasten« in das Blatt kommt, wenn es eben nur ganz gehörig gepfeffert ist ...«

      »Guten Morgen!« ertönte eine helle Stimme.

      Thea trat ins Zimmer und drückte Georg wie einem guten Freund fest die Hand. Sie sah frisch und munter aus. Die vorgebundene weiße Schürze und die etwas aufgestreiften Aermel kleideten sie vorzüglich.

      »Ich hab' die Frau Kautz fast gar nicht gebraucht, Papa!« sagte sie und schüttelte fröhlich die Locken ... »...selbst ist der Mann und das Mädchen! ... Die Zimmer sind besorgt ... die Küche in Ordnung, in der Maschine brennt das Feuer ... und ich kann dir nur sagen, daß es fabelhaft amüsant ist, so herumzuwirtschaften!«

      »Ja ... tue das!« Der alte Herr war sehr verlegen ... »Wirtschafte du nur zu!«

      Sie lachte hell auf, schlüpfte über den Flur und kehrte mit einem Rohrstuhl in der Hand zurück.

      »Ich bin ja fertig!« rief


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