Römische Geschichte. Livius Titus

Читать онлайн книгу.

Römische Geschichte - Livius Titus


Скачать книгу
Verhaftung erwachsenden Hass nicht allein der Diktator durch Niederlegung seiner Diktatur ausgewichen sei, sondern auch nicht einmal der Senat habe Trotz bieten wollen. 5 Dadurch aufgeblasen und erbittert, reizte er die ohnedies schon entzündeten Gemüter des Volkes:

      Wie lange wollt ihr denn eure Kräfte verkennen, welche die Natur nicht einmal unvernünftige Tiere verkennen lässt? Zählt doch wenigstens, wie viel ihr selbst seid, und wie viele Gegner ihr habt, obgleich ich, wenn ihr Mann gegen Mann auftreten müsstet, euch zutrauen dürfte, dass ihr eifriger für eure Freiheit streiten würdet, als sie für ihre Herrschaft. 6 Denn so viele von euch sonst als Schutzbedürftige einen einzigen Schutzherrn umstanden, so viele von euch werden jetzt gegen einen Feind sein. 7 Zeigt nur den Krieg, und ihr werdet Frieden haben. Lasst sie sehen, dass ihr zur Gewalt entschlossen seid, so werden sie selbst ihre Ansprüche fallen lassen. Entweder müsst ihr als Ganzes etwas wagen, oder jeder Einzelne sich alles gefallen lassen. 8 Wie lange wollt ihr euch nach Hilfe bei mir umsehen? Ich werde freilich keinem von euch mich entziehen, aber seht zu, dass nicht mein Glück euch im Stich lässt. Ich, euer Retter, war, als es meinen Feinden beliebte, in ein Nichts verwandelt, und ihr alle saht den in Fesseln gelegt, der von jedem unter euch die Fesseln abgewehrt hatte. 9 Was habe ich zu hoffen, wenn sich meine Feinde noch mehr gegen mich erlauben sollten? Soll ich dem Ende eines Cassius, eines Maelius entgegensehen? Ganz recht, dass ihr verabscheuend ausruft: »Das werden die Götter verhüten!« Allein sie werden nie meinetwegen vom Himmel steigen. Euch müssen sie den Sinn verleihen, dies nicht zuzugeben, so wie sie mich in den Waffen und in der Toga beseelten, euch von wilden Feinden, euch von übermütigen Bürgern zu befreien. 10 Hat ein so großes Volk so wenig Mut, dass ihr euch immer am bloßen Beistand gegen eure Feinde genügen lasst und weiter keinen Streit mit den Vätern kennt als den, inwieweit ihr euch von ihnen beherrschen lassen wollt? Auch liegt das nicht von Natur in euch, sondern ihr lasst euch in Beschlag nehmen, wie ihr es gewohnt seid. 11 Denn warum habt ihr gegen Auswärtige so viel Mut, dass ihr glaubt, es gebühre euch, sie zu beherrschen? Weil ihr gewohnt seid, mit diesen um die Oberherrschaft zu kämpfen, gegen jene die Freiheit mehr zu versuchen als zu behaupten. 12 Dessen ungeachtet habt ihr, welche Anführer ihr auch hattet, und wie es immer um euch selbst stehen mochte, bisher alles, was ihr fordertet, entweder durch Gewalt oder durch euer Glück erlangt. 13 Es ist Zeit, sich auch an größere Dinge zu machen. Stellt nur euer Glück auf die Probe, und mich, euren, wie ich hoffe, schon glücklich Bewährten. Mit geringerer Mühe werdet ihr den aufstellen, der über die Väter herrschen soll, als ihr bisher diejenigen aufstelltet, die den Herrschenden Trotz bieten sollten. 14 Die Diktaturen und Konsulate müssen dem Boden gleichgemacht werden, damit der römische Bürgerstand sein Haupt erheben könne. Deswegen steht mir bei und verhindert, dass über Geldsachen Recht gesprochen werde. Ich erkläre mich zum Schutzherrn des Bürgerstandes, mit welchem Namen mein Eifer und meine Treue mich schon bekleiden. 15 Wollt ihr aber euren Führer mit einem Ehrennamen belegen, der auf eine ausgezeichnete Macht und Würde deutete, so werdet ihr euch seiner zur Erlangung dessen, was ihr wünscht, mit so viel größerem Nachdruck bedienen können.

      16 Und hierauf sollen nun die Pläne zu einer königlichen Regierung in Anregung gekommen sein; allein mit wem und wie weit sie gediehen seien, darüber ist nichts Sicheres berichtet worden.

      (19) Auf der andern Seite kamen die Versammlungen der Bürgerlichen in einem Privathaus, das noch dazu auf der Burg lag, und die der Freiheit drohende Gefahr im Senat zur Beratung. 2 Ein großer Teil rief laut, hier bedürfe es eines Servilius Ahala, der einen Staatsfeind nicht durch den Befehl, ihn zu verhaften, reize, sondern durch Aufopferung eines Bürgers den inneren Krieg beende. 3 Man ging aber zu einem anderen Vorschlag über, der den Worten nach gelinder, übrigens von gleichem Nachdruck war: Die Obrigkeiten hätten dahin zu sehen, dass der Staat durch die verderblichen Anschläge des Marcus Manlius nicht gefährdet werde. 4 Und nun überlegten die Konsular- und Volkstribunen – denn auch diese hatten sich, weil sie ihre Gewalt und die Freiheit aller mit gleichem Ende bedroht sahen, dem Gutachten des Senates gefügt –, sie alle, sage ich, überlegten jetzt gemeinschaftlich, was zu tun sei. 5 Da nun keiner auf einen anderen Ausweg als Gewalt und Blutvergießen verfiel, und man gleichwohl einsah, dass hiermit ein allgemeiner Kampf verbunden sei, sprachen die Volkstribunen Marcus Maenius und Quintus Publilius: 6 Warum machen wir das zu einem Streit zwischen Vätern und Bürgern, was eigentlich der ganze Staat gegen einen verderblichen Bürger auszufechten hat? Warum greifen wir den und den Bürgerstand zugleich an, den wir sicherer durch den Bürgerstand selbst angreifen können, um ihn unter der Last seiner eigenen Macht stürzen zu lassen? 7 Unser Plan wäre der, ihn vor Gericht zu fordern. Nichts ist weniger volkstümlich als das Königtum. Sobald jene Menge sehen wird, dass der Kampf nicht ihr gilt, sobald die Bürger aus seinen Beiständen zu seinen Richtern gemacht werden, sobald sie bürgerliche Kläger und einen patrizischen Beklagten vor Augen haben, und die Absicht auf den Thron als Beschuldigung vor ihnen daliegt, so werden sie für nichts mehr als für ihre eigene Freiheit Partei nehmen.

      (20) Da ihnen alle beistimmten, luden sie Manlius vor Gericht. Dieser Schritt erregte gleich anfangs den Unwillen der Bürger, 2 vollends als sie den Beklagten in Trauerkleidung und mit ihm nicht nur keinen von den Vätern sahen, sondern auch keinen seiner Blutsfreunde und Verwandten, ja endlich nicht einmal seine Brüder, die beiden Manlier, Aulus und Titus. Denn es war bis auf diesen Tag noch nie der Fall gewesen, dass in einer so großen Gefahr nicht zugleich die nächsten Verwandten Trauer angelegt hätten. 3 Als Appius Claudius ins Gefängnis geführt worden sei, habe sich Caius Claudius, sein Feind, und das ganze Claudische Geschlecht in Trauerkleidern gezeigt. Es sei Verabredung, den Mann als Volksfreund zu unterdrücken, weil er der Erste sei, der von den Vätern zum Bürgerstand übergetreten sei.

      4 Was dem Beklagten, als jener Tag erschien, außer den Versammlungen der Menge, seinen aufrührerischen Äußerungen, seinen Schenkungen und außer jener falschen Anzeige, in unmittelbarem Bezug auf das angeschuldigte Trachten nach dem Thron, von seinen Anklägern vorgeworfen sei, finde ich von keinem angegeben. 5 Aber ich zweifle nicht, dass es keineswegs unbedeutend gewesen sei, da der Grund, warum das Volk mit seiner Verurteilung Anstand nahm, nicht in seiner Sache, sondern nur im Ort lag. Um aber die Welt erfahren zu lassen, was für herrliche und große Auszeichnungen die unselige Begierde nach dem Thron nicht bloß unverdienstlich, sondern selbst verhasst werden ließ, mag Folgendes nicht unaufgezeichnet bleiben: 6 Er soll beinahe 400 Menschen vorgeführt haben, denen er Geld ohne Zinsen geliehen, denen er ihr Eigentum von der Versteigerung bzw. die er selbst von der Übergabe in die Sklaverei gerettet hatte. 7 Außerdem soll er seine Ehrenzeichen aus dem Krieg nicht bloß erwähnt, sondern auch zur Schau vorgelegt haben, Rüstungen erlegter Feinde an dreißig, Geschenke von Feldherren an die vierzig, worunter sich zwei Mauer-, acht Bürgerkronen auszeichneten. 8 Noch mehr, er habe Bürger vorgeführt, die er von den Feinden errettet hatte, und unter ihnen habe man den Magister Equitum Caius Servilius als Abwesenden genannt. Und da er auch dessen, was er im Krieg geleistet hatte, um der Höhe seiner Verdienste nichts zu vergeben, verherrlichend in einer Darstellung erwähnte, deren Ausdrücke sich zu den Taten emporschwangen, soll er seine von Wunden der Schlacht benarbte Brust entblößt 9 und zum Kapitol hinaufblickend einmal über das andere den Jupiter und die anderen Götter aufgefordert haben, ihm von oben herab in seinem Unglück zu helfen, soll sie angefleht haben, den Sinn, den sie ihm bei der Verteidigung der Kapitolinischen Burg zur Rettung des römischen Volkes verliehen hätten, jetzt in seiner Gefahr dem römischen Volk zu verleihen, soll die Bürger einzeln und insgesamt gebeten haben, zum Kapitol und zur Burg hinaufsehend und den unsterblichen Göttern zugekehrt über ihn zu richten.

      10 Da das Volk auf dem Marsfeld zenturienweise zur Abstimmung aufgerufen wurde, und der Beklagte, die Hände zum Kapitol ausstreckend, sich mit seinen Bitten von den Menschen an die Götter wandte, sahen die Tribunen ein, wenn sie die Erinnerung an ein so großes Verdienst nicht auch für die Augen der Leute unwirksam machten, so würde das von der Wohltat bestochene Urteil der Richtenden die Klage nie für gerecht erklären. 11 Also wurde nach Verlegung des Tages die Volksversammlung in den Petelinischen Hain vor dem Nomentanischen Tor beschieden, wo man keine Aussicht auf das Kapitol hatte. Hier wurde die Beschuldigung gültig, und festen Sinnes fällte man einen harten, selbst den Richtern schmerzhaften Urteilsspruch. 12 Es fehlt nicht an Angaben, welche behaupten, er sei durch Zweimänner verurteilt, die man dazu ernannt habe, gegen ihn auf Leib und Leben zu


Скачать книгу